Umgangsrecht/Sorgerecht/Wechselmodell - OLG - 27.04.2022

§ 1696 I 1 BGB gebietet die Änderung einer Anordnung zum Umgang, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Umständen angezeigt ist. Zweck der Regelung ist die Anpassung an eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Die Vorteile der Neuregelung haben die mit der Abänderung verbundenen Nachteile zu überwiegen.

Beschluss:
Gericht: OLG Dresden
Datum: 27.04.2022
Aktenzeichen: 21 UF 71/22
Leitparagraph: § 1684 BGB
Quelle: NZFam 2022, Seite 939

Kommentierung:

Bei dieser Entscheidung handelt es sich um die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells nach § 1696 BGB. Zunächst wurde Umgang ausgeübt alle 14 Tage, der Vater strebt ein paritätisches Wechselmodell an. Vormalige Kommunikationsschwierigkeiten seien überwunden. Das Amtsgericht hatte den Antrag auf „Wechselmodell“ abgewiesen, da das Wechselmodell nicht mehr dem Kindeswohl entspräche als jedes andere Betreuungsmodell. Auch hätten sich die Kinder (3 und 6 Jahre“!) nicht eindeutig für ein Wechselmodell ausgesprochen, die Eltern hätten das Kindeswohl aus dem Blick verloren.

Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen, denn eine Änderung ist nur dann geboten, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Umständen angezeigt ist. Umgangsregelungen haben eine gewisse Bestandskraft, die ohne Änderung der Sach- und Rechtslage nicht durchbrochen werden dürfe. Triftige Umstände sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Das Wechselmodell zielt nicht darauf ab, elterliche Erwartungen und Wünsche zu erfüllen. Alleiniger Maßstab ist das Kindeswohl.

Das OLG weist darauf hin, dass bei Kleinkindern häufige Wechsel erheblichen Stress bedeuten können. Es besteht sogar ein Entwicklungsrisiko. Auch ist der Kindeswille in dem Alter nicht maßgeblich, da dieser durch den elterlichen Loyalitätsdruck mitgeprägt wird, wie hier. Auch dürfte das Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils nur selten kindswohldienlich sein.

Diese Entscheidung blieb nicht kritiklos. Wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage Grundlage für eine Abänderung ist, ist nicht nachvollziehbar, warum das OLG sogar von einer persönlichen Anhörung der Beteiligten abgesehen hat. Fragen zur Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft sind im Rahmen persönlicher Anhörung zu klären. Aber auch diese Entscheidung zeigt, dass Entscheidungen zum Wechselmodell sehr einzelfallbezogen sind und schwer voraussehbar.