Umgangsrecht - AG Hersbruck - 23.04.2020


Es liegt eine verschuldete Umgangspflichtverletzung vor, wenn nur ein allgemeines Infektionsrisiko bei Umgangsberechtigten besteht, auch wenn ein einmaliger Verstoß gegen Vorschriften zum Infektionsschutz belegt.

Beschluss:
Gericht: AG Hersbruck
Datum: 23.04.2020
Aktenzeichen: Az. 08 F 83/19
Leitparagraph: § 89 FamFG

Kommentierung:

Die Mutter hatte coronabedingt Homeoffice, keinerlei Außenkontakte, eine Notbetreuung in der Kita war nicht angezeigt, der Sohn wurde von ihr daheim betreut. Der Vater ist selbständiger Fensterbauer, hat sein Geschäft mit Kundenkontakt berechtigterweise weitergeführt, seine bei ihm wohnende Lebensgefährtin ist in einem systemrelevanten Beruf tätig und war auch ständigem Kundenkontakt ausgesetzt. Trotz eines gerichtlich genehmigten Umgangsvergleichs hat die Mutter zunächst wegen Krankheit (starker trockener Husten, aber kein Corona) dann wegen des erhöhten Infektionsrisikos beim Vater dem Umgang ausgesetzt. Nach der Auffassung der Mutter war beim Vater ein erhöhtes Infektionsrisiko allein aus beruflicher Sicht, aber auch weil im Hausstand des Vaters auch die Lebensgefährtin ein höheres Infektionsrisiko darstellte (im Vergleich zum Haushalt bei der Mutter aufgrund der faktischen häuslichen Quarantäne aufgrund Homeoffice). Hinzu kam, dass der Kindsvater über WhatsApp in Zeiten, in denen keinerlei Kontakte zu Dritten erlaubt war, aus seinem häuslichen Bereich Bilder gepostet hat, aus denen ersichtlich war, dass zwei haushaltsfremde Personen (Freunde) sich in der Wohnung des Vaters aufgehalten haben.

Ungeachtet dessen hat das Amtsgericht Hersbruck gegen die Kindsmutter wegen insgesamt acht ausgefallenen Umgangsterminen laut Gerichtsvergleich ein Ordnungsgeld von 1000 € festgesetzt und eine schuldhafte Verletzung der Umgangspflicht entschieden. Das Amtsgericht führt aus, dass allein die Tatsache, dass der Kindsvater weiterhin berufstätig ist und Kundenkontakt hat und die Lebensgefährtin systemrelevant arbeitet kein ausreichender Grund sei, ein erhöhtes Infektionsrisiko zu erblicken – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die betreuende Mutter keinerlei Außenkontakte hat und der Vater nachweislich gegen „Corona-Vorschriften“ – zumindest einmal – verstoßen hat. Weiterhin weist das Amtsgericht darauf hin, dass auch die Möglichkeit bestanden hätte, im Wege der einstweiligen Anordnung die bestehende Umgangsvereinbarung anzugreifen, statt den Umgang faktisch auszusetzen.

Diese Entscheidung zeigt, wie unterschiedlich doch Gerichte urteilen. Das Amtsgericht München, siehe oben, hat die erhöhte Infektionsgefahr in einer Kita höher angesiedelt als eine bestehende Umgangsvereinbarung und letztendlich dem Homeoffice des Vaters „den Vorzug“ gegeben. Hier hat das Amtsgericht beim Umgangsberechtigten Elternteil keine erhöhte Gefährdung gesehen und dem Homeoffice der Mutter keinen „Vorrang“ eingeräumt. Die Entscheidung des AG Hersbruck ist nicht rechtskräftig, Beschwerde beim OLG Nürnberg ist eingelegt. Nachdem die Pandemie derzeit eine positive Entwicklung nimmt, werden derartige Fragen wohl nicht mehr so virulent sein, auch Gerichte in der Retrospektive die Infektionsängste möglicherweise nicht mehr so gewichtig erachten.

Die kindschaftsrechtlichen Fragen – insbesondere zum Umgang – im Rahmen von Corona werden hoffentlich zukünftig nicht mehr Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sein. Bei den wirtschaftlichen Auswirkungen, die dann im Rahmen der Leistungsfähigkeit und der Bedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen/Unterhaltsbedürftigen eine Rolle spielen, wird das anders sein und insbesondere im Unterhaltsrecht die Fragen der Abänderbarkeit von Unterhaltsentscheidungen aufwerfen. Im Unterhaltsrechts sind alsbald erste Entscheidungen zur Abänderbarkeit zu erwarten.