Unterhaltsrecht - OLG Brandenburg - 09.01.2018

 

1. Ist der Antragsgegner nur eingeschränkt leistungsfähig und ihn gegenüber eines Minderjährigen gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft, er also alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und das Kind zu verwenden hat, muss er seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen.

2. Berufsbedingte Aufwendungen sind vom Einkommen abziehbare Werbungskosten, weil sie zur Einkommenserzielung notwendig sind. Unterhaltsrechtlich sind solche Aufwendungen – abgesehen von einem pauschalen Ansatz in Höhe von 5 % des Nettoeinkommens, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen und nicht, wie hier, ein Mangelfall vorliegt – im Einzelnen darzulegen und konkret aufzuschlüsseln und nachzuweisen.

3. Auch wenn die berufsbedingten Fahrtkosten zu dem erzielten Nettoeinkommen außer Verhältnis stehen, ist der Unterhaltsschuldner insbesondere bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zunächst auf die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu verweisen. Wenn die Fahrtkosten einen hohen, unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, durch den angemessene Unterhaltsleistungen ausgeschlossen werden, kann von dem Unterhaltspflichtigen ein Wechsel des Wohnortes erwartet werden.

4. Die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde Leistungsfähigkeit liegt beim Unterhaltspflichtigen. Dies gilt auch, wenn er sich auf berufsbedingte Aufwendungen beruft, die seine Leistungsfähigkeit einschränken sollen.

5. Soweit die Fahrtkosten konkret unter Zugrundelegung einer durchgängige Nutzung des privaten Pkw errechnet worden wären, käme eine volle Berücksichtigung der Pkw-Kreditrate daneben schon deshalb nicht in Betracht, weil in der in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien vorgesehenen Kilometerpauschale regelmäßig sämtliche Pkw-Kosten einschließlich derjenigen für Abnutzung und Finanzierungsaufwand enthalten sind.

6. Beruft sich der auf Kindesunterhalt in Anspruch genommene Unterhaltsverpflichtete auf die Tilgung von Kreditverbindlichkeiten, bedarf es, insbesondere wenn nicht einmal der Mindestunterhalt für das minderjährige Kind sichergestellt ist, einer umfassenden Interessenabwägung. Dabei sind vor allem der Zweck der eingegangenen Verpflichtungen, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Schuldners vom Bestehen der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise wieder herzustellen, von Bedeutung.

7. In welchem zeitlichen Umfang eine Erwerbsobliegenheit besteht ergibt sich daraus, dass von einem Unterhaltsschuldner bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit jedenfalls erwartet werden kann, 40 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Das Höchstmaß der zu verlangenden Arbeitszeit liegt im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz bei 48 Stunden wöchentlich. Maßgeblich ist eine auf den Einzelfall bezogene Betrachtung.

Beschluss:
Gericht: OLG Brandenburg
Datum: 09.01.2018
Aktenzeichen: 10 UF 104/16
Leitparagraph: §§ 1603, 1609 BGB
Quelle: NZFam 2018, Seite 224

Kommentierung:

Diese Entscheidung des OLG Brandenburg nimmt umfangreich zu der Frage Stellung, unter welchen Voraussetzungen es beim Unterhalt für ein minderjähriges Kind zulässig ist, unter dem gesetzlichen Mindestunterhalt zu bleiben. Aus den Leitsätzen ist zu entnehmen, dass das OLG restriktiv den Unterhaltsverpflichteten auf öffentliche Verkehrsmittel verweist und Kosten eines PKW nicht akzeptiert werden. Desweiteren gibt das OLG dem Unterhaltsverpflichteten eine erhöhte Erwerbsobliegenheit, die bis zu 48 Stunden in der Woche gehen kann. Die Mindestvorgabe liegt bei 40 Stunden/Woche. Dies ergibt sich aus der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber einem minderjährigen Kind.