Zutrittsrecht | Immobilienverkauf - OLG Bremen - 22.08.2017 | OLG Hamburg - 28.07.2017

1. Ein Ehegatte, der das im Miteigentum stehende Hausgrundstück endgültig verlassen hat, hat kein Recht auf Gewährung von Zutritt zu der Immobilie für sich oder Dritte ohne Vorliegen eines besonderen Grundes.

2. Der Wunsch nach Besichtigung durch einen Makler und weitere Personen mit dem Ziel des freihändigen Verkaufs der Immobilie stellt keinen besonderen Grund in diesem Sinne dar, wenn der in der Immobilie verbliebene Ehegatte einen freihändigen Verkauf ablehnt und stattdessen die Teilungsversteigerung betreibt.

Beschluss:
Gericht: OLG Bremen
Datum: 22.08.2017
Aktenzeichen: 5 WF 62/17
Leitparagraph: § 1361 b BGB, Art. 13 GG, § 180 ZVG
Quelle: NZFam 2017, Seite 1111 / FamRB 1/2018, Seite 4

Kommentierung:

In familienrechtlichen Auseinandersetzungen wird oft darüber gestritten, ob der andere nach Besitzaufgabe der ehelichen Wohnung/Immobilie nochmals ein Zutrittsrecht hat. Hier scheint es in der Rechtsprechung eindeutig zu sein, dass, wenn es durch die Trennung zu einer Neuregelung zur Nutzung der Immobilie gekommen ist, dass dann kein uneingeschränktes Zutrittsrecht mehr gegeben ist (Schutz der Privatsphäre des verbliebenen Ehegatten/Miteigentümers). Weiterhin sieht das Gesetz keine Notwendigkeit vor, dass eine gemeinsame Immobilie freihändig verkauft wird, sodass es auch keinen besonderen Grund gibt deshalb einen Zutritt zu gewähren. Auch das Versteigerungsrecht sieht keine zwangsweise Möglichkeit vor, etwa dem Gerichtsgutachter Zutritt zu gewähren. Ob Bietinteressenten im Zuge des Versteigerungsverfahrens ein Zutritt zu gewähren ist, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich behandelt, höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu gibt es nicht.

Für die Praxis von wahrscheinlich noch weitergehender Bedeutung ist jedoch die Klarstellung, dass eine Bruchteilsgemeinschaft an der Immobilie nicht dazu führt, dass die wechselseitigen Wirtschaftsinteressen zu fördern sind, und auch deshalb diese Interessen nicht schutzwürdig sind und deshalb auch keine Pflicht zum Zutritt besteht. Das führt auch dazu, dass wenn ein Ehegatte den freihändigen Verkauf ablehnt und die Teilungsversteigerung betreibt und hieraus ein geringerer Erlös erzielt wird als bei freihändigem Verkauf, der andere Ehegatte keinen Anspruch auf Schadensersatz hat, da es eben gerade keine Pflicht zum freihändigen Verkauf gibt und der Gesetzgeber die Auseinandersetzung gerade durch Teilungsversteigerung gesetzlich normiert hat.

Diese Erkenntnis könnte dazu führen, dass häufiger Teilungsversteigerungsverfahren eingeleitet werden. Familienrechtliche Möglichkeiten, die Versteigerung einer Ehewohnung zu verhindern, gibt es im Geltungsbereich des § 180 ZVG und in den Fällen, in denen der Anteil der Immobilie das annähernd gesamte Vermögen des die Versteigerung betreibenden Ehegatten ausmacht (§ 1365 BGB). Bis vor kurzem konnte die Versteigerung auch dadurch verhindert werden, indem ein Ehegatte den Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft sich hat pfänden und überweisen lassen, mit der Begründung, der Anspruch auf Aufhebung würde dem Miteigentümer nicht mehr zustehen, was dann zu einer Einstellung der Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG geführt hätte. Hier hat der BGH mit Beschluss vom 26.06.2017, Az. IX ZB 98/16 (NZFam 2017, Seite 842) entschieden, dass eine solche Pfändung nicht die Teilungsversteigerung verhindern kann, dies mit dem Argument, dass § 749 BGB das Interesse eines Miteigentümers am Erhalt des gemeinsamen Gegenstandes nicht schützt. Jetzt hat das OLG Hamburg eine Teilungsversteigerung mit dem Argument verhindert, dass wenn ein Ehegatte noch in der vormaligen Ehewohnung lebt, dieser auch ohne andere Gründe den Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe genießt – hierzu gehört auch die von einem Ehegatten allein bewohnte gemeinsame Immobilie, die vormals Ehewohnung war – und bis zur Rechtskraft der Scheidung aus diesem Grund eine Teilungsversteigerung nicht möglich ist (siehe hierzu nachfolgenden Beschluss OLG Hamburg). Hier wird § 749 BGB nachrangig gesehen.

