Versorgungsausgleich - OLG - 16.12.2022

  1. Voraussetzung für den Einstieg in ein Abänderungsverfahren nach § 51 Abs. 1 VersAusglG nach dem Versterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten ist, dass sich der überlebende, insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte auf eine wesentliche und ihn begünstigende Wertänderung eines in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechts beruft.
  2. Die Prüfung, ob sich die Abänderung zugunsten des überlebenden Ehegatten auswirkt, ist anhand einer Gesamtbetrachtung des Ausgleichsergebnisses vorzunehmen, das sich hypothetisch im Falle einer Totalrevision unter Lebenden ergeben hätte (vgl. BGH, Beschluss v. 4.5.2022 - XII ZB 122/21 -, FamRZ 2022, 1177).
  3. Da der Vergleichsmaßstab die Lage unter zwei lebenden Ehegatten ist, muss auch bewertet werden, dass der Antragsteller einem schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch seiner ehemaligen Ehefrau ausgesetzt war, den diese jederzeit hätte geltend machen können. Der in der Ausgangsentscheidung vorbehaltene teilweise schuldrechtliche Ausgleich ist als Saldoposten in der Vergleichsbetrachtung zu berücksichtigen.

Beschluss:
Gericht: OLG Nürnberg
Datum: 16.12.2022
Aktenzeichen: Az. 7 UF 865/22
Leitparagraph: §§ 31, 51 VersAusglG
Quelle: FamRZ 2023, Seite 774

Kommentierung:

Wenn eine Scheidung mit Versorgungsausgleich bis zum 31.08.2009 durchgeführt wurde, kann nach § 51 Abs. 1 VersAusglG bei Vorliegen einer wesentlichen Wertänderung bei Neuberechnung eine Abänderungsmöglichkeit bestehen. Dies bestimmt sich nach entsprechenden Wesentlichkeitsgrenzen gemäß § 225 Abs. 3 FamFG bzw. nach sogenannten Bezugsgrößen nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Dabei genügt es, wenn nur ein Rentenanrecht diese Voraussetzungen erfüllt (BGH, FamRZ 2022, Seite 1177).

Die Frage der Abänderungsmöglichkeit ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte vor dem ausgleichspflichtigen Ehegatten verstirbt und durch diese Abänderungsmöglichkeit letztendlich durch Totalrevision es aufgrund des Vorversterbens des bislang ausgleichsberechtigen Ehegatten ein Versorgungsausgleich gar nicht mehr durchgeführt wird und dem bislang ausgleichspflichtigen Ehegatten seine gesamt Rente ab dem Tag des Monats der auf den Monat der Antragstellung folgt, verbleibt. Diese Grundsatzentscheidung hat der BGH bereits im Jahr 2013 getroffen (BGH, FamRZ 2013, Seite 1287) und fortgesetzt mit Entscheidung BGH (FamRZ 2018, Heft 16). Diese Rechtsprechung ist auch kommentiert von RA Heinzel im ISUV-Report Nr. 157, September 2018/3. Zwischenzeitlich liegt die weitergehende gefestigte Rechtsprechung des BGH vor (NZFam 2022, Seite 685), wonach die Abänderung von Altentscheidungen vor dem 01.09.2009 nach § 51 VersAusglG nur eröffnet ist, wenn sich auch ohne den Tod des früheren Ehepartners eine Abänderung für den Ausgleichspflichtigen günstig ausgewirkt hätte.

Es würde den Rahmen der Urteilsdarstellung sprengen, würden an dieser Stelle alle Berechnungsfeinheiten dargestellt werden. Das Urteil weist darauf hin, dass eben auch gegenläufige Versorgungsausgleichansprüche, auch schuldrechtliche Versorgungsausgleichsansprüche, die nicht vom ausgleichsberechtigten Ehegatten geltend gemacht wurden, in die Gesamtbeurteilung miteinzufließen haben, um zu ermitteln, ob die Abänderung sich für denjenigen, der die Abänderung begehrt, auch günstig und positiv auswirkt. Denn bei denjenigem, bei dem sich die Abänderungsmöglichkeit sogar negativ auswirken würde, soll nicht die Möglichkeit eröffnet werden, von dem Wegfall des Versorgungsausgleichs zu profitieren (so schon BGH, NZFam 2022, Seite 685). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine solche Totalrevision des Versorgungsausgleichs zum einen nur möglich ist, wenn die im Gesetz normierten Wertveränderungen tatsächlich eingetreten sind und eine Neuberechnung des Versorgungsausgleichs für den grundsätzlich versorgungsausgleichspflichtigen vormaligen Ehegatten (die Ehe ist ja schon lange geschieden – vor dem 01.09.2009 – und der andere Ehegatte ist verstorben) auch ohne den Tod des früheren Ehegatten zu einem für ihn positiven/besseren Ergebnis führt. Die Abänderung von Versorgungsausgleichsentscheidungen setzt daher voraus, dass man zunächst prüfen sollte, ob sich überhaupt Wertänderungen ergeben haben, die zu einem hypothetischen „besseren“ Ergebnis bei der Berechnung des Versorgungsausgleichs führen würde.