Rechte des leiblichen Vaters - BGH - 05.10.2016
- Allein der Umstand, dass sich die rechtlichen Eltern beharrlich weigern, einen Umgang des Kindes mit seinem leiblichen Vater zuzulassen, genügt nicht, um den entsprechenden Antrag gemäß § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB zurückzuweisen.
- Ist einziger Grund für das Scheitern des Umgangs die ablehnende Haltung der rechtlichen Eltern und die damit einhergehende Befürchtung, dass diese mit einer Umgangsregelung psychisch überfordert wären und dadurch mittelbar das Kindeswohl beeinträchtigt wäre, sind strenge Anforderungen an die entsprechenden Feststellungen zu stellen.
- Auch im Verfahren nach § 1686 a BGB hat das Gericht das Kind grundsätzlich persönlich anzuhören.
- Vor einer Anhörung bzw. einer etwaigen Begutachtung ist das Kind bei entsprechender Reife grundsätzlich über seine wahre Abstammung zu unterrichten, sofern ein Umgang nicht bereits aus anderen, nicht unmittelbar das Kind betreffenden Gründen ausscheidet.
Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 05.10.2016
Aktenzeichen: XII ZB 280/15
Leitparagraph: BGB § 1686a
Quelle: NZFam 2016, Seite 1179
Kommentierung:
Bei dieser Entscheidung handelt es sich um die erste Entscheidung des BGH zum Umgangsrecht des leiblichen/biologischen, jedoch nicht rechtlichen Vaters. Hierbei handelt es sich um Fallkonstellationen, in denen die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes besteht (z. B. allein durch das Verheiratetsein mit der Mutter des Kindes), jedoch es feststeht bzw. unstrittig ist oder zumindest von dem mutmaßlichen leiblichen Vater eidesstattlich versichert wird, dass er der leibliche Vater des Kindes ist. Aus der Beziehung des aus Nigeria stammenden Antragstellers (leiblicher Vater) mit einer verheirateten Frau sind Zwillinge hervorgegangen, die Mutter lebt weiterhin mit ihrem Ehemann zusammen, aus deren Ehe 3 ältere Kinder hervorgegangen sind. Das Gesetz sah kein Umgangsrecht für einen biologischen Vater vor, der nicht in einer sozial-familiären Beziehung zu dem Kind steht oder gestanden hat. Der biologische Vater hat hiergegen erfolglos Verfassungsbeschwerde eingelegt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch festgestellt, dass die Versagung jeglichen Umgangs ohne Prüfung des Kindeswohles ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK (jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens …) ist (FamRZ 2011, Seite 269). Daraufhin hat der Kindsvater erneut Umgangsantrag gestellt, zwischenzeitlich war auch § 1686 a BGB (Juli 2013) neu ins BGB aufgenommen worden, wonach ein Recht auf Umgang mit dem Kind für den nur leiblichen Vater besteht, wenn der Vater ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und der Umgang dem Kindeswohl dient.
Das Amtsgericht hatte dem Vater daraufhin ein Umgangsrecht (begleitet) gewährt, das Oberlandesgericht jedoch hat diese Entscheidung wieder aufgehoben, nachdem nach Auffassung des OLG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die grundsätzliche Ablehnung und beharrliche Weigerung der Eltern, einen Umgang zuzulassen, im vorliegenden Fall ausreichend war, weil diese angebliche psychische Belastung der Eltern auch auf das Kindeswohl durchschlagen würde. Zudem ist die Stabilität und Belastbarkeit des Familienverbandes ebenso zu beachten. Der BGH hat moniert, dass das Gutachten eingeholt wurde, ohne dass die zwei 9-jährigen Zwillinge hinsichtlich ihrer Abstammung aufgeklärt gewesen sind, zudem bietet das Gutachten keine ausreichende Grundlage zur Frage der Kindswohldienlichkeit. Die Kinder hätten angehört werden müssen.
Der BGH hat die Sache an das OLG zurückverwiesen und darauf hingewiesen, dass Grundvoraussetzung ist die Unterrichtung der Kinder über ihre wahre Abstammung – nachdem die alt genug seien. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass die Aufklärung über die Abstammung ansich Elternverantwortung sei, bei Abwägung der verfassungsrechtlichen Werte stellt der Umgangswunsch des leiblichen Vaters eine verfassungsimmanente Schranke dar, d. h. Schranke hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Elternverantwortung zur Abstammungsaufklärung (BVerfG NJW 2015, Seite 542). Der BGH stellt schon heraus, dass zunächst aus Kindeswohlsicht geprüft werden muss, ob die Aufklärung der Abstammung aufgrund des Alters, der Persönlichkeit des Kindes etc. geboten ist, wenn das – wie im vorliegenden Fall möglicherweise so ist – muss ggf. der Tatrichter den Eltern hierzu eine Frist setzen – wird diese nicht befolgt, muss auf andere Art und Weise diese Aufklärung der Kinder sichergestellt werden. Wie das sein soll, sagt der BGH indes nicht. Staatliche Eingriffe sind aber nur in den Grenzen des § 1666 f BGB möglich, also nur bei Vorliegen einer Kindswohlgefährdung. Soll die Nichtaufklärung zur Abstammung kindswohlgefährdend sein? Wohl nicht. Wer soll denn ggf. eine „Zwangsaufklärung“ durchführen? Das Jugendamt, ein Sachverständiger oder am Ende der Richter? Selbige Fragen werden gestellt von Plettenberg in der Anmerkung zu diesem Urteil in NZFam 2016, Seite 1185.
Wie aus der Historie dieses Falles zu entnehmen, ist dieser Streit des Umgangs des leiblichen – nicht rechtlichen – Vaters aus Nigeria über viele Instanzen bislang über 10 Jahre geführt worden, sodass möglicherweise auch zu dieser Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und die verfassungsrechtliche Abwägung des BGH ggf. das Verfassungsgericht bei entsprechender Verfassungsbeschwerde anders sieht.
An dem Fall sieht man, dass viel Rechtstheorie betrieben wird, die praktische Relevanz jedoch wohl von untergeordneter Bedeutung ist, da Sachverhalte wie hier eher die Ausnahme sind. Aufgrund von verfassungsrechtlichen Vorgaben oder Vorgaben von europäischen Gerichtshöfen ist der Gesetzgeber jedoch immer wieder gehalten, auch abseitige Rechtskonstellationen gesetzlich zu normieren, woraufhin die Gerichte dann auch hierüber bei Vorliegen der speziellen Fallkonstellationen zu entscheiden haben – mit den hier aufgeworfenen Problemen.