OLG Dresden, Urteil vom 25.6.2010 - Steuerrecht

Steuererstattungsansprüche, die vor dem für die Berechnung des Zugewinns maßgebenden Stichtag entstanden sind (Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags) unterliegen dem Zugewinnausgleich. Die neuere Rechtsprechung des BGH zur unterhaltsrechtlichen Behandlung von Abfindungen (vgl. u. a. BGH, FamRZ 2004, S. 1352) ändert hieran nichts.

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Urteil

Gericht         : OLG Dresden
Datum           : 25.06.2010
Aktenzeichen    : 24 UF 800/09
Leitparagraph   : BGB §1378
Quelle          : FamRZ 2011, S. 113
Kommentiert von : RA Simon Heinzel


Inhalt:

Folgender Sachverhalt lag zugrunde:

 

Der Scheidungsantrag wurde am 23.12.2004 zugestellt. Rechtskräftig geschieden wurde die Ehe im August 2009, die Folgesache Zugewinnausgleich wurde aufgrund der langen Verfahrensdauer abgetrennt und mit Urteil in1. Instanz im November 2009 entschieden. Beide Seiten haben gegen das Urteil Berufung eingelegt, Hierüber hat das OLG Dresden im Juni 2010 entschieden, insbesondere dahingehend, dass der Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin erheblich (ca. 10.000 Euro) gemindert wurde, da das OLG die Steuererstattungsansprüche der Antragsgegnerin sowie die Steuernachzahlungsforderungen gegenüber dem Antragsteller, die aus den Veranlagungszeiträumen 2002/3 herrührten, in die Zugewinnausgleichsberechnung mit eingestellt hat, was das Amtsgericht unterlassen hatte.

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Die Entscheidung des OLG:

 

Da die faktisch ausbezahlten Steuererstattungen aus den Veranlagungszeiträumen 2002/2003 nicht bereits auf andere Weise ausgeglichen wurden (z. B. unterhaltsrechtlich oder im Versorgungsausgleich), kommt ein Ausgleich im Zugewinn in Betracht, dadurch wird das Doppelverwertungsverbot (z. B. BGH, FamRZ 2008, S. 761) nicht berührt. Zum Zugewinnausgleich gehören alle rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert. Insoweit sind auch Ansprüche auf Steuererstattungen/Steuernachzahlungsforderungen in den Zugewinnausgleich einzubeziehen (z. B. OLG Köln, FamRZ 1999, S. 656). Notwendig hierfür ist lediglich, dass der gesamte Veranlagungszeitraum zum Stichtag bereits abgelaufen ist, zum 23.12.2004 (Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages) waren die Veranlagungszeiträume 2002/2003 abgelaufen. Auf die Abgabe der Steuererklärung oder den Erlass des Steuerbescheides kommt es nicht an. Zwar hat in jüngerer Vergangenheit eine Mindermeinung vertreten, Steuererstattungsansprüche seien im Zugewinnausgleich nicht zu berücksichtigen (z. B. Gerhardt, Handbuch Fachanwalt Familienrecht, 8. Auflage, Kapitel 6, Rdn. 21), da eine unterhaltsrechtliche Betrachtung vorrangig sei und insbesondere der BGH zwischenzeitlich auch Abfindungen nicht mehr dem Zugewinnausgleich zuordnet, sondern dem Unterhalt. Dieses Argument überzeugt das OLG nicht, denn aus der Rechtsprechung des BGH zur Behandlung von Abfindungen lässt sich kein überzeugender Schluss ziehen auch Ansprüche auf Steuererstattungen dem Zugewinnausgleich zu entziehen (ebenso Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Auflage, § 1375, Rz. 10 u. a.). Dies deshalb, da eine Steuererstattung kein vorweggenommenes Einkommen für einen bestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitraum darstellt. Vielmehr handelt es sich um die Erstattung in der Vergangenheit zuviel gezahlter Abgaben. Sie standen im Unterhalt nicht zur Verfügung und wurden vielmehr von vergangenen Einkünften „erspart“. Auch das vom BGH im Unterhaltsrecht favorisierte sogenannte In-Prinzip erfordert keine andere Beurteilung. Das In-Prinzip bedeutet, dass im Unterhaltsrecht alle im Prüfungszeitraum tatsächlich gezahlten oder erstatteten Steuern zu berücksichtigen sind. Durch das Doppelverwertungsverbot wird jedoch sichergestellt, dass wenn die Steuererstattungsposition im Zugewinn ausgeglichen wird, dass dann eine Berücksichtigung im Unterhaltsrecht nicht mehr möglich ist. Selbiges gilt natürlich auch in anderer Richtung für Steuerverbindlichkeiten (Nachzahlungsansprüche) die in Veranlagungszeiträumen entstanden sind, die vor dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages lagen. Auch diese gehören ausschließlich in den Zugewinnausgleich (wohl einhellige Meinung, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, BGH, FamRZ 1991, S. 43, Palandt/Brudermüller, § 1375, Rz. 19, u. a.).

