Unterhaltsrecht - BGH - 15.12.2021


1. Steuerliche Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden berühren das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht (Bestätigung des Senatsurteils vom 1. Dezember 2004 - XII ZR 75/02 - FamRZ 2005, 1159).

2. Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die mittels kreditfinanzierter Immobilien erzielt werden, ist bis zur erzielten Miete nicht nur die - die Einkünfte bereits steuerrechtlich vermindernde - Zins-, sondern auch die Tilgungsleistung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Fortführung von Senatsbeschlüssen BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519 und vom 4. Juli 2018 - XII ZB 448/17 - FamRZ 2018, 1506).

3. Selbständige können in der Summe 24 % ihres Bruttoeinkommens des jeweiligen Jahres für die Altersvorsorge aufwenden und damit - soweit eine solche Vorsorge tatsächlich betrieben wird - von ihrem unterhaltsrelevanten Einkommen absetzen (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, - 2 - 1739). Im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte Tilgungsleistungen sind auf diese Altersvorsorgequote nicht anzurechnen (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519).

4. Werden die mit der Berufsausübung verbundenen höheren Aufwendungen bereits pauschal oder konkret bei der Einkommensermittlung berücksichtigt, bedarf es im Einzelnen einer Begründung des Tatgerichts, wenn es mehr als ein Zehntel des Erwerbseinkommens der Bedarfsbemessung entzieht.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 15.12.2021
Aktenzeichen: XII ZB 557/20
Leitparagraph: §§ 1361, 1573, 1578 BGB
Quelle: FamRZ 2022, Seite 434 ff.; NZFam 2022, Seite 208 ff. sowie www.bundesgirichtshof.de

Kommentierung:

Diese Entscheidung setzt konsequent die jüngste Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen im Rahmen der Einkommensberechnung im Unterhaltsrecht fort. Daneben werden weitere grundlegende Ausführungen zum Unterhaltsrecht getätigt und festgeschrieben.

1. Steuerliche Abschreibung für Abnutzung von Gebäuden

Der BGH stellt nochmals ausführlich fest, dass Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht berühren, weil diesen Abschreibungen lediglich ein Verschleiß von Gegenständen des Vermögens zugrunde liegt und die steuerlichen Pauschalen vielfach über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen. Zudem ist entscheidend, dass der steuerlich bedachte Verschleiß durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarktes ausgeglichen wird und der Wertverlust eines Gebäudes – soweit er denn überhaupt eintritt – sich regelmäßig über einen so langen Zeitraum erstreckt, dass er gegenüber der Unterhaltspflicht vernachlässigt werden kann (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 1 Rn. 457).

2. Zins- und Tilgungsleistungen für Immobilien

Der BGH hat bereits im Jahr 2017 im Rahmen des Elternunterhalts entschieden, dass dem grundsätzlich einkommenserhöhenden Wohnvorteil nicht nur die Zinsleistung gegenzurechnen ist, sondern auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwerts (BGH, FamRZ 2017, Seite 519). Zur Begründung hat der BGH richtigerweise ausgeführt, dass es sich bei den Tilgungsleistungen nicht um eine Vermögensbildung „zu Lasten“ des Unterhaltsberechtigten handelt, da es ohne Zins und Tilgung den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht gäbe. Ebenso hat der BGH beim Ehegattenunterhalt entschieden (BGH, FamRZ 2018, Seite 1506), die Rechtsprechung hat dies auch übernommen für den Kindesunterhalt, soweit der Mindestkindesunterhalt gedeckt ist (OLG Frankfurt, NZFam 2019, Seite 1054). Das OLG Oldenburg (NZFam 2021, Seite 604) geht sogar beim Kindesunterhalt noch weiter, wonach der Abzug von Tilgungsleistungen bis zum Wohnwert auch im Mangelfall gilt. Diese Rechtsansicht hat sich nunmehr für die Anrechnung von Tilgungsleistungen bei der selbstgenutzten Immobilie und dem damit zusammenhängenden Wohnwert durchgesetzt (Borth, FamRZ 2019, Seite 160 ff., Schürmann, FamRZ 2018, Seite 104, Engels FF 2017, Seite 325, Finke, Forum Familienrecht 2019, Seite 2 ff.).

Der BGH hatte im hiesigen Fall nunmehr darüber zu entscheiden, ob dies auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die mittels kreditfinanzierter Immobilie erzielt werden, gilt. Der BGH hat dies ausdrücklich bejaht und im zweiten Leitsatz formuliert, dass bis zur erzielten Kaltmiete nicht nur die bereits steuerrechtlich vermindernden Zinskosten abzugsfähig sind, sondern ebenso die Tilgungsleistungen. Das Argument ist letztendlich das gleiche wie bei der Berücksichtigung von Tilgungsleistungen beim Wohnwert: Ohne die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen werden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht erzielt, sodass bis zur Höhe der Mieteinkünfte auch die erforderlichen und tatsächlich geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen unterhaltsrechtlich abzugsfähig sind. Schließlich wird auch die Mieteinnahme unterhaltsrechtlich als Einnahme berücksichtigt. Diese Entscheidung war überfällig und bringt zu dieser Frage Rechtsklarheit.

3. Zusätzliche Altersvorsorge

Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass Selbständige bis zu 24 % ihres Bruttoeinkommens für die Altersvorsorge aufwenden dürfen. Im Hinblick auf die derzeitige gesetzliche Rentenversicherung in Höhe von ca. 19 % des Bruttoeinkommens und der zusätzlichen Altersvorsorge gemäß Rechtsprechung in Höhe von 4 % gehen auch einige Gerichte von lediglich 23 % Gesamtaltersvorsorge aus. Auch Nichtselbständige können und dürfen bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze neben der gesetzlichen Rente 4 % zusätzliche Altersvorsorge betreiben und bei Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze wie ein Selbständiger 23 %/24 %. Der BGH stellt klar, dass Zins- und Tilgung bis zur Höhe der Mieteinnahmen unabhängig von dieser zusätzlichen Altersvorsorge abzugsfähig sind, Tilgungsleistungen, die darüber gehen, können dann bis zur entsprechenden Höhe als zusätzliche Altersvorsorge in Abzugsgebracht werden, da auch die Bildung von Immobilieneigentum durch Tilgungsleistungen als adäquate Altersvorsorge zu akzeptieren sind. Bemessungsgrundlage für den Prozentsatz ist grundsätzlich nicht das Einkommen des Vorjahres, sondern wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung das jeweils laufende Einkommen.

4. Erwerbstätigenbonus

Der BGH schreibt nunmehr fest, dass als Erwerbstätigenbonus nur 10 % pauschal abzugsfähig sind und nicht 1/7. Dies ist ansich auch schon in den Unterhaltsleitlinien, Stand 01.01.2022, umgesetzt. Der BGH begründet dies damit, dass die mit der Berufsausübung verbundenen höheren Aufwendungen beim Selbständigen bereits im Rahmen der Gewinnermittlung Berücksichtigung finden und beim Nichtselbständigen zumeist in den pauschalen berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 5 %. Deshalb geht der BGH von einem Erwerbstätigenbonus von nur noch 10 % aus (so schon vormals die Süddeutschen Leitlinien). Ein höherer Abschlag wäre konkret darzulegen.