Wechselmodell – OLG Brandenburg – 31.05.2019

 

1. Das Betreuungsmodell darf weder zur Regel noch zur gleichgewichtigen Variante hoheitlicher Anordnungen werden.

2. Die Anordnung des Wechselmodells setzt eine positive Feststellung über das Vorliegen der vom Bundesgerichtshof formulierten Anforderungen voraus.

3. Die Hürde zur Anordnung des Wechselmodells ist beträchtlich höher als diejenige für eine andere Umgangsregelung. Wird Umgang bei überwiegender Betreuung des Kindes in einem Elternhaushalt gewährt, so ist das darauf gerichtete Grundbedürfnis und Recht des Kindes bereits erfüllt. Die Anordnung des Wechselmodells hängt von darüber hinausgehenden Anforderungen ab.

4. Die Prognose, das Verhalten der Eltern oder eines Elternteils könnte sich bessern, nachdem das Wechselmodell angeordnet worden ist, ist zu unsicher. Die Anordnung des Wechselmodells ist grundsätzlich ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen.

Beschluss:
Gericht: OLG Brandenburg
Datum: 31.05.2019
Aktenzeichen: 13 UF 170/18
Leitparagraph: §§ 1671, 1684 II, 1684 III, 1696 I 1 BGB
Quelle: NZFam 2019, Seite 546

Kommentierung:

Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist eine von vielen zur Gesamtthematik des Wechselmodells. Entsprechend des BGH (BGH, NJW 2017, Seite 1815) ist die Anordnung eines Wechselmodells im Rahmen einer Umgangsreglung möglich. Zur Wahrung des Kindeswohls ist jedoch eine Kommunikationsfähigkeit der Eltern zur Bewältigung des Kooperationsbedarfs notwendig und muss letztendlich positiv festgestellt werden. Ein Wechselmodel darf auch nicht angeordnet werden um „auszuprobieren“, ob das Wechselmodell geeigneter ist oder nicht. Da Fragestellungen von Verschulden in Bezug auf die Kommunikationsbereitschaft der Eltern dem Umgangsrecht wesensfremd sind, muss die Praxis es hinnehmen, dass allein das objektive Vorliegen einer fehlenden Kommunikations- und/oder Kooperationsfähigkeit ausreicht, um einem Wechselmodell entgegenzustehen.

Auch das OLG Bamberg (NZFam 2019, Seite 574, Beschluss vom 01.03.2019, Az. 7 UF 226/18) führt in seiner Entscheidung aus, dass ein Wechselmodell im Rahmen der Umgangsrechts regelbar ist, jedoch die gleichen Kriterien wie für die Übertragung eines gemeinsamen Sorgerechts maßgeblich sind – nämlich Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Das OLG Bamberg weist ausdrücklich darauf hin, dass das Gesetz keine bestimmte Betreuungsform kennt, der Einzelfall ist maßgeblich (BGH, FamRZ 2017, Seite 532, OLG Frankfurt, FamRZ 2019, Seite 206). Die Erziehungseignung der Eltern, die Beziehung der Kinder zu den Eltern, die Bindungstoleranz, das Förderprinzip, der Grundsatz der Kontinuität sowie der Wille der Kinder sind maßgeblich. Ein Wechselmodell stellt an Eltern und Kinder höhere Anforderungen, sodass bei hoher elterlicher Konfliktbelastung ein Wechselmodell üblicherweise nicht in Betracht kommt.

Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 15.04.2019, Az. 13 UF 89/16, NZFam 2019, Seite 496) grenzt das paritätische Wechselmodell vom erweiterten Umgang ab und führt zu Kosten des Umgangs aus. Hier ist darauf hinzuweisen, dass es beim Wechselmodell die vom BGH entwickelte Unterhaltsberechnung unter Berücksichtigung der wechselmodellbedingten Mehrkosten gibt und daher „Umgangskosten“ ansich keine Rolle spielen.

Das Wechselmodell ist auch Gegenstand sozialgerichtlicher Entscheidungen, wenn es um die Frage geht, ob ein oder beide Elternteile im Wechselmodell entsprechende Aufwendungen für Unterkunft, Heizung etc. komplett erhalten oder nur anteilig. Hier kommt es dann auch darauf an, ob nur ein Elternteil im Sinne der sozialrechtlichen Rechtsprechung „alleinerziehend“ ist oder beide Elternteile (Anspruch auf anteiligen Mehrbedarf bei Alleinerziehung). Grundsatz: Hält sich ein Kind getrennt wohnender Elternteile überwiegend bei einem Elternteil auf, begründen umgangsbedingte höhere Wohnkosten keinen zusätzlichen Bedarf des Kindes (BSG vom 17.02.2016, Az. B 4 AS 2/15 R). Wenn sich jedoch eine Hauptverantwortung nur eines Elternteils für ein Kind nicht feststellen lässt, hat das Kind einen grundsicherungsrechtlich anzuerkennenden Wohnbedarf in den Wohnungen beider Eltern (BSG, Az. B 14 AS 23/18 R).

Das Wechselmodell wird auch in Zukunft im Familienrecht eine große Rolle spielen, die Euphorie, die der BGH mit seiner Entscheidung NJW 2017, Seite 1815 hervorgerufen hat, wird durch die Instanzgerichte „eingedämmt“, da ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteiles bei fehlender Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit – egal von wem ggf. provoziert – nach Auffassung der Instanzgerichte dem Kindeswohl nicht dient und somit auf die Fälle beschränkt bleiben wird, bei denen die Eltern ohnehin „miteinander können“.