Wechselmodell - OLG Hamburg - 17.12.2015

 

Eine hälftige Aufteilung der Betreuungszeiten für das Kind im Sinne eines Wechselmodells ist im Rahmen eines Umgangsverfahrens möglich, sofern dies im Einzelfall die dem Kindeswohl am besten entsprechende Gestaltung der Betreuungszeiten darstellt.

Beschluss:
Gericht: OLG Hamburg
Datum: 17.12.2015
Aktenzeichen: 2 UF 106/14
Leitparagraph: BGB §§ 1626 Abs. 3, 1684 Abs. 3
Quelle: NZFam 2016, Seite 285

Kommentierung:

Den Eltern steht grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht zu. Im Entscheidungsfall stand das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts der Mutter alleine zu, die Kinder hatten ihren Lebensmittelpunkt bei ihr, 14-tägig fand an verlängerten Wochenenden Umgang statt. Das Familiengericht hat dem Vater mit den Kindern in den ungeraden Kalenderwochen Umgang von Donnerstab bis Montag zugesprochen, damit die Kinder nicht durch zu viele Wechsel belastet werden. Der Vater als Beschwerdeführer verfolgt die Anordnung eines Wechselmodells, dem ist das OLG im Wesentlichen gefolgt.

Das OLG hat bereits einleitend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Entscheidung um keine rechtstheoretische Entscheidung handelt über das Für und Wider eines Wechselmodelles und über die Frage, ob dies in einem sorgerechtlichen oder umgangsrechtlichen Verfahren zu klären ist und ob gegen den Willen eines Elternteiles ein solches Wechselmodell angeordnet werden kann. Vielmehr handelt es sich bei der angeordneten Regelung bewusst und ausschließlich um eine am konkreten Einzelfall und dem Wohl der Kinder orientierte Regelung des Umgangsrechtes. Aufgrund des Alters der Kinder (12 und 8 Jahre), Belastbarkeit, konkrete Lebensumstände wie der geringen Entfernung der Wohnungen sowie dem Willen der Kinder war diese Entscheidung geboten. Zudem gab es schon in der Vergangenheit weitgehend paritätische Betreuung. Gerade der ältere Sohn hat sich immer wieder in den Anhörungen für gleichmäßige Aufteilung ausgesprochen. Zwar hat die Kindsmutter sich gegen das Wechselmodell gewandt, auch der eingesetzte Verfahrensbeistand hat sich gegen das Rechtsmittel des Kindsvaters ausgesprochen, dies mit dem Argument, ein Wechselmodell könne vom Gericht nicht gegen den Willen eines Elternteiles ausgesprochen werden. Nach Einholung eines Gutachtens und Anhörung der Kinder geht das OLG ungeachtet dessen davon aus, dass die Aufteilung der Betreuungszeiten 50 : 50 dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Bei der jüngeren Tochter hat das Gericht differenziert und kein ganz striktes Wechselmodell angeordnet.

Es ist schon interessant, dass das OLG Hamburg seine Entscheidung bewusst als Einzelfall „verkauft“. Ist das nicht immer so? (so auch Luthin, NZFam 2016, Seite 285). Es geht letztendlich beim Wechselmodell derzeit immer um die Frage, ob die Anordnung eines solchen überhaupt mit dem geltenden Recht vereinbar ist oder ob es dazu einer Gesetzesänderung bedarf (Presseerklärung ISUV Nr. 12/2016 vom 19.4.2016: Der Landesparteitag der FDP hat sich dafür entschieden, dass aufgrund des grundsätzlichen Rechtes der Kinder auf Betreuung beider Elternteile eine gesetzliche Verankerung des Wechselmodells als Regelfall – entgegen des bisherigen Residenzmodells – notwendig ist.). Weiterhin streiten sich die Gelehrten, ob eine Anordnung des Wechselmodells dem Sorgerecht oder dem Umgangsrecht zuzuordnen ist und ob ein Wechselmodell gegen den Widerstand eines der Elternteile angeordnet werden kann.

Die Entscheidung des OLG Hamburg wird daher bewusst als „Einzelfall“ hingestellt und hauptsächlich diejenige Rechtsprechung und Literatur zitiert, die für ein Wechselmodell sprechen, man darf jedoch nicht vergessen, dass die herrschende Rechtsauffassung diejenige ist, dass gegen den Willen eines Elternteiles wohl kein Wechselmodell angeordnet werden kann (z. B. OLG Karlsruhe, FamRB 2015, Seite 414) und es auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers gibt, das Wechselmodell als Regelfall einzuführen (BVerfG NJW 2015, Seite 3366). Zudem ist der Kindeswille nur soweit beachtlich wie er dem Kindeswohl entspricht (BVerfG, FamRZ 2009, Seite 1389). Der Beschluss des OLG Hamburg entspricht jedoch dem Ansinnen des Verbandes ISUV, der sich weiterhin für die umfangreiche Anwendung des Wechselmodells ausspricht. Der Beschluss des OLG Hamburg führt in die richtige Richtung. Kindern sollte die Möglichkeit eröffnet sein, auch nach der Trennung paritätisch von beiden Elternteilen betreut zu werden. Es hat auch lange gedauert, bis man zum gesetzlichen Regelfall des gemeinsamen Sorgerechts gekommen ist (gegen alle Bedenken). Es bleibt zu hoffen, dass dies auch beim Betreuungsmodell des Wechselmodells und der paritätischen Teilhabe an der Betreuung der Kinder in Zukunft so sein wird.