Eckpunkte zur Unterhaltsberechnung

Neben der Diskussion zur Kindergrundsicherung – federführend das Familienministerium – hat Ende August 2023 das Bundesministerium der Justiz ein sogenanntes Eckpunktepapier zur Reform des Unterhaltsrechts herausgegeben. Ein Eckpunktepapier ist die unterschwelligste Form eines Gesetzesvorhabens, noch vor einem sogenannten Referentenentwurf eines Gesetzes. Dieses Eckpunktepapier betrifft den Kindesunterhalt und den Betreuungsunterhalt und hat zum Ziel, eine partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder zu fördern. Das veröffentlichte Eckpunktepapier ist letztendlich ein Diskussionsvorschlag; noch kein Gesetzesentwurf.

1. Kindesunterhalt

Nach Auffassung des BMJ bildet das geltende Unterhaltsrecht die Realität nicht mehr ab, wonach viele Eltern ihre Kinder auch nach der Trennung gemeinschaftlich betreuen wollen. Das bisherige „Unterhaltsmodell“ geht von dem sogenannten Residenzmodell als Betreuungsmodell aus: „Einer betreut, der andere bezahlt.“ Das ist nicht mehr zeitgemäß und benachteiligt mitbetreuende Eltern, die sich in der Betreuung ihrer Kinder engagieren.

Letztendlich geht es im Eckpunktepapier um die stärkere unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Betreuungsanteilen beim Barunterhalt für das Kind. Das BMJ will den Kindesunterhalt im Residenzmodell (stark überwiegende Betreuung durch einen Elternteil), das sind Alleinerziehende, die sich allein oder fast allein um ihr Kind kümmern, nicht verändern. Selbiges gilt für das sogenannte symmetrische Wechselmodell (hälftige Teilung der Betreuung), hier soll es bei den Unterhaltsgrundsätzen verbleiben, die der BGH aufgestellt hat und sich nach Auffassung des BMJ in der Praxis bewährt hat (BGH, Beschluss vom 11.01.2017, Az. XII ZB 565/15).

Laut Eckpunktepapier soll bei einem Mitbetreuungsanteil von mehr als 29 % bis knapp unter 50 % ein sogenanntes asymmetrisches Wechselmodell vorliegen, der Betreuungsanteil soll im Regelfall anhand eines nachprüfbaren objektiven Kriteriums erfolgen, nämlich der Anzahl der Übernachtungen des Kindes beim jeweiligen Elternteil pro Jahr.

Ermittlungsmodell der Betreuungsquoten nach BMJ

Die Ermittlung der nachfolgend dargestellten Betreuungsquoten beruht auf folgenden Maßgaben:

  • Gezählt werden die Nächte, die das Kind bei jedem Elternteil verbringt
  • Die gesetzlichen Schulferien von 14 Wochen jährlich werden zwischen den Eltern hälftig geteilt, d.h. jeder Elternteil betreut die Kinder während 7 Wochen Schulferien, das entspricht 7x7 = 49 Nächte.

Grundlage bei der Unterhaltshöhe bleiben die Einkommensverhältnisse beider Elternteile, entsprechend der BGH-Rechtsprechung ermittelt sich der Bedarf grundsätzlich nach dem zusammengezählten Einkommen beider Elternteile und dem in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Unterhaltsbetrag. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der mitbetreuende Elternteil in der Zeit der Mitbetreuung einen Teil des Unterhaltsbedarfs des Kindes abdeckt, soll ein pauschalierter Abschlag vom Unterhaltsbedarf des Kindes vorgenommen werden. Es soll nicht jeder einzelne Betreuungsanteil in Prozentsätzen ausgedrückt werden, sondern mit pauschalierten Abzugsbeträgen „gearbeitet“ werden. Ganz am Ende soll dann das Kindergeld zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Je mehr der mitbetreuende Elternteil verdient im Verhältnis zum anderen Elternteil, desto mehr Unterhalt wird er zahlen müssen. Die Mitbetreuung führt dann dazu, dass der errechnete Barunterhalt sich wieder verringert.

Das BJM hat sich bereits in seiner Begründung damit auseinandergesetzt, ob Väter oder Mütter von diesem Unterhaltsmodell profitieren würden. Im Hinblick auf die Unterhaltslasten werden sicherlich durch eine solche Reform unmittelbar die Elternteile profitieren, die im asymmetrischen Wechselmodell die Rolle des mitbetreuenden Elternteils übernehmen. Die vorgeschlagene Reform würde insoweit einen Anreiz für Väter setzen, sich mehr in der Betreuung von Kindern zu engagieren und die Mütter insoweit zu entlasten. Durch die Reform wird letztendlich der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht reduziert. Wenn ein Elternteil in einem erheblichen Umfang (> 29 %) das Kind in seinem Haushalt betreut, wird in dieser Zeit der Betreuung eben ein Teil des Bedarfs des Kindes durch den mitbetreuenden Elternteil abgedeckt. Daher ist es nach Auffassung des BMJ gerechtfertigt, wenn für die verbleibende Zeit, die das Kind beim hauptbetreuenden Elternteil verbringt, ein geringerer Barunterhaltsbetrag zu bezahlen ist.

In der Pressemitteilung Nr. 53/2023 führt das BMJ aus, dass das Eckpunktepapier kein „Vätergesetz“ und kein „Müttergesetz“ ist, sondern ein echtes Familiengesetz – mit dem Kindeswohl als oberstem Maßstab.

