OLG Karlsruhe (Familiensenat in Freiburg), Urteil v. 13.1.2009 – Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich

Die vom BGH für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich angeordnete Methode zur Anrechnung eines nach Dynamisierung im Wege des erweiterten Splittings bereits ausgeglichenen Anteils einer Versorgung ist auch für den Fall anzuwenden, dass im Zusammenhang mit der Ehescheidung ein weiterer Ausgleich durch Beitragsentrichtung erfolgte.

Selbst wenn ein zum Zeitpunkt der Ehescheidung festgestellter Wert einer Betriebsrente vollständig ausgeglichen wurde, ist ein weiterer schuldrechtlicher Versorgungsausgleich möglich.  ~

Urteil

Gericht         : OLG Karlsruhe 
Datum           : 13.01.2009
Aktenzeichen    : 18 UF 22/08 
Leitparagraph   : VAHRG §3b, VAHRG §10a
Quelle          : -
Kommentiert von : Rentenberater Markus Vogts, Karlsruhe

Inhalt:

Folgender Sachverhalt lag zugrunde:

 

Die Parteien stritten über schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Die 1968 geschlossene Ehe wurde 1989 geschieden. Die beiderseitigen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung wurden durch Splitting ausgeglichen. Das weitere Anrecht des Ehemannes auf betriebliche Altersversorgung gegenüber der Dornier GmbH, Friedrichshafen wurde vom Amtsgericht mit 63,00 DM durch erweitertes Splitting ausgeglichen~ darüber hinaus verpflichtete es den Ehemann, durch Beitragszahlung von 7.200,74 DM Anwartschaften in Höhe von 39,18 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehefrau zu begründen. Dabei wurde seine betriebliche Altersversorgung als statisch bewertet. Im Urteil wies das Familiengericht darauf hin, der Ehefrau bleibe es unbenommen, einen ergänzenden Anspruch gegenüber dem Ehemann dann = später geltend zu machen, sollte sich seine Versorgung im Nachhinein doch als dynamisch erweisen.

 

Am 13.05.2007 hat die frühere Ehefrau „ergänzenden Versorgungsausgleich bei dynamischer Altersversorgung“ beantragt und mit monatlich 305,70 € beziffert. Der frühere Ehemann  ist dem entgegengetreten mit der Begründung, die Betriebsrente sei 1989 vollständig ausgeglichen worden.

 

Das daraufhin angerufene Familiengericht verpflichtete den früheren Ehemann zur Zahlung einer monatlichen Ausgleichsrente von (nur) 108,76 € ab Juli 2007: Die Betriebsrente sei noch nicht vollständig ausgeglichen, weil die nacheheliche Dynamik wegen deren Verfallbarkeit nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen worden sei. Den Ausgleichsbetrag hat das Gericht errechnet, indem es die Differenz aus den Ehezeitanteilen der vom früheren Ehemann tatsächlich bezogenen und der in der Erstentscheidung zugrunde gelegten Bruttorente gebildet hat.

 

Gegen den Beschluss vom 20.12.2007 hat der die frühere Ehefrau vertretende Rentenberater sodann Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Er verfolgte das erstinstanzliche Begehren im vollem Umfang weiter und rügte, dass das Amtsgericht den Ehezeitanteil der Versorgung unzutreffend berechnet und darüber hinaus den öffentlich-rechtlichen Teilausgleich abweichend von der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung berücksichtigt habe.

 

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Die Entscheidung des OLG:

 

Die Beschwerde ist zulässig, form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet. Die Antragstellerin kann vom Antragsgegner (dem früheren Ehemann) die Zahlung einer monatlichen schuldrechtlichen Ausgleichsrente in Höhe von 305,70 € von Juli 2007 an (und ab Juli 2008 in Höhe von 327,52 €) beanspruchen.

 

Verfallbar war damals noch die Einkommensdynamik der Versorgung im Anwartschaftsstadium. Diese hätte bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus den Diensten der Dornier GmbH geendet. Der Anspruch auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gründet sich auf § 2 VAHRG. Die Rechtskraft der amtsgerichtlichen  Entscheidung aus 1989 steht der Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht entgegen. Die Antragstellerin musste sich auch nicht auf die Durchführung eines Abänderungsverfahrens nach § 10a VAHRG verweisen lassen:

 

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs beläuft sich auf die Hälfte des Ehezeitanteils des Zeitwerts der Rente abzüglich der bereits durch erweitertes Splitting und durch Beitragsentrichtung ausgeglichenen Beträge. Somit ist der Teilausgleich aus 1989 nach § 3 b Abs. 1 VAHRG anzurechnen. Es führt zu unzutreffenden Ergebnissen, den Anrechnungsbetrag mit dem Ehezeitanteil der 1989 zugrunde gelegten Brutto-Rente anzusetzen (wie es das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung getan hat). Denn hierdurch bleibt die damals nach der Barwertverordnung vorgenommene Dynamisierung völlig unberücksichtigt~ ausgeglichen wurde nicht eine statische Anwartschaft, sondern die Antragstellerin erhielt im Wege des erweiterten Splittings und der Beitragsentrichtung eine dynamische Ausgleichsrente übertragen.

