Positive Psychologie: Nach der Trennung wieder in ein erfülltes Leben finden

Wie wieder als Betroffener Boden unter die Füße bekommen? Positive Psychologie kann helfen.

Eine Trennung erschüttert das Leben. Anschließend wieder glücklich zu werden ist leichter, wenn wir fünf Faktoren fördern, sagt ein Modell der positiven Psychologie: positive Emotionen, Flow, stabile Beziehungen, Sinn im Leben und Selbstwirksamkeit.

Als sich meine Frau von mir trennte, warf sie mich von heute auf morgen aus der gemeinsamen Wohnung und gestand mir zu, alle zwei Wochen zwei Stunden mit unserem damals sechsjährigen Sohn zu verbringen. Ich war fassungslos darüber, wie ungehemmt sie ihre Ablehnung mir gegenüber ausdrückte und wie rücksichtslos sie gegenüber den natürlichen Interessen unseres Sohns war. Anfangs war ich einfach nur überrollt von den Ereignissen, wohnte in einer Pension, bemühte mich um eine Wohnung, versuchte meine noch junge Selbständigkeit so weit auszubauen, dass ich davon leben konnte und setzte alles daran, meinem Sohn als Vater erhalten zu bleiben. Am schlimmsten erschütterte mich, dass mein Menschenbild wohl falsch gewesen war: Ich hatte immer gedacht, dass Menschen sich mit einem Mindestmaß an Achtung, Ehrlichkeit und Mitgefühl begegnen und das Eltern ihre Kinder nach Kräften vor Ungemach schützen. Ich musste erkennen, dass das ein Irrtum war.

Nach der Trennung: Das Leben ist erschüttert

Werden unsere grundsätzlichen Annahmen von der Welt und den Menschen erschüttert, oder erhält unser Leben plötzlich eine neue Richtung, dann erleben wir ein einschneidendes Erlebnis, so Judith Mangeldorf, Professorin für Positive Psychologie in Berlin. Solche Erlebnisse können schön sein, die Geburt eines Kindes zählt dazu, aber auch schockierend. Und auch wenn diese Erlebnisse im psychologischen Sinne nicht traumatisch sind, also nicht unser Leben bedrohen, haben sie ähnliche Auswirkungen: Wir müssen in einer gewaltigen Kraftanstrengung unser gesamtes Leben an die neue Situation anpassen und das gelingt nach der Positiven Psycholgie besser, wenn wir 5 Faktoren fördern.

Glückliche Momente schaffen

Mir begann es wieder besser zu gehen, als mich mit einen anderen Vater anfreudete, der sich in einer ähnlichen Situation befand. Wir gingen gemeinsam klettern, unsere Kinder freundeten sich an und mein Sohn und ich engagierten uns vorsichtig im Alpenverein. Nahezu unbemerkt hatten sich glückliche Momente in mein Leben eingeschlichen und ich vergaß in der Keltterwand die Zeit, den Ärger, die Trauer.

Auch wenn wir nach der Trennung traurig sind, wütend oder enttäuscht – positive Emotionen sind wichtig, mit ihrer Hilfe können wir neue Denkmuster aufbauen. Sind wir aber in einer Krise, konzentrieren wir uns auf den Ärger und den Schmerz. Es ist daher wichtig, die glücklichen Augenblicke bewusst wahr zu nehmen und sie zu fördern. Ganz gezielt können wir uns abends fragen, was war denn heute schön, die Antwort aufschreiben. Erkennen wir im Nachhinein, dass die „Zeit wie im Fluge verging“, dann ware wir im Flow. Auch dieser Zustand unterstützt uns dabei, aus dem Loch herauszukommen. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns in der Krise der Trennung gezielt versuchen, Augenblicke mit positiven Emotionen oder Flow zu schaffen.

Warum ertrage ich das alles?

Als ich wieder begann, mich wohl zu fühlen, kündigte meine Exfrau an, sie werde in 5 Wochen mit meinem Sohn in ein anderes Bundesland ziehen und ich quälte mich an der Frage ab, ob ich das schwer erarbeitete Glück für meinen Sohn wieder aufgeben sollte. Mein Sohn signalisierte mir wortlos, trotzdem unübersehbar, was er sich wünschte. Und unbemerkt hatte sich der Sinn wieder in mein Leben eingeschlichen: Ich betrachte es als meine Aufgabe, so gut wie ich irgendwie kann, für meinen Sohn da zu sein.

