Umgangsrecht/Sorgerecht/Wechselmodell - OLG - 16.09.2022

  1. Betreuen die Eltern ihr Kind im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells, kann es zur Geltendmachung von Barunterhaltsansprüchen nicht durch einen Elternteil gemäß § 1629 II 2 BGB vertreten werden. Erforderlich ist vielmehr die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil nach § 1628 BGB oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers. Zwischen beiden Möglichkeiten besteht ein Wahlrecht.
  2. Die Anwendung des § 1628 BGB scheidet nur aus, wenn ein auf den Einzelfall bezogener Interessenkonflikt feststellbar ist.

Beschluss:
Gericht: OLG Brandenburg
Datum: 16.09.2022
Aktenzeichen: 9 UF 74/22
Leitparagraph: § 1628 BGB FamRZ 2022, Seite 1929
Quelle: NZFam 2022, Seite 1138

Kommentierung:

Die Eltern betreuen ihr Kind im Wechselmodell, sie hatten sich gegenseitig von Kindesunterhaltsansprüchen freigestellt, nachdem der Kindsvater nunmehr deutlich höheres Einkommen erzielt, begehrt die Kindsmutter auf der Grundlage der Unterhaltsberechnung im Wechselmodell entsprechend der BGH-Rechtsprechung Unterhalt für das Kind. In der vorherigen Vereinbarung hatten die Eltern eine Abänderungsmöglichkeit der gegenseitigen Freistellung vertraglich geregelt gehabt.

Nachdem der Vater neben inhaltlichen Dingen eingewandt hat, dass zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen im Wechselmodell nicht die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis auf die Mutter der richtige Weg sei, sondern ein Ergänzungspfleger einzusetzen sei, hat das OLG ausdrücklich entschieden, dass der Weg über die Ersetzung der Alleinentscheidungsbefugnis gemäß § 1628 BGB der richtige Weg ist. Das Amtsgericht hatte zunächst den Antrag nach § 1628 BGB zunächst zurückgewiesen. Im paritätischen Wechselmodell fehlt nach herrschender Auffassung eine alleinige Vertretungsbefugnis eines Elternteils zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Die herrschende Rechtsauffassung gibt einem Elternteil in diesem Fall ein Wahlrecht zwischen der Einsetzung eines Ergänzungspflegers und den Weg über die Ersetzung der Einwilligung nach § 1628 BGB. Das OLG sieht auch den Ersetzungsweg deshalb für sinnvoller, weil er Kosten für einen Ergänzungspfleger spart.

Die Frage, ob dann tatsächlich ein Abänderungsanspruch besteht, ist allein in einem Unterhaltsverfahren dann zu klären. Wie man sieht, hat das Wechselmodell auch seine Tücken (BVerfG, FamRZ 2022, Seite 1954 u. a.).