 

In Fällen wie dem hier vorliegenden, in denen ein unter der bis 31.12.2002 gelten den BarwertVO durchgeführter erweiterter öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen ist, bedarf es allerdings auch keiner „Entdynamisierung“ in der Weise, dass der auf das Ehezeitende bezogene Wert der dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gem. § 3 b Abs. 1 VAHRG gutgebrachten Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung durch Rückrechnung anhand der Barwertverordnung in den Wert eines nicht-volldynamischen Anrechts umgerechnet wird. Vielmehr errechnet sich die Höhe des durch den öffentlich-rechtlichen Teilausgleich bereits „verbrauchten“ Anteils der schuldrechtlichen Ausgleichsrente, indem der auf das Ehezeitende bezogene Nominalbetrag des nach § 3 b Abs. 1 VAHRG übertragenen beziehungsweise begründeten Anrechts wegen seiner zwischenzeitlichen Wertsteigerungen auf den aktuellen Nominalbetrag „hochgerechnet“ wird, und zwar anhand des Verhältnisses des aktuellen Rentenwerts für den Zeitpunkt der Entscheidung über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu jenem zum Ende der Ehezeit.

 

Gemäß der nachfolgenden Berechnung ergibt sich die vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu zahlende monatliche Ausgleichsrente für/ab Juli 2007:

 

 

Ehezeitanteil Betriebsrente                                755,46 €
Ausgleich nach § 3 b Abs. 1 VAHRG bezogen auf den
30.06.1989 durch erweitertes Splitting (63,00 DM)
und Beitragsentrichtung (69,18 DM) =102,18 DM
Aktueller Rentenwert damals/heute                          26,27 / 37,27
„hochgerechneter“ öffentlich-rechtlicher
Teilausgleich (102,18 DM * 26,27/37,27) =                  72,02 €
Schuldrechtliche Ausgleichsrente
(755,46 : 2 – 72,02) €                                   = 305,71 €

Zuzusprechen waren indes nur 305,70 €, nämlich nicht mehr als beantragt. Eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf den Antragsgegner ist angemessen, denn die Antragstellerin ist mit ihrer Beschwerde in vollem Umfang erfolgreich. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung.

 

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Fazit

 

Die Praxis beurteilte die Frage, ob die neuere Rechtsprechung des BGH vom 25.5.2005 (FamRZ 2005, 1464) und vom 20.12.2006 (FamRZ 2007, 363) zur Anrechnung eines erweiterten Splittings im Zusammenhang mit der Geltendmachung der schuldrechtlichen Ausgleichsrente auch im Falle einer im Erstverfahren erfolgten Beitragsentrichtung des § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG anzuwenden ist,  bis zuletzt leider uneinheitlich.

 

Teils wurde argumentiert, dass im Falle des vollständigen Ausgleichs der einzubeziehenden  und vom Endgehalt abhängigen Betriebsrente bereits zum Zeitpunkt der Erstentscheidung in den Formen des § 3b Abs. 1 VAHRG ein “vollständiger öffentlich-rechtlicher Ausgleich” statt gefunden habe und folglich kein Raum für einen schuldrechtlichen Ausgleich mehr verbleibe. Diese Meinung befürwortete also eine Sachbehandlung ähnlich wie nach erfolgter Abfindung.

 

Wie der vorliegende Ausgangsfall aber zeigt, wurde in der Praxis außerdem die Meinung vertreten, die geforderte Übertragung der zu § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ergangen Rechtsprechung des BGH habe in Fällen, in denen zusätzlich ein Ausgleich nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG stattgefunden habe, „eine unzulässige Korrektur des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich“ zur Folge, weshalb es „nur durch einen Antrag nach § 10a VAHRG“ möglich sei, die durch die Anwendung der Barwertverordnung entstandenen Nachteile zu korrigieren.

 

 

Diese Überlegungen berücksichtigen aber nicht hinreichend,  dass

 

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  • die Umwertung mittels der Barwertverordnung im Rahmen der Ehescheidung nur zum Zwecke der Bilanzierung erfolgte,

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  • eine bindende Feststellung einer künftigen schuldrechtlichen Ausgleichs­ver­pflichtung  also bei der Ehescheidung nicht erfolgen konnte (vgl. BT-Drs. 7/4361, 45),

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  • durch die Ausgleichsformen des § 3b Abs. 1 VAHRG nur ein den Halbteilungs­grundsatz verletzender dynamisierter und von den tatsächlichen Verhältnissen abweichender Betrag ausgeglichen und damit gut gebracht wurde.

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Die nun erfolgte Klarstellung durch das OLG Karlsruhe ist daher sehr zu begrüßen.