Mehr Anreize, weniger Zwang im Unterhaltsrecht - zum Wohle aller Beteiligten
Das Unterhaltsrecht hat einen schwierigen Spagat zwischen den jeweiliges berechtigten Anliegen von Berechtigten und Pflichtigen zu leisten. Dabei kommt es in Anwendung der aktuellen Regelungen zu Situationen in denen für einen Unterhaltspflichtigen keinerlei Motivation besteht zusätzliches Einkommen zu erzielen. Dies kann so nicht im Sinne aller Beteiligten sein, wie im Folgenden näher erläutert wird.
Bisher wird beim Unterhalt von der Teilung des jeweils aktuell erzielten Einkommens des Pflichtigen ausgegangen. Dies berücksichtigt aber nicht angemessen, dass sich das Einkommen infolge der Unterhaltspflicht anders entwickeln kann als ohne. Es wird vielmehr grundsätzlich davon ausgegangen, dass sich das Einkommen mit oder ohne Trennung gleich entwickelt hätte. Entsprechend ist es aktuell einem Pflichtigen nicht möglich, sich aus der Belastung, die durch die Pflicht entsteht, "herauszuarbeiten". Je mehr er verdient, desto mehr muss er an Unterhalt zahlen. Zwar wird - außer in Mangelfällen - der dem Pflichtigen verbleibende Betrag größer, aber er kann nicht vermeiden auch den finanziellen Nachteil betragsmäßig zu vergrößern. Dies ist nicht nur für den Pflichtigen belastend, sondern stellt zudem einen - auch aus volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht zu vermeidenden - Negativanreiz dar.
Am Ungünstigsten stellt sich die Situation für Pflichtige dar, die von zusätzlichem Einkommen gar nicht profitieren.
Situation bei einem unterhaltsberechtigten Kind
Wir beginnen unsere Analyse mit dem einfachsten Fall, es wird nur Unterhalt für ein Kind geschuldet. Das Verhältnis zwischen dem Einkommen des Pflichtigen und dem zu leistenden Unterhalt für ein Kind ist in Grafik 1 dargestellt.
Es ist klar zu erkennen, dass im Einkommensbereich über dem Selbstbehalt jeder zusätzlich verdiente Euro zunächst nur dem Berechtigten zu Gute kommt (Mangelfall-Bereich). Hier gibt es keine Motivation für den Pflichtigen eine Einkommenssteigerung zu erzielen, es sei denn diese fällt so groß aus, dass er den Mangelfall überwinden kann.
Inwiefern kann sich ein Pflichtiger aktuell aus seiner Situation "herausarbeiten"?
Ein Rechenbeispiel:
- 2000 € Einkommen des Pflichtigen
- 1 Berechtigter für Kindesunterhalt Alter 0-5
Dem Pflichtigen bleiben:
2000 € - 334 € [Stufe 2] = 1676 €
Nur der Bedarfskontrollbetrag (wenn dieser denn beachtet wird) rettet den Pflichtigen vor der höheren Stufe 3. Der Pflichtige müsste sein Einkommen auf 2378 € steigern, um nach Zahlung von - nun neu - Unterhalt der Stufe 4 (!) seinen Verlust auszugleichen.
2378 € - 378 € [Stufe 4] = 2000 €
Dies entspricht einer notwendigen Steigerung von 18,9 % des unterhaltsrelevanten Einkommens.
Situation bei zwei unterhaltsberechtigten Kindern
Betrachten wir im Folgenden den Regelfall der Düsseldorfer Tabelle. Es ist Unterhalt für zwei Kinder zu zahlen.
In Grafik 2 ist der Zusammenhang zwischen dem Einkommen eines Pflichtigen, dem bezahlten Unterhalt für zwei Kinder und dem Einkommen, das dem Pflichtigen verbleibt, dargestellt.
Solange der Selbstbehalt nicht erwirtschaftet werden kann, ist auch kein Unterhalt zu zahlen. Sobald dieser erreicht wird, folgt ein Bereich, in dem nur der gezahlte Unterhalt steigt, aber nicht das dem Pflichtigen verbleibende Einkommen. Je nach Höhe des Mindestunterhalts, der ja mit höherer Altersstufe zunimmt, erstreckt sich dieser Bereich bis zu einem Betrag von 2296 € für die Altersstufe 12-17. Man sieht klar, dass es einen erheblichen Einkommensbereich gibt, in dem ein Pflichtiger von Einkommenssteigerungen gar nicht profitiert.
Situation bei einem Kind und Betreuungsunterhalt
Bei noch zusätzlich zu einem Kindesunterhalt zu zahlendem Betreuungsunterhalt (ohne Berufstätigkeit und ohne Einkommen des Berechtigten) ergibt sich die in Graphik 3 dargestellte Situation.
Dabei ist zu beachten, dass laut Düsseldorfer Tabelle der Selbstbehalt ggü. einem Betreuungsunterhaltsberechtigten mit 1385 € minimal über dem Selbstbehalt ggü. Kindern mit