Umgangsrecht - AG Frankfurt a. M. - 16.04.2020


Verstößt ein Elternteil gegen eine gerichtliche Anordnung des begleiteten Umgangs zur Anbahnung von Umgangskontakten mit dem anderen Elternteil nur unter Verweis auf die abstrakte Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus, so ist für jeden Verstoß ein Ordnungsgeld festzusetzen.

Beschluss:
Gericht: AG Frankfurt a. M.
Datum: 16.04.2020
Aktenzeichen: Az. 456 F 5086/20
Leitparagraph: § 89 FamFG
Quelle: NZFam 2020, Seite 447

Kommentierung:

Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht schon in der Coronazeit am 31.03.2020 einen begleiteten Umgang per Beschluss festgelegt. Dem vorausgegangen war schon eine einstweilige Anordnung gegen die die Mutter schon einmal verstoßen hatte und zu einem Ordnungsgeld geführt hatte. Die Mutter hat dann per E-Mail am 02.04.2020 dem Träger der begleiteten Umgänge mitgeteilt, dass sich die globale Coronasituation derart verschärft habe, dass zum Schutz der Tochter bis Ende April alle Termine abgesagt werden. Mit gerichtlichem Schreiben sind dann alle Beteiligten am 07.04.2020 darauf hingewiesen worden, dass keine sachlichen Gründe bestünden, die Umgangskontakte nicht durchzuführen, der pauschale Hinweis auf Corona nicht ausreichend ist. Im Beschluss vom 31.03.2020 wurde auf die Folgen der Zuwiderhandlung hingewiesen und bei Zuwiderhandlung auf Ordnungsgeld verwiesen.

Das Familiengericht hat auf Antrag des Vaters der Mutter ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 € pro Verstoß, hilfsweise pro 250 € Ordnungsgeld einen Tag Ordnungshaft angeordnet, die Höhe bestimmt sich nach dem Einkommen, welches bei der Mutter pro Monat bei ca. 40.000 € lag (im „Normalfall“ läge so ein Ordnungsgeld wohl weit darunter, ca. 250 €, wobei bei Mehrfachverstoß dann auch gesteigert). Das Gericht weist darauf hin, dass es einen rechtskräftigen Beschluss gibt, der sogar in Kenntnis der Infektionslage ergangen ist, sodass es keine Eigenmächtigkeiten geben kann, dies im Wege der sogenannten Selbstjustiz abzuändern. Es liegt ein schuldhafter Verstoß vor.

An dieser Entscheidung sieht man, dass die eigenmächtige Abänderung nicht gerne gesehen wird. Die Mutter hätte ja die Möglichkeit gehabt, wenn sich im Vergleich zur Grundentscheidung (31.03.2020) besondere Veränderungen ergeben hätten, durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Abänderung herbeizuführen. Alleine auf die sich zuspitzende Coronalage zu verweisen sei nicht ausreichend. Hier war auch noch der Sonderfall, dass die Grundentscheidung erst in Coronazeiten ergangen ist. Aber auch bei älteren Umgangsgrundentscheidungen wird der pauschale Hinweis auf die Pandemie nicht ausreichend sein. Die abstrakte Gefährdung reicht nicht, die meisten Coronaverordnungen der Bundesländer weisen hierauf hin. Wenn eine Quarantäne behördlich angeordnet ist oder eine Infektion festgestellt ist, ist Umgang in jedem Fall auszusetzen. „Dazwischen“ kann es im Einzelfall zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen, dann wenn z. B. der Umgangsberechtigte in einem systemrelevanten Bereich „gefährdend“ ständig mit möglicherweise Infizierten in Kontakt tritt und schon dadurch ein erhöhtes Risiko darstellen könnte. Der vielleicht bessere Weg ist dann aber der mit einstweiligen Anordnung die bisherige Umgangsregelung auszuhebeln, statt einfach den Umgang zu verweigern. Auf der anderen Seite kann auch eine einstweilige Anordnung ein wenig dauern und das Gefahrpotential beim Umgangsberechtigten veranlasst schnelles Handeln. Das ist Ermessensfrage, ebenso die dann zu entscheidende Frage, ob im Einzelfall der Umgangspflichtige bei einer Umgangsverweigerung „schuldhaft“ handelt oder nicht.

Nachdem die Rechtsprechung erstmalig mit einer solchen Pandemie umgehen muss, wird es in der Summe keine „Patentrezepte“ geben.