Sorgerecht / Umgangsrecht - OLG Brandenburg - 12.05.2015

 

Jedenfalls mit Vollendung des 12. Lebensjahres eines Kindes bildet dessen Wille eine relative zuverlässige Entscheidungsgrundlage (Sorgerechtsverfahren), die aber die Untersuchung und Gewichtung der übrigen Kindswohlkriterien nicht ausschließt.

Beschluss:
Gericht: OLG Brandenburg
Datum: 12.05.2015
Aktenzeichen: 10 UF 3/15
Leitparagraph: BGB § 1671
Quelle: NZFam 2015, Seite 1172

Kommentierung:

Auf Antrag des Kindsvaters hat das Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge bei einem außerehelich geborenen Kind bestimmt. Dem Antrag, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater zu übertragen, ist weder das Familiengericht noch das OLG nachgekommen, obwohl der Sohn den Wunsch geäußert hat und bei seiner Befragung dies auch zuletzt bekräftigt hat, beim Vater leben zu wollen. Das OLG begründet dies damit, dass der zuletzt geäußerte Wille des Kindes nicht maßgeblich ist, da der Sohn sich anfangs auch wechselhaft geäußert hat und hieraus ein Loyalitätskonflikt des Kindes deutlich wird. Das OLG übersieht nicht, dass der Kindeswille mit Vollendung des 12. Lebensjahres eine relativ zuverlässige Entscheidungsgrundlage ist, aber nicht entscheidend sein kann.

Die Entscheidung stellt klar, dass auch bei diesem Alter der Wille des Kindes nicht ausschlaggebend sein muss. In der Regel gewinnen die Vorstellungen des Kindes zum zunehmenden Alter an Bedeutung. So kann sogar der beharrliche Wunsch eines 11-jährigen Kindes bei gleicher Erziehungseignung der Eltern maßgeblich sein (OLG Hamm, NZFam 2014, Seite 430). Andererseits ist dem Kindeswillen auch einer 14-jährigen kein alleinentscheidendes Gewicht beizumessen (OLG München, FamRZ 2014, Seite 1210). Grundsätzlich ist daher jedes Kind anzuhören – ggf. auch ein 3-jähriges Kind, es bedarf jedoch zumindest der Bestellung eines Verfahrensbeistandes.

Die Entscheidung macht deutlich, dass es kein festes Alter für Kinder gibt, bei denen die Kinder letztendlich allein entscheiden, das Gericht muss im Einzelfall die Anhörung des Kindes bewerten.