Unterhaltsrecht - OLG - 11.11.2022
- Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, muss Art und Umgang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeben und darlegen, inwiefern sich die behaupteten gesundheitlichen Störungen auf die Erwerbsfähigkeit auswirken.
- Eine lange Ehedauer auch von über 25 Jahren ist allein kein ausreichender Umstand, um von einer Begrenzung bzw. Befristung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578 b BGB abzusehen.
Beschluss:
Gericht: OLG Düsseldorf
Datum: 11.11.2022
Aktenzeichen: 3 UF 53/22
Leitparagraph: §§ 1573, 1578 b BGB
Quelle: NZFam 2023, Seite 468
Kommentierung:
Die Ehefrau begehrt nachehelichen Unterhalt. Nach Geburt von zwei Kindern nahm sie im Februar 2002 im Umfang von ca. 20 Wochenstunden ihre Erwerbstätigkeit wieder auf und hat sie seitdem auch nicht erweitert. Das Amtsgericht hatte ihr unbefristeten monatlichen nachehelichen Unterhalt zugestanden, wobei das Amtsgericht keine Obliegenheit zur Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit angenommen hat und auch keine Befristung des Unterhalts in Erwägung gezogen hat. Dies wurde begründet mit der langen Ehedauer und des dadurch begründeten Vertrauensschutzes.
Hiergegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt, das OLG hat den Unterhalt um ca. 1/3 (500 €) herabgesetzt und bis zum 31.12.2027 befristet. Das OLG hat in seinen Berechnungen einen vollschichtigen Verdienst der Ehefrau zugrunde gelegt. Zwar hat die Ehefrau sich auf psychische und körperliche Einschränkungen berufen, das OLG hat jedoch diese Behauptungen nicht für ausreichend erachtet. Es wurden zwar Atteste vorgelegt, aus diesen ging jedoch nicht hervor, ab dadurch die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist oder nicht. Es wäre Aufgabe der Ehefrau gewesen, Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen anzugeben und darzulegen, inwieweit sich diese auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Das OLG hat daher auch keine Notwendigkeit einer Beweisaufnahme durch ein medizinisches Sachverständigengutachten gesehen. Auch begründet die Arbeit in Teilzeit auch während der Ehezeit nach Beendigung der Betreuungsnotwendigkeiten für die Kinder im Einvernehmen mit dem Ehemann keinen Vertrauensschutz, der über den Ablauf des Trennungsjahres hinausgeht. Nachdem ehebedingte Nachteile der Ehefrau nicht festzustellen waren, war der Unterhaltsanspruch auch nicht zu befristen. Die Ehefrau war unverändert in ihrem erlernten Beruf tätig, sogar beim selben Arbeitgeber. Die Ehefrau konnte nicht darlegen, dass sie ohne die Kindererziehung eine konkret höherqualifizierte Tätigkeit hätte aufnehmen können. Der Sachvortrag der Ehefrau hat sich erschöpft in rein hypothetischen Erwägungen. Das OLG hat eine Befristung auf 5 Jahre vorgenommen, auch wenn die Ehe mehr als 25 Jahre Bestand hatte (hier: ca. 1/5 der Ehezeit). Begründet hat das OLG dies damit, dass die Ehefrau bereits wieder seit vielen Jahren arbeitet und aufgrund ihres Alters von 49 Jahren bei der Trennung ihr es auch möglich gewesen ist, sich hierauf noch einzustellen.
Dieses Urteil betrifft zwei Fragen, welche in der unterhaltsrechtlichen Praxis sich häufig stellen:
- Krankheitsbedingte Einschränkungen: In Übereinstimmung mit dem BGH reicht die Vorlage ärztlicher Atteste nicht aus, insbesondere wenn diese nur das Krankheitsbild wiedergeben und nichts dazu aussagen, inwieweit eine Erwerbseinschränkung im konkreten Beruf damit einhergeht. Bevor ein Gericht in eine Beweisaufnahme eintreten muss, ist ein ausreichender vollumfänglicher substantiierter Sachvortrag zur Erwerbseinschränkung erforderlich (BGH, NJW 2013, Seite 2897; OLG Köln, FamRZ 2023, Seite 48).
- Befristung: In Übereinstimmung mit dem BGH hindert eine langjährige Ehe nicht die Befristung des Unterhaltsanspruchs. Auch die wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten ist von Bedeutung, nachdem hier die Ehefrau schon vor 20 Jahren wieder das Arbeiten begonnen hatte, war diese Verflechtung eher von untergeordneter Bedeutung. Auch das OLG war in dem Dilemma, auf welchen Zeitraum der Unterhaltsanspruch zu befristen ist. Im Gesetz steht es nicht, noch, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu etwas Verbindliches sagt. Der BGH sagt nur, dass sich eine schematische Bindung zwischen Ehedauer und Befristung verbietet (BGH, NJW 2008, Seite 2644). Auch hier wird die Rechtspraxis auf die „Abwägung im Einzelfall“ verwiesen, was gerade den Rechtsanwälten bei der Beratung Schwierigkeiten bereitet. Es gibt zwar den unausgesprochenen „Grundsatz“ von 1/3 der Ehezeit, ob dann der Unterhaltszeitraum gerechnet wird mit der Dauer des Getrenntlebendunterhalts oder ohne, wird auch unterschiedlich gehandhabt. Wie das obige Urteil zeigt, spielt auch die wirtschaftliche Verflechtung eine Rolle, wonach eine geringfügige wirtschaftliche Verflechtung auch zu einer Verkürzung des Befristungszeitraums führt. Auch wird das Alter der Beteiligten eine Rolle spielen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten. Hieran erkennt man, dass es nahezu unmöglich ist, die Dauer der Befristung eines Unterhalts „vorauszusehen“ (zwei Richter – drei Meinungen …). Mit den soeben genannten Kriterien sollte jedoch ein Zeitrahmen ermittelt werden können.