 

Beschluss:
Gericht: OLG Hamburg
Datum: 28.07.2017
Aktenzeichen: 12 UF 163/16
Leitparagraph: §§ 1361 b, 1365 BGB, Art. 14 GG, § 180 ZVG
Quelle: FamRZ 2017, Seite 1829; NZFam 2018, Seite 32; FamRB 2018, Seite 5

Kommentierung:

Diese Entscheidung des OLG Hamburg ist sehr weitreichend. Bislang war es gesicherte Rechtsprechung, dass man mit sogenannter Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO gegen einen Teilungsversteigungsantrag während der Trennungszeit vorgehen kann, wenn die Hälfte der Immobilie annähernd das gesamte Vermögen des die Versteigerung betreibenden Ehegatten ausmacht (§ 1365 BGB). Nach OLG Hamburg soll die Teilungsversteigerung während der Trennungszeit auch verhindert werden können, wenn ein Ehegatte in der vormals gemeinsam als Ehewohnung genutzten gemeinsamen Immobilie wohnt. Dies wird damit begründet, dass der BGH (BGH NZFam 2017, Seite 68) entschieden hat, dass aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ein Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe zu fordern ist, sodass während der Trennungszeit der Ehegatten die Herausgabe einer Ehewohnung aus Eigentum im Rahmen der Ehewohnungszuweisung nicht betrieben werden kann. Auf deutsch heißt das, dass die Ehewohnung bis zur Rechtskraft der Scheidung ihren Charakter als Ehewohnung behält und schützenswert ist und somit die eigentumsrechtliche Frage nicht von Bedeutung ist und somit auch der Miteigentümer durch Teilungsversteigerung sein Miteigentumsrecht „nicht realisieren“ kann. Diesen Schutz der Ehewohnung hat der BGH im Verhältnis zum Eigentumsrecht eines Ehegatten im Rahmen eines Wohnungszuweisungsverfahrens in diese Richtung entschieden.

Dem steht natürlich entgegen, dass (siehe die OLG-Bremen-Entscheidung vorher) das Eigentumsrecht besteht, grundsätzlich eine Verfügungsfreiheit gegeben ist und im Teilungsversteigerungsverfahren der § 180 ZVG die Verhinderungsmöglichkeiten einer Teilungsversteigerung geregelt sind, Mit der Entscheidung des OLG Hamburg wird eine weitere – gesetzlich nicht normierte – Versteigerungssperre des Miteigentümers aufgemacht. Deshalb gibt es auch erhebliche Kritik an dieser Entscheidung des OLG Hamburg (Mast/Kogel in den Anmerkungen zu diesem Beschluss in FamRB 2018, Seite 4/5 bzw. FamRZ 2017, Seite 1830/1831). Der Kommentator zu diesem Urteil in der NZFam (Erbarth, NZFam 2018, Seite 34/35/36) kritisiert zwar die Begründung des speziellen Urteils (weil der in der Immobilie lebende Ehegatte keinen Schutz genieße, weil er dem Teilungsversteigerungsverfahren beigetreten ist) bekräftigt jedoch dem Grunde nach die Entscheidung im Hinblick darauf, dass die Ehewohnung ihre Eigenschaft als Ehewohnung regelmäßig bis zur Rechtskraft der Scheidung behält, und somit auch dem Miteigentümer grundsätzlich bis zur Ehescheidung kein Recht auf Teilungsversteigerung zusteht. § 1353 BGB i. V. m. dem räumlichen Schutz der Ehe (gegenseitige Rücksichtnahmeverpflichtung) gehe bis zur Rechtskraft der Scheidung dem Aufhebungsanspruch der Immobiliengemeinschaft gemäß § 749 BGB bzw. dem Miteigentumsanspruch vor.

Bedauerlicherweise hat das OLG Hamburg trotz dieser neuen Entscheidung und trotz dieses neuen Ansatzes die Rechtsbeschwerde zum BGH nicht zugelassen. Ob sich Oberlandesgerichte oder Amtsgerichte dieser neuen Rechtsansicht anschließen oder diese verwerfen, bleibt in der Rechtspraxis abzuwarten und führt nicht zu Rechtssicherheit.