Wechselmodell - BGH - 19.01.2022


Im Fall der Betreuung eines Kindes im paritätischen Wechselmodell sind vom Einkommen eines um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Elternteils ein hälftiger Unterhaltsfreibetrag i.S.v. § 76 FamFG i.V.m. § 115 ZPO und der tatsächlich für das Kind gezahlte Barunterhalt abzusetzen.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 19.01.2022
Aktenzeichen: XII ZB 276/21
Leitparagraph: § 115 ZPO, § 76 FamFG
Quelle: www.bundesgerichtshof.de

Kommentierung:

Das paritätische Wechselmodell ist in vielen Bereichen „noch nicht angekommen“. So wird das Kindergeld nur an ein Elternteil ausbezahlt, im Sozialhilferecht ist es unklar, wie und wo ein Kind im Wechselmodell Berücksichtigung findet. Unterhaltsvorschuss wird nicht gewährt, weil keine „Alleinerziehung“. Auch melderechtlich besteht Unklarheit, wo das Kind seinen „Wohnsitz“ begründet.

Hier hat der BGH im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe entschieden, dass der sogenannte Unterhaltsfreibetrag, der im Rahmen der Berechnung der Verfahrenskostenhilfe gesetzlich festgeschrieben ist, im Wechselmodel hälftig anzusetzen ist. Dass der tatsächlich bezahlte Barunterhalt abzuziehen ist, erscheint ohnehin klar.

Das OLG hatte noch den „vollen“ Unterhaltsfreibetrag berücksichtigt und kam daher zu einer sehr geringen Verfahrenskostenhilferate. Das OLG hatte seine Entscheidung damit begründet, dass bei intakter Ehe der Kinderfreibetrag auch von beiden Elternteilen in voller Höhe in Anspruch genommen werden kann. Die Staatskasse hat hiergegen Beschwerde eingelegt.

Der BGH entscheidet, dass nur der hälftige Kinderfreibetrag beim Wechselmodell im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe in Abzug gebracht werden darf. Wegen der Kostenentlastung von Eltern während des Zeitraums, in welchem das Kind beim anderen Elternteil ist, geht der BGH davon aus, dass nur der hälftig Betrag Berücksichtigung finden darf. Für jeden Elternteil, welcher Verfahrenskostenhilfe begehrt, ist zu prüfen, ob dieser Elternteil bedürftig ist. Der BGH macht weitere tiefgreifende rechtliche Ausführungen, die jedoch für die hiesige Darstellung nicht von Belang sind, entscheidend für die Praxis ist es, dass im Fall des Wechselmodells der verfahrenskostenhilferechtliche Freibetrag nur hälftig bei jedem Elternteil – soweit bedürftig – zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus ist der tatsächlich volle Barunterhalt in Abzug zu bringen. Diese hälftige Teilung des Kinderfreibetrags ist auch geboten, wenn durch das Leben des Kindes in zwei Haushalten Mehrkosten vorhanden sind, denn zu einer Verdoppelung der Kosten kommt es in keinem Fall.