Justizminister Buschmanns Reformvorschläge zum Kindesunterhaltsrecht richtig & wichtig – offene Fragen
Was lange währt wird endlich gut? Seit 11 Jahren haben verschiedene Justizministerinnen und Justizminister eine Reform des Kindesunterhaltsrechts versprochen. Passiert ist nichts. Jetzt hat sich Justizminister Marco Buschmann aus der Deckung gewagt und die Maxime der Reform genannt: beide Elternteile betreuen, beide bezahlen Unterhalt. „Wir halten diesen Grundsatz für richtig, wir vertreten ihn seit vielen Jahren. Das muss Leitgedanke aller weiteren Reformschritte sein. Damit werden Gleichberechtigung und Kooperation beider Elternteile praktiziert, was dem Kindeswohl dient“, hebt Melanie Ulbrich, Vorsitzende von ISUV, Verband für Unterhalt und Familienrecht e. V. hervor. Bisher gilt weiterhin im Kindesunterhaltsrecht: einer betreut, einer bezahlt.
Verhandlungslösungen der Eltern
„Fakt ist, immer mehr Eltern betreuen nach einer Trennung ihre Kinder gemeinsam. Bei gemeinsam ausgehandelten Betreuungslösungen werden meist auch faire finanzielle Vereinbarungen gefunden. Verhandlungen der Eltern untereinander sieht das Kindesunterhaltsrecht bisher nicht vor. Die Reform sollte Impulse für Verhandlungslösungen der Eltern geben“, fordert Markus Witt, Bundesbeauftragter Politik des ISUV. Bisher sieht das Familienrecht nur den teuren Weg übers Familiengericht, mit Anwälten vor. „Verhandlungslösungen der Trennungseltern dienen nicht zuletzt dem Kindeswohl“, betont Ulbrich.
Mehr Flexibilität beim Kindesunterhalt
Der Maßstab für Kindesunterhalt ist die Düsseldorfer Tabelle, nach der die Familiengerichte den Kindesunterhalt verteilen. Nach dieser Tabelle macht es keinen Unterschied, ob ein Elternteil nicht oder 49% der Betreuung übernimmt – er zahlt immer alleine und den vollen Betrag. Erst ab exakt 50% werden die Einkommen beider Eltern berücksichtigt. „Formen gemeinsamer Betreuung sieht die Düsseldorfer Tabelle nicht vor. Wir erwarten daher, dass der Gesetzgeber eine Regelung findet, die der Maxime beide betreuen, beide bezahlen gerecht wird. Dabei sollte Betreuung durch beide Elternteile gefördert werden“, wünscht sich Witt.
Quo vadis Düsseldorfer Tabelle?
Die Düsseldorfer Tabelle ist in Schieflage. Darin stimmen alle Experten überein. In der Grundstufe werden Beträge verlangt, die der Unterhaltsschuldner nicht zahlen kann. Auch die Einteilung in Einkommensgruppen führt zu teils ungerechten Ergebnissen einseitig zu Lasten des Unterhaltsschuldners. Alternativ wäre ein Kindesunterhalt möglich, dessen Beträge sich z.B. prozentual am Einkommen orientieren. Nur in Deutschland gibt es eine derartige Tabelle. „Ich rate immer zum Blick über die Grenzen, wie machen das die anderen. Wir sind hierüber im Gespräch mit kompetenten juristischen Praktikern“, teilt Ulbrich mit.
Erwerbstätigkeit beider Elternteile
Wenn beide Elternteile bezahlen sollen, müssen sie auch erwerbstätig sein. Mit der angedachten Reform wird die Betreuungsleistung beider Elternteile berücksichtigt. Die Mitbetreuung ermöglicht es vor allem Müttern, wieder eine umfangreiche Berufstätigkeit aufzunehmen. „Wir wünschen eine Reform, die Emanzipation von Müttern in der Berufswelt und die von Vätern in der Familie fördert“, hebt Witt hervor. Scheidungsarmut und damit Kinderarmut kann nur vermieden werden, wenn Vater und Mutter berufstätig sind. „Beim ISUV-Coaching sehen wir immer wieder, ein Elterneinkommen reicht nicht um den Bedarf von Kind und Unterhaltsschuld sicherzustellen. Hier liegt die Lösung für Kinderarmut auf Grund von Trennung der Eltern. Nicht nur Kinderarmut, sondern auch Altersarmut kann so vermieden werden“, ergänzt Melanie Ulbrich.
Schnittstellen Unterhaltsrecht mit dem Sozialrecht
Diese Reform ist bei näherem Hinsehen sehr komplex, hat Schnittstellen zu anderen Rechtsbereichen. „Aus ISUV-Sicht ist es wichtig, dass eine enge Abstimmung mit dem Sozialrecht, aktuell gerade auch mit der Kindergrundsicherung, erfolgt. Schon heute entstehen auf Grund von Trennung immer mehr Mangelfälle. Der Rückgriff auf soziale Leistungen wie beispielsweise Wohngeld ist notwendig“, hebt Ulbrich hervor und betont: „Von Familienministerin Lisa Paus gibt es dazu überhaupt keine Information, wie die Interessen und Bedürfnisse von Trennungseltern im Rahmen der Kindergrundsicherung berücksichtigt werden, obwohl wir die Ministerin mehrfach danach gefragt haben.“
Mediation – Coaching
„Raus aus dem juristischen Gezerre und Gezeter, rein in Mediation und Coaching“, fordert Ulbrich. Gemeint ist, anstatt dass sich Eltern vor Gericht bekriegen, fordert ISUV eine obligatorische Mediation gleich am Beginn der Trennung. Markus Witt möchte: „Grundsätzlich mehr Unterstützung bei einvernehmlicher Konfliktlösung der Eltern. Davon profitieren die Kinder und über kurz oder lang auch die Eltern.“ Woher nimmt ISUV die Zuversicht? „Beim ISUV-Coaching erleben wir täglich in den Kontaktstellen, dass man zufriedenstellende Vereinbarungen erreichen kann, wenn man das Vertrauen beider Eltern gewinnt. Nicht zuletzt lässt sich viel Geld sparen, das man auf Grund der Trennung dringend braucht“, weiß Melanie Ulbrich und hebt hervor: „Auch der Staat profitiert, wenn weniger und kürzere Verfahren notwendig sind. Nicht zuletzt lässt sich so auch Prozesskostenhilfe einsparen.“
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