Vermögensrecht - BGH - 19.04.2023

Bei einer notariellen Beurkundung von güterrechtlichen Vereinbarungen (Gütertrennung) ist grundsätzlich das gesamte Vermögen beider Eheleute als Geschäftswert zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn durch eine vorangegangene notarielle Vereinbarung aus dem Zugewinnausgleich ausgeschiedenes Vermögen im Rahmen der neuerlichen notariellen Vereinbarung von Gütertrennung mitbehandelt wird.

 

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 19.04.2023
Aktenzeichen: XII ZB 234/22
Leitparagraph: § 100 GNotKG
Quelle: www.bundesgerichtshof.de

Kommentierung:

Die Eheleute hatten im Oktober 2011 bereits eine notarielle Vereinbarung geschlossen, durch die sie unter anderem ihr jeweiliges Betriebsvermögen entzogen haben (neben einem wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht). Im Mai 2020 wurde eine weitere güterrechtliche Vereinbarung notariell beurkundet, wonach der Vertrag aus dem Jahr 2011 aufgehoben wurde, der Güterstand der Gütertrennung vereinbart wurde, sowie wechselseitig auf Zugewinnausgleichsansprüche auch bis zur notariellen Beurkundung verzichtet wurde. Das Notariat hat auf der Grundlage von § 100 Abs. 1 GNotKG das gesamte Vermögen der Eheleute (jeweiliges Betriebs- und Privatvermögen) für die Gebührenberechnung herangezogen und 57.200 € in Rechnung gestellt.

Der Ehemann hat Klage beim Landgericht eingereicht mit dem Begehren, den Geschäftswert geringer anzusetzen, mit dem Argument, das Betriebsvermögen sei schon mit Vorurkunde aus der Vermögensauseinandersetzung herausgenommen gewesen und wäre jetzt bei der Gütertrennungsvereinbarung nicht mehr zu berücksichtigen. Mit diesem Anliegen scheiterte er sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht. Die Gerichte entschieden, dass der jetzt beurkundete Ehevertrag trotz der bereits im Jahr 2011 vereinbarten Herausnahme des Betriebsvermögens beider Eheleute aus dem Zugewinnausgleich das Vermögen der Eheleute als Ganzes betrifft. Die Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes (Zugewinn) mit der Vereinbarung von Gütertrennung ziehe vielfältige familien-, erb- und steuerrechtliche Folgen für das gesamte Vermögen der Eheleute nach sich und vermeidet zudem Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Betriebs- und Privatvermögen.

Die Rechtsbeschwerde zum BGH hatte keinen Erfolg.

Der BGH begründet das Ergebnis des OLG ergänzend damit, dass mit der neuen notariellen Vereinbarung eine komplette neue Gesamtregelung beurkundet wurde und gerade nicht nur die zusätzliche Herausnahme des Privatvermögens der Eheleute aus dem Zugewinnausgleich geregelt wurde. Dies folgt bereits aus der Komplettaufhebung der notariellen Vereinbarung aus dem Jahr 2011.

Anmerkung:
Diese Entscheidung des BGH gibt Anlass, darüber nachzudenken, ob hier nicht ein Beratungsfehler dahingehend vorlag, dass eine komplette Gütertrennung vereinbart wurde und eben nicht nur eine Ergänzung und Weiterführung der alten notariellen Regelung. Aus Rechtssicherheitsgründen sind klare Regelungen zu bevorzugen, sodass eine Komplettregelung zur Gütertrennung schon sinnvoll gewesen sein könnte (Einzelfall). Vielleicht wollten die Eheleute ja auch die weitergehenden familien-, erb- und steuerrechtlichen Konsequenzen, die der Gütertrennung folgen.

Auch bei einer Trennungsauseinandersetzung muss bei einvernehmlichen außergerichtlichen Regelungen beachtet werden, dass Regelungen zum Güterrecht oder Regelungen zum gesetzlichen Unterhalt grundsätzlich nur notariell während der Trennungszeit möglich sind. Die Alternative wäre eine gerichtliche Protokollierung, z. B. im Scheidungsverfahren. Da stellt sich auch die Frage, welcher Weg z. B. der günstigere ist. Die gerichtliche Protokollierung im Scheidungsverfahren ist zumeist nur im Scheidungstermin möglich, was den Beteiligten häufig „zu spät“ ist, zudem sollte man eine notarielle Vereinbarung schließen, solange dafür auch Bereitschaft beider Eheleute vorhanden ist („man sollte das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist“). Zu bedenken ist auch, dass wenn ein Scheidungsantrag eingereicht ist insbesondere hinsichtlich der Vermögensauseinandersetzung/Zugewinn, bereits faktisch mit der Zustellung des Scheidungsantrags die vermögensrechtliche Gütertrennung eingetreten ist. Eine notarielle Formulierung einer Gütertrennung ist daher unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr notwendig und würde bei entsprechender notariellen Beurkundung entsprechend des obigen Urteils erheblich höhere Notarkosten verursachen. In diesen Fällen reicht die Regelung zur Vermögensauseinandersetzung/Zugewinn und der Geschäftswert einer notariellen Trennungs-/Scheidungsfolgenvereinbarung bemisst sich allenfalls aus der Hälfte des gesamten Familienvermögens.

Bei außergerichtlichen/notariellen Vereinbarungen ist immer zu bedenken, dass eine Zugewinnregelung (familienrechtlich) und eine anderweitige Vermögensauseinandersetzung (z. B. Übertragung von Miteigentum an Immobilien) grundsätzlich unterschiedliche Angelegenheiten sind und auch im Rahmen der Rechtsanwaltsgebühren gesondert abgerechnet werden. Mag man in der Gesamtauseinandersetzung häufig Zugewinnausgleichsbeträge verrechnen mit Miteigentumswerten bei entsprechender Übertragung zu Alleineigentum eines Ehegatten, so ändert dies nichts daran, dass es sich um zwei Gebührentatbestände handelt.

Wenn eine Scheidung schon kurz bevorsteht, sollte man sich trotzdem überlegen, ob man die Vermögensauseinandersetzung zu Gerichtsprotokoll wirksam vereinbart, oder ob noch ein Notarvertrag notwendig ist. Zumeist ist in diesen Fällen die Gerichtsprotokollierung der günstigere Weg, da der eigene Rechtsanwalt natürlich auch seine Gebühren verdient, wenn ein Notarvertrag geschlossen wird, da er zumeist auch am Notarvertrag „mitgewirkt“ hat. Bei einer Immobilienübertragung ist eine notarielle Regelung unvermeidlich, da die Gerichte im Regelfall eine gerichtliche Protokollierung ablehnen, da Immobilienübertragungen ureigenste Aufgabe der Notare ist. Schuldrechtliche Verpflichtungen, wonach der eine dem anderen sein Miteigentum einer Immobilie überträgt, mit verpflichtender nachfolgender Beurkundung durch einen Notar ist jedoch zu Gerichtsprotokoll möglich, es sollte aber mitgeregelt sein, was passiert, wenn sich dann doch einer weigert, die notarielle Übertragung durchzuführen.

Immer wieder ist zu betonen, dass notarielle Auseinandersetzungsverträge oder gerichtlich protokollierte Gesamtauseinandersetzungen häufig im ersten Moment kostenintensiv sind, sie vermeiden jedoch langjährige Streitigkeiten und auch die Gefahr, im gerichtlichen Prozess über mehrere Instanzen deutlich mehr Kosten zu produzieren.