Wechselmodell - OLG - 21.11.2023
- Dem Elternteil, der die Barunterhaltsinteressen des in einem paritätischen Wechselmodell betreuten Kindes verfolgt, steht ein Wahlrecht zu, ob er beim Familiengericht eine Entscheidung nach § 1628 BGB beantragt (Alleinentscheidungsbefugnis) oder ob er beim Familiengericht auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1809 BGB hinwirkt.
- Das Wahlrecht zwischen diesen Alternativen steht nicht dem Familiengericht zu, das vielmehr zunächst über einen Antrag nach § 1628 BGB entscheiden muss.
Beschluss:
Gericht: OLG Schleswig
Datum: 21.11.2023
Aktenzeichen: Az. 8 UF 161/23
Leitparagraph: §§ 1628, 1809 BGB
Quelle: FamRZ 2024, Seite 114
Kommentierung:
Die Rechtsgelehrten sind sich uneins darüber, wie im paritätischen Wechselmodell Barunterhalt einzufordern ist. Dass auch im paritätischen Wechselmodell eine Barunterhaltsverpflichtung des besserverdienenden Elternteils bestehen kann, ist unstreitig, der BGH hat auch die entsprechende Berechnungsmethode vorgegeben.
Im sogenannten Residenzmodell bestimmt sich die Vertretungsbefugnis eines Elternteils für ein Kind nach § 1629 BGB, der Obhut des Kindes. Im Wechselmodell gibt es eine solche Obhut des Kindes bei einem Elternteil nicht. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist sehr uneinheitlich.
Das OLG Schleswig wendet sich in der hiesigen Entscheidung gegen die Entscheidung des OLG Stuttgart, FamRZ 2023, Seite 1304, wonach bei fehlender Vertretungsmacht im Wechselmodell stets eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen wäre. Das OLG Hamburg, FamRZ 2024, Seite 110, hat entschieden, dass jeder Elternteil zur Vertretung des Kindes in Kindesunterhaltsverfahren befugt ist, ohne Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis und ohne Ergänzungspflegschaft.
In diesen Fallkonstellationen stellt sich zunächst die Frage, ob ein gemeinsames Sorgerecht besteht, denn nur dann wäre grundsätzlich eine Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis gemäß § 1628 BGB möglich. Bei alleinigem Sorgerecht eines Elternteils und der Betreuung eines Kindes im Wechselmodell wäre wohl § 1628 BGB nicht anzuwenden.
Im „Normalfall“ besteht wohl ein Wahlrecht zwischen der Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis oder der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft (beim paritätischen Wechselmodell und gemeinsamer elterlicher Sorge). Ob die Auffassung des OLG Hamburg auch höchstrichterlich auch Anerkennung findet, bleibt abzuwarten.
Nach dem Eckpunktepapier des BMJ zur angekündigten Unterhaltsreform soll die Problematik des Vertretungsrechts im symmetrischen Wechselmodell dadurch gelöst werden, dass beiden Elternteilen gleichermaßen ein Vertretungsrecht eröffnet wird. Ob dieses Eckpunktepapier in einen Referentenentwurf übergeleitet wird und im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz wird, bleibt ebenso abzuwarten (Schwonberg, Vertretungsrecht bei symmetrischer Betreuung, FamRZ 2024, Seite 85 ff.).