Trennungseltern sein und bleiben: Wie können Eltern in der Trennungs- und Scheidungssituation den Kindern helfen?
Fast jedes Paar kommt im Laufe seiner Beziehung in eine große Krise, wenn sich herausstellt, dass das, was man vom anderen erhofft hat, sich nicht erfüllt, weil der sich dazu mehr verbiegen müsste, als er kann oder will. Kinder helfen mit, eine Beziehung während einer Krise zusammenzuhalten. Auf Dauer ist diese Aufgabe jedoch für jedes Kind eine nicht verantwortbare Belastung und Überforderung. Wenn alles versucht wurde, die Partner sich aber nicht mehr verzeihen und sich füreinander öffnen können, ist es besser, sich zu trennen.
Eva Orinsky ist Systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin (DGSF), IFS-Therapeutin, Lehrtherapeutin (DGSF) für Systemische Therapie, Leiterin des IFS-Instituts München, Kinderbuch- und Fachbuchautorin
In der Trennungssituation können Eltern helfen, damit ihr Kind die Trennung gut verkraftet und nicht mehr als unvermeidlich darunter leiden muss:
Kinder unterstützen Gefühle zu zeigen
In einem Rosenkrieg sich zu verausgaben, bringt keinem etwas. Notwendig ist: loslassen und das Neue annehmen, sich darin einrichten, so dass bald wieder Ruhe ins Leben kommen kann. Was nicht heißt, dass man seiner Trauer nicht Ausdruck geben darf, im Gegenteil: Man darf ruhig mal zusammen mit den Kindern weinen. - Das ist etwas anderes als sich beim Kind auszuweinen über den Partner.
Kinder sind traurig über die Trennung, auch wenn sie das oft nicht zeigen, damit Mama und Papa nicht noch trauriger werden als sie schon sind. Sie sollten ihre Kinder unterstützen, ihre Gefühle zu zeigen, dann können sie die Trennung besser und schneller verarbeiten. Gefühle können auf vielfältige Weise ausgedrückt werden: durch Reden, Weinen, Lachen, Schreien, Malen, Spielen, Schreiben, durch Schlagen auf einen Boxsack usw.
Eltern bleiben – Regelungen einhalten
Kein Elternteil sollte durch die Trennung aus dem Leben des Kindes verschwinden. Das Kind sollte in der Regel denjenigen, bei dem es nicht wohnt, mit großer Regelmäßigkeit besuchen können. - Außer das Zusammensein tut dem Kind nicht gut, weil es dort überfordert, manipuliert oder gar körperlich oder seelisch verletzt wird.- Je kürzer der Weg zum anderen Elternteil, umso besser. Dazu sind klare Absprachen, feste Regelungen und Vereinbarungen zwischen den Eltern nötig. Damit die Kinder sich wieder orientieren können in ihrer „neuen Welt“, ist es sehr wichtig, diese Absprachen auch einzuhalten und auf Regelmäßigkeit zu achten. Dabei muss man jede Familie ganz individuelle Lösungen finden, die für sie optimal passen, einfach Regelungen ausprobieren, sich danach zusammensetzen, Resümee ziehen. Es wird unvermeidlich sein, sich zum Wohle der Kinder immer wieder abzusprechen. Je eher Sie deshalb wieder „normal“ miteinander reden können, desto besser! Mediatoren können dabei hilfreich sein.
My home is my castle
Interessanterweise kann es sein, dass es für das Kind viel schlimmer ist, umziehen zu müssen, als die Tatsache, dass die Eltern sich trennen. Wenn es irgendwie machbar ist, sollte ein Umzug für das Kind deshalb vermieden werden. Wird es auch noch aus seinem sozialen Umfeld gerissen, verliert es seine Freunde und die vertraute Umgebung, muss es sich in einen neuen Kindergarten, in eine neue Klasse integrieren, ist die Belastung um ein Vielfaches größer. Stattdessen sollten gewohnte Außenkontakte jetzt besonders gepflegt werden, damit alles möglichst wie gewohnt weitergeht. Kinder brauchen Sicherheit und Klarheit darüber, wie es weitergeht. Sie möchten wissen, was sich verändert und was bleibt. Sie möchten wissen, womit sie rechnen können, gerade jetzt, wo die Basis zusammengebrochen ist, auf die sie sich – ohne je darüber nachzudenken – ganz selbstverständlich verlassen haben. Versprechen Sie deshalb bitte nichts, was Sie nicht halten können!