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Fazit

 

In der Praxis entsteht immer wieder Streit darüber, wie insbesondere mit Steuerrückerstattungen zu verfahren ist, die in der Vergangenheit entstanden sind, insbesondere auch in Jahren, die vor dem Trennungszeitpunkt liegen oder eben, wie hier, in Jahren vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages. Bei völlig isolierter Betrachtungsweise und bei der Vorfrage, wem diese Steuererstattungen zustehen bzw. wer die Steuernachzahlungen zu leisten hat, ist es ständige Rechtsprechung, dass bei vormaliger gemeinsamer Veranlagung nicht im Verhältnis 50 : 50 auszugleichen ist, sondern entsprechend einer fiktiven getrennten Veranlagung. Dann ist steuerrechtlich zu klären, auf wen bei fiktiver getrennter Veranlagung die Steuererstattung/Steuernachzahlung entfallen würde, und auch in diesem Verhältnis erfolgt dann der interne Ausgleich. Im hier vorliegenden Fall lag offensichtlich schon getrennte Veranlagung für VZ 2002/2003 vor, sodass es auf diese wichtige Vorfrage, über die häufig gestritten wird, nicht ankam.

 

Wenn ein Ehegattenunterhalt nach dem sogenannten Halbteilungsgrundsatz (Quotenunterhalt) errechnet und bezahlt wird, spielt es letztendlich keine Rolle, ob der vermögensrechtliche Ausgleich im Wege der Halbteilung im Zugewinn erfolgt oder im Wege der Halbteilung im Unterhaltsrecht. Wenn jedoch z. B. kein Unterhalt mehr geschuldet ist, spielt es schon eine Rolle, wo eine solche Steuererstattung zu berücksichtigen ist. Dass eine Berücksichtigung sowohl bei Zugewinn als auch beim Unterhalt nicht möglich ist, liegt auf der Hand und ist auch durch den BGH mit dem Grundsatz des sog. Doppelverwertungsverbotes manifestiert. In welchem Ausgleichsinstrument eine Steuererstattung letztendlich zu berücksichtigen ist, ob beim Zugewinn oder beim Unterhalt, hat der BGH noch nicht entschieden. Bei Abfindungen, da sie den Einkünften zuzurechnen sind, sind diese in erster Linie beim Unterhalt zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 2003, S. 432). Jedoch kann auch eine Abfindung dann, wenn ein Unterhalt nicht berechnet wird, weil ein solcher nicht geschuldet wird, als Vermögen im Zugewinn Berücksichtigung finden. Die Rechtsprechung des BGH zur Abfindung ist daher nur ein „Vorrang“ und keine „Ausschließlichkeit“. Selbiges gilt daher auch für Unternehmensbeteiligungen oder Aktienoptionen als Gehaltsbestandteil, die vorrangig dem Unterhaltsrecht zuzuordnen sind (BGH, FamRZ 2003, S. 432, OLG Oldenburg, FamRZ 2009, S. 1911). Damit ist der Streit zur Frage, wo der Ausgleich stattfindet (Zugewinn oder Unterhalt), letztendlich ein Streit „um des Kaisers Bart“.

 

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Viel wichtiger für die Praxis sind jedoch die Fälle in denen Zeiträume vor der Trennung/Scheidung betroffen sind, in denen man die gemeinsame Steuerveranlagung (Ehegattensplitting) durchgeführt hat. Hier gilt grundsätzlich eine Aufteilung im Verhältnis einer fiktiven Veranlagung (siehe oben).

 

In jedem Fall ist zu beachten, dass auch vor der Trennung herrührende vermögensrechtliche Ansprüche oder Steuererstattungen/-nachzahlungen, die erst lange nach der Trennung oder ggf. nach der Scheidung tatsächlich zur Zahlung/Auszahlung anstehen, letztendlich in irgendeinem Ausgleichssystem der Hälfteteilung zu berücksichtigen ist (entweder Zugewinn oder Unterhalt). Wenn aufgrund einer vertraglichen Vereinbarungen kein Ausgleichssystem mehr zur Verfügung steht (Gesamtabgeltung), muss bereits bei der vertraglichen Gestaltung darauf geachtet werden, dass man solche Steueransprüche aus Zeiten vor der Trennung/Scheidung, die jedoch erst in der Zukunft zum Tragen kamen, da die Steuererklärung noch nicht gemacht wurde oder der Steuerbescheid noch aussteht, mitberücksichtigt.