Unterhaltsverwirkung - OLG Oldenburg - 16.11.2016

 

Der Anspruch eines bedürftigen Ehepartners auf Trennungsunterhalt kann auch vor Ablauf von 2 Jahren entfallen, wenn sich der Bedürftige dauerhaft einem neuen Partner zuwendet.

Beschluss:
Gericht: OLG Oldenburg
Datum: 16.1.2016
Aktenzeichen: 4 UF 78/16
Leitparagraph: BGB § 1579 Nr. 2
Quelle: NZFam 2017, Seite 74

Kommentierung:

Im vorliegenden Fall war die Ehefrau in den Haushalt ihres neuen Partners eingezogen, mit dem sie bereits seit 1 Jahr liiert war. Die beiden waren zuvor auch nach außen als Paar aufgetreten, hatten gemeinsame Urlaube verbracht und gemeinsam an Familienfeiern teilgenommen. Der Sohn nannte den neuen Partner „Papa“. In einer solche Konstellation ist davon auszugehen, dass der bedürftige Ehepartner sich endgültig aus der ehelichen Solidarität gelöst hat und damit zu erkennen gegeben hat, dass er diese nicht mehr benötigt, sodass der Unterhalt in diesem Fall sogar schon nach knapp 1,25 Jahren des Bestandes der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als verwirkt anzunehmen ist.

§ 1579 BGB

Das Gesetz kennt eine Vielzahl von Unterhaltstatbeständen. In § 1579 BGB ist normiert, wann ein Unterhalt wegen grober Unbilligkeit beschränkt oder versagt werden kann. Ein häufig in Gerichtsverfahren vorgebrachter Verwirkungsgrund ist die dauerhafte, verfestigte nichteheliche Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten.

Eine gesetzliche Regelung, ab wann die Lebensgemeinschaft als verfestigt anzusehen ist, fehlt. Die 2-3-jährige Dauer für die Verfestigung wird lediglich als Indiz gewertet. Es stellt sich auch die Frage, ab wann die Lebensgemeinschaft beginnt, d.h. ob ein räumliches Zusammenleben notwendig ist, oder dies auch bei getrennten Wohnungen in Betracht kommt. Immer mehr kristallisiert sich in der neueren Rechtsprechung heraus, dass nicht vornehmlich auf die Dauer abzustellen ist, sondern auf die Beurteilung, ob sich der Unterhaltsberechtigte endgültig aus der ehelichen Solidarität herausgelöst hat. Ohne räumliches Zusammenleben hat z. B. das OLG Zweibrücken eine verfestigte Lebensgemeinschaft erst nach 5 Jahren angenommen, wenn für diese 5 Jahre nachgewiesen ist, dass die Lebenspartner nach außen hin als Paar aufgetreten sind (gemeinsame Freizeitgestaltung durch Urlaube, gemeinsame Familienfeste, gemeinsame Freizeitveranstaltungen etc.) – OLG Zweibrücken, FamRZ 2010 Seite 1677, ebenso OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, Seite 225. Ein starkes Indiz für eine Verfestigung ist eine Planung einer gemeinsamen Zukunft, die sich bereits z. B. durch gemeinsame Investitionen oder insbesondere gemeinsamen Hausbau manifestiert hat. Besonders „dumm“ war die Anzeige eines Verlöbnisses in einer Zeitung, dies hat natürlich zur Verwirkung geführt. Ebenso „dumm“ ist die dauerhafte gemeinsame Präsenz in den sozialen Medien oder eben alles, was auf eine Verfestigung schließen lässt.

Letztendlich kommt es immer auf den Einzelfall an und auch auf die wirtschaftliche Verflechtung der Partner. So ist keine Entscheidung bekannt, wie zu verfahren ist, wenn Partner bewusst ihre Beziehung auf Distanz gehalten haben aber dann irgendwann doch zusammengezogen sind. Hier wird man wohl vielleicht noch von einer „Übergangsfrist“ von einem Jahr ausgehen können, andere Entscheidungen könnten rigoroser sein und mit dem Zusammenzug die Verwirkung annehmen. Halten nämlich die Partner ihre Lebensbereiche getrennt und ihre Beziehung bewusst auf Distanz, ist diese in eigener Verantwortung getroffene Entscheidung über die Lebensgestaltung grundsätzlich auch unterhaltsrechtlich zu respektieren (BGH, FamRZ 2002, Seite 23~ BGH, FamRZ 2011, Seite 1498), mit der Folge, dass keine Verwirkung eintritt.

Wie gesagt, die Feststellung oder Entscheidung, ob eine verfestigte nichteheliche Lebensgemeinschaft vorliegt (- die gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist) wird immer am Einzelfall zu entscheiden sein und von Richtern auch unterschiedlich bewertet. Man befindet sich bei dieser Frage immer „auf dünnem Eis“. Problematisch ist jedoch zumeist der Beweis/Nachweis des Unterhaltspflichtigen, dass sich die unterhaltsberechtigte Person in einer verfestigten Lebensgemeinschaft befindet, wenn nicht die üblichen Indizien, wie räumliches Zusammenleben, Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit etc., klar auf der Hand liegen. In diesem Bereich wird auch in Zukunft über die Frage der Verwirkung immer wieder heftig gestritten werden. Überraschende Gerichtsentscheidungen sind auch jederzeit möglich.

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