Loyalitätskonflikte vermeiden
Fast alle Kinder befürchten, sie wären schuld an der Trennung ihrer Eltern, besonders wenn sie mitbekommen haben, dass sich die Eltern auch über Erziehungsfragen gestritten haben. Versichern Sie ihren Kindern immer wieder, dass der Grund der Trennung nichts mit ihnen zu tun hat.
Ein unumstößliches Gebot für die ehemaligen Partner sollte sein, niemals schlecht oder abfällig über den anderen zu reden. Da die Hälfte der Chromosomen des Kindes vom anderen Elternteil kommt, würde es sich dabei jedes Mal selbst abgewertet fühlen und außerdem in grausame Loyalitätskonflikte geraten, denn es liebt ja beide und sollte auch weiterhin beiden zugetan sein dürfen, sich nicht entscheiden müssen. Denn das wäre gleichzeitig ein Nein gegen sich selbst.
Kinder nicht „kaufen“
Weil die Eltern oft Schuldgefühle haben, dass sie ihren Kindern das „antun“, neigt der eine oder die andere vielleicht dazu, die Kinder stark zu verwöhnen – quasi als Wiedergutmachung. Das kann weiteren Konfliktstoff zwischen die Eltern bringen. Vor allem aber schadet es den Kindern langfristig. - Lassen Sie lieber die Schuldgefühle los, das ist für alle Beteiligten das Beste! Sie brauchen keine zu haben, Sie haben sich für das kleinere Übel entschieden, das war richtig und gut!
Kinder nicht als Boten
Wenn es wieder einmal zu einem Konflikt kommt, sollte jeder der Beteiligten sich mit dem jeweiligen Konfliktpartner selbst auseinandersetzen, nicht einen Dritten als Vermittler, Boten oder Spion benutzen, wozu vor allem oft Kinder missbraucht werden. Der Vermittler bzw. Bote bekommt immer die aufgestauten Gefühle der Konfliktpartner ab. Es könnte zu einer Projektion kommen, dass man das Kind mit dem ehemaligen Partner verwechselt und es dann auch so behandelt.
Kinder kein Partnerersatz
Eine große Gefahr besteht darin, dass das Kind an den frei gewordenen Platz des Expartners rückt. Es spürt unbewusst, was der Mutter/dem Vater jetzt fehlt, und ist aus Liebe bereit, ihr/ihm das zu ersetzen. Außerdem hofft es vielleicht, über diese „wichtige“ Rolle doch noch die Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen, die ihm zuvor versagt geblieben ist. Ich habe oft erlebt, dass Menschen diese Rolle auch als Erwachsene nicht aufgeben können und so nicht frei sind für das eigene Leben. Um dies zu verhindern, sollte das Kind nicht zum „besten Freund“ gemacht werden, bei dem man sich ausspricht und ausweint und den man für wichtige Entscheidungen zu Rate zieht, es ist damit überfordert.
Ausgeglichenheit finden
Am besten helfen Sie Ihrem Kind, wenn Sie jetzt gut für sich selbst sorgen, denn dann muss dies nicht Ihr Kind tun. Und Sie können ihm dann die Stütze sein, die es jetzt braucht.
Warum sollte man sich in Krisenzeiten nicht einmal an Freunde wenden oder sich die Beratung und Begleitung eines Therapeuten gönnen? Er kann Ihnen mit seiner Unvoreingenommenheit und Erfahrung helfen, den Schmerz zu verarbeiten und sich auch ohne den gewohnten Partner wieder harmonisch zu fühlen. Er kann helfen, sich mit dem Expartner über die Belange des Kindes zu verständigen. Er kann Sie dabei unterstützen, die Trennung als Chance zum Neuanfang zu sehen.
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