Rechenmodell im asymmetrischen Wechselmodell

Rechenmodell: Es soll ein klar strukturiertes Rechenmodell zur Ermittlung des Kindesunterhalts beim asymmetrischen Wechselmodell geben. Wesentliche Bestandteile dieses Rechenmodells sind folgende:

  • Schritt 1 (Ermittlung des Bedarfs des Kindes anhand der Düsseldorfer Tabelle): Der Bedarf des Kindes, d.h. die Geldmittel, die erforderlich sind, um seine Bedürfnisse abzudecken, wird grundsätzlich von beiden Eltern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten bezahlt. Maßgebend ist das Einkommen beider Eltern und der sich aus der Düsseldorfer Tabelle daraus ergebende Bedarf des Kindes.
  • Schritt 2 (Pauschaler Abzug beim Kindesbedarf): Für die wesentliche Mitbetreuung ist ein Abschlag beim Bedarf des Kindes in Höhe von 15 % vorgesehen. Durch diese Pauschale wird berücksichtigt, dass ein Teil des Kindesbedarfs, z. B. betreffend Nahrung, Verkehr, Freizeit, Bildung, im Haushalt des mitbetreuenden Elternteils gedeckt wird und es dadurch auch zu einer Ersparnis beim hauptbetreuenden Elternteil kommt.
  • Schritt 3 (Ermittlung der Haftungsanteile der Elternteile in Ansehung ihrer Leistungsfähigkeit): Da jeder Elternteil nur im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit haftet (jedem Elternteil verbleibt der angemessene Selbstbehalt in Höhe von €), wird sein Haftungsanteil nach der im Unterhaltrechtsrecht gängigen Methode ermittelt.
  • Schritt 4 (Modifikation des Haftungsanteils in Ansehung der Betreuungsanteile): Danach werden der Haftungsanteil und ein Betreuungsanteil, der pauschaliert in Höhe von einem Drittel angesetzt wird, kombiniert, um die erhöhten Kosten des mitbetreuenden Elternteils abzubilden.
  • Schritt 5 (Ermittlung des geschuldeten Betrags): Der modifizierte Haftungsanteil (Schritt 4) wird mit dem modifizierten Kindesbedarf (Schritt 2) multipliziert; so wird ein konkreter Geldbetrag ermittelt.
  • Schritt 6 (Abzug Kindergeld): In einem letzten Schritt wird das Kindergeld, wenn es an den hauptbetreuenden Elternteil ausbezahlt wird, zur Hälfte vom Haftungsanteil in Abzug gebracht und auf diese Weise zwischen den Eltern aufgeteilt.

Im symmetrischen Wechselmodell wird die Möglichkeit der gesetzlichen Alleinvertretung durch jeden Elternteil durch Änderung des § 1629 Absatz 2 und 3 BGB geschaffen.

Beispielsberechnung im asymmetrischen Wechselmodell

a) Berechnung, wenn beide Einkommen über dem angemessenen Selbstbehalt (1.650 €) liegen
Beispiel: Einkommen: A 4.000 €, Einkommen B: 2.000 €, Kind 6 Jahre, B erhält Kindergeld

aa) beabsichtigte Rechtslage:

Schritt 1:
Einkommen A + Einkommen B: 4.000 € + 2.000€ = 6.000 €
Düsseldorfer Tabelle: 844 € Kindesbedarf

Schritt 2:
Vom Bedarf werden pauschal 15% abgezogen.
844 € – (15% von 844 €; das sind 126,60 €): 717,40 €

Schritt 3:
Berechnung Haftungsanteil nach feststehender Berechnungsmethode:
(Einkommen A – 1.650 €) / (Einkommen A + B – 3.300 €)
(4.000 € – 1.650 €) / (4.000 € + 2.000 € – 3.300 €)
2.350 € / 2.700 € = 0,87

Schritt 4:
(Haftungsanteil nach Schritt 3 (hier 0,87) + Betreuungsanteil (siehe nachfolgend)
(0,87 + 0,67 = 1,54) / 2 = 0,77

Der Haftungsanteil nach Einkommen wird um einen Betreuungsanteil bereinigt, der innerhalb des asymmetrischen Wechselmodell (aWM) einen Betreuungsanteil von 33 % pauschal unterstellt. Die Feststellung des tatsächlichen Betreuungsanteils ist innerhalb des aWM somit nicht erforderlich (1,0 – 0,33 = 0,67).

Schritt 5:
Ergebnis aus Schritt 4 multipliziert mit Ergebnis aus Schritt 2
0,77 × 717,40 € = 552,40 €

Schritt 6:
Von dem unter Schritt 5 ermittelten Betrag wird nunmehr das halbe Kindergeld abgezogen. Das Ergebnis ist der Betrag, den der andere Elternteil erhält: 552,40 € – 125 € = 427 €

bb) bisherige Rechtslage:

Der Bedarf des Kindes ermittelt sich anhand des Einkommens des allein barunterhaltspflichtigen Elternteils, hier A, mit 683 €. Die Mitbetreuung kann dadurch berücksichtigt werden, dass dieser Bedarf um eine, zwei oder mehr Stufen der Düsseldorfer Tabelle bis maximal zur Höhe des Mindestunterhalts herabgesetzt werden kann. Das steht letztlich im Ermessen des Gerichts. Je nach Sachlage, kann auch keine Herabstufung erfolgen.

Folge: Der Bedarf kann somit 683 € (keine Herabsetzung), 643 € (Herabsetzung um eine Stufe) oder 603 € (Herabsetzung um zwei Stufen) betragen. Reduziert um das halbe Kindergeld (125 €) würden sich folgende Zahlbeträge ergeben: 558 €, 518 € oder 478 €.