Pfändungsschutz - BGH - 10.03.2021 (Corona-Rechtsprechung)


1. Bei der Corona-Soforthilfe (Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ und ergänzendes Landesprogramm z. B. „NRW-Soforthilfe 2020“) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung.

2. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit dieser Soforthilfe verbundenen Zweckhilfe ist in Höhe des bewilligten und auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 10.03.2021
Aktenzeichen: Az. VII ZB 24/20
Leitparagraph: §§ 850k Abs. 4, 851 ZPO

Kommentierung:

Im zugrunde liegenden Fall hat ein Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung betrieben. Insoweit war und ist es nicht von Bedeutung, ob es sich bei den titulierten Forderungen um Unterhaltsrückstände handelt oder nicht. Der Schuldner hatte ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto bei seiner Bank, der Gläubiger hat in die „Corona-Hilfen“, die auf diesem Pfändungsschutzkonto eingegangen waren, hineingepfändet. Die Bewilligung der Corona-Hilfen erfolgte mit der Zweckbindung, dass diese ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens/Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erfolgen. In diesen Bescheiden ist auch festgehalten, dass mit Kreditlinien des kontoführenden Kreditinstitutes nicht aufgerechnet werden darf und dass ein Rückforderungsanspruch besteht, wenn die Sofort-Hilfe nicht zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz/Ausgleich Liquiditätsengpass benötigt wird.

Der Schuldner und Kontoinhaber hat beim Vollstreckungsgericht beantragt, dass die Bank ihm den Sofort-Hilfe-Betrag von 9000 € auszubezahlen hat, was die Bank jedoch verweigert hat. Das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – hat den pfändungsfreien Betrag um 9000 € erhöht und somit eine Auszahlung an den Vollstreckungsgläubiger verhindert. Hiergegen hat der Gläubiger die sofortige Beschwerde eingelegt, die das OLG zurückgewiesen hat. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

Der BGH hat sich letztendlich im Ergebnis der Entscheidung des OLG angeschlossen und somit ein „Pfändungsverbot“ für Altverbindlichkeiten bezüglich der Corona-Soforthilfen bestätigt. Der BGH bestätigt, dass es sich bei Corona-Soforthilfen und auch bei anderweitigen Soforthilfen oder auch Überbrückungshilfen um zweckgebundene Leistungen handelt und an der Quelle (beim Staat) unpfändbar sind. Diese Unpfändbarkeit erlischt jedoch grundsätzlich im Zeitpunkt der Gutschrift dieser Sonderzahlung auf einem Konto des Schuldners. Handelt es sich hierbei um ein Pfändungsschutzkonto, ist jedoch in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO der gutgeschriebene Betrag aus der Soforthilfe dadurch pfändungsfrei zu stellen, indem abweichend von den normalen Bestimmungen der Pfändungsfreibetrag hochzusetzen ist. Mag der Gesetzgeber eine solche Soforthilfe in dem Katalog der §§ 850a ff. ZPO nicht vorgesehen haben, so ist diese Lücke zu schließen, weil das Gesetz insoweit planwidrig unvollständig ist. Die Soforthilfe ist letztendlich vergleichbar mit einer Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes, sodass auch bei der Corona-Soforthilfe der Pfändungsfreibetrag entsprechend zu erhöhen ist (so schon AG Zeitz, Beschluss vom 02.09.2020, Az. 14 M 222/20, LG Köln, Beschluss vom 23.04.2020, Az. 39 T 57/20; BFH, Entscheidung vom 09.07.2020, Az. VII S 23/20).

Wäre die staatliche Hilfe auf ein „normales“ Konto geflossen, hätte eine Pfändungsmöglichkeit bestanden, da für diese Regelungen die §§ 850a ff. keine Anwendung finden. Diese Rechtsprechung ist wohl auch auf die Corona-Prämien/Überbrückungshilfen Ende des Jahres 2020/Anfang 2021 anzuwenden, ebenso auch auf den sogenannten Pflegebonus/Kinderbonus wegen der Zweckgebundenheit.