Unterhaltsrecht - OLG - 25.03.2022

  1. Der Antragsteller eines Abänderungsverfahrens auf der Grundlage eines bestehenden gerichtlichen Vergleichs muss die Vergleichsgrundlage des bestehenden Vergleichs und die neuen Verhältnisse, aus denen er eine Abänderung des Vergleichs herleitet, vollständig vortragen.
  2. Alle für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände müssen dargelegt werden.

Beschluss:
Gericht: OLG Koblenz
Datum: 25.03.2022
Aktenzeichen: 7 UF 622/21
Leitparagraph: § 239 FamFG
Quelle: NZFam 2023, Seite 514

Kommentierung:

In einem Vergleich aus dem Jahr 2016 war festgehalten, dass der Kindsvater an die Kindsmutter – die Eltern waren nicht verheiratet – einen Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB zu bezahlen hat. Das Kind ist an Mukoviszidose erkrankt und leidet an einer Sprachentwicklungsverzögerung und besucht derzeit regelmäßig vormittags die zweite Grundschulklasse. Aufgrund weiterer Erkrankungen wurde der Pflegegrad 2 festgestellt.

Der Kindsvater begehrt den Wegfall des Betreuungsunterhaltsanspruchs der Mutter mit dem Argument, das Kind habe jetzt das 8. Lebensjahr vollendet, es geht zur Schule, ein besonderer Betreuungsbedarf sei nicht mehr ersichtlich, sodass die Mutter arbeiten könne und daher der Unterhaltsanspruch entfallen würde. Die Mutter wendet ein, sie könne allenfalls geringfügig beschäftigt arbeiten, im Übrigen besteht weiterhin ein erheblicher zusätzlicher Betreuungsaufwand für das Kind.

Das Familiengericht folgt der Mutter, der Kindsvater ist der Betreuungsnotwendig nicht ausreichend entgegengetreten, hat dies nicht substantiiert widerlegt. Auf Seiten der Mutter komme daher nur eine geringfügige Beschäftigung in Betracht, mit der Folge, dass der Betreuungsunterhaltsanspruch auch unter Berücksichtigung eines solchen Verdienstes noch Bestand hat.

Das OLG Koblenz hat auch darauf hingewiesen, dass ein Abänderungsantrag nach § 239 FamFG nur dann zulässig ist, wenn nach den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage i. S des § 313 BGB eine Abänderung des Unterhaltsvergleichs denkbar ist. Ein Antragsteller muss die vorherige Vergleichsgrundlage und die neuen Verhältnisse, aus denen eine Abänderung des Vergleichs abgeleitet wird, vollständig vortragen. Dazu sind Tatsachen darzulegen, die das Festhalten am unveränderten Vergleich unzumutbar machen. Dazu muss eine schwerwiegende Veränderung der Vergleichsgrundlage vorliegen. Der Vortrag nur einzelner Umstände, die sich geändert haben, reicht nicht aus. Gerade aufgrund der Krankheit des Kindes reicht der Anknüpfungspunkt des Alters des Kindes nicht aus. Anders könne es bei einem gesunden Kind sein. Das OLG vermisst auch den Vortrag zu den damaligen Vergleichsgrundlagen des abzuändernden Vergleichs.

Praxistipp:

Die Thematik der Zulässigkeit eines Abänderungsantrags wirft immer wieder Probleme auf. Können bei gerichtlichen Entscheidungen (Beschlüssen) die Grundlagen der Unterhaltsbemessung in der Regel den Entscheidungsgründen entnommen werden, so versagt die vielfach bei Unterhaltsvergleichen, wenn die Grundlagen nicht oder nicht ausreichend dokumentiert sind. Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass bei Unterhaltsvergleichen dringend anzuraten ist, sowohl inhaltliche Grundlagen in den Vergleich mitaufzunehmen, aber insbesondere die zugrundeliegenden Einkommensverhältnisse, unterhaltsrechtliche Abzugsbeträge etc. schriftlich zu fixieren. Nur dann ist es möglich, die Abänderungsgründe im Vergleich zum Altvergleich darzustellen. Weiterhin ist dem Abänderungskläger dringlich anzuraten, auf Einwände des Antragsgegner/in substantiiert zu erwidern.