Neben positiven Emotionen und Phasen des Flows ist das ein weiterer Faktor, der dabei hilft, die Krise zu überwinden und Kraft zu schöpfen: Weiß ich, warum ich morgens aufstehe, warum ich arbeiten gehe, was die Aufgabe in meinem Leben ist? Als mir die Antwort plötzlich klar vor Augen stand, war es keine Frage mehr, was zu tun war. Genauso verhält es sich mit der Frage: Warum passiert mir das? Sie fragt nach dem Sinn, des Geschehenen. Die Antwort können wir finden, wenn wir fragen, wozu war die Trennung gut? Was habe ich aus ihr gelernt? Und vor allem: Wie kann ich das nutzen, um mir und anderen zu helfen.

Ich habe gelernt, dass es in einem Rosenkrieg keine Grenzen gibt – und bin jetzt besser gewappnet. Ich habe gelernt, dass die Kinder immer hilflos sind und leiden – und gebe meinem Sohn so viel, wie ich irgendwie kann. Und ich habe gelernt, dass ein mitfühlendes Ohr und ein guter Rat in der Krise sehr wertvoll sind – und hoffe, ich kann mit diesem Artikel anderen Betroffenen helfen.

Freunde helfen zurück ins Glück

Innerhalb von 5 Wochen fand ich mit unglaublichem Glück eine Wohnung am neuen Wohnort, packte meine sieben Sachen ein und zog um. Gute, sehr gute Freunde unterstützten mich finanziell, weil ich den Umzug sonst nicht gut hätte bewältigen können. Überhaupt waren während der gesamten Zeit Gespräche mit engen Freunden und mir nahe stehenden Verwandten sehr wichtig, sie halfen mir, die Fragen nach dem Sinn zu beantworten, mit ihnen konnte ich mich beraten, von ihnen bekam ich Ratschläge, sie wiesen mich zurecht, wenn ich auf dem Holzweg war und wenn ich sie besuchte, erlebte ich glückliche Stunden.
Mit anderen Menschen erleben wir positive Emotionen, erleben wir Sinn, Glück und Freude. Deswegen sind stabile tragende Beziehungen und Freundschaften der vierte Faktor, der dabei hilft, die Krise zu überwinden.

Mach Dir klar: Ich habe das Ziel erreicht

Natürlich verlief der Umzug nicht reibungslos, die gebuchten Umzugshelfer versetzten mich, ein Freund, seine Frau und ich räumten den Sprinter allein aus, wir bauten die Möbel zusammen und ich begann nach wenigen Tagen inmitten des Umzugschaos wieder zu arbeiten. Ich hatte es tatsächlich geschafft, ich war umgezogen, hatte alle Probleme überwunden und mein Ziel erreicht. Ich war selbstwirksam gewesen.
Wenn wir erkennen, dass wir die Krisensituation in die Hand nehmen und abschwächen können, dann erkennen wir, dass wir uns selbst helfen können. Das ist der fünfte und letzte Faktor, der nach einem Modell der Positiven Psychologie dazu beitragen kann, eine Krise zu bewältigen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns in einer Krise deutlich machen, was wir erreicht haben.

Ich kann meinem Sohn auch zukünftig ein richtiger Vater sein, nicht nur der Wochenendpapa. Das Glück in seinem Gesicht zeigt mir, dass ich mich richtig entschieden habe. An meinem neuen Wohnort, in meiner neuen Wohnung und in meinem Leben fühle ich mich nach wenigen Monaten zu Hause und sehr viel wohler als vor dem Umzug. Eigentlich, so denke ich immer wieder, muss ich meiner Exfrau dankbar sein für den Umzug. Aber ich muss es ja nicht übertreiben.

 

Quellen:
Martin Seligman „Wie wir aufblühen“, Goldmann Verlag 2015.
Judith Mangelsorf: Posttraumatisches Wachstum, Z Psychodrama Soziom (2020); 19:21-33. 
frei zugänglich unter : doi.org/10.1007/s11620-020-00525-5

ISUV – Kompetenz im Familienrecht seit über 45 Jahren

Der ISUV vertritt als größte deutsche und überparteiliche Solidargemeinschaft die Interessen von Bürgern, die von Trennung, Scheidung und den damit zusammenhängenden Fragen und Problemen - elterliche Sorge, gemeinsame Elternschaft trotz Trennung, Umgangsrecht, Kindesunterhalt, Unterhalt für ehemalige Ehegatten, Vermögensausgleich, Ausgleich der Rentenansprüche - betroffen sind.

ISUV ist unabhängig, bundesweit organisiert und als gemeinnützige Organisation anerkannt. Der ISUV finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Unterstützen Sie unser Anliegen durch Ihre Mitgliedschaft und Ihre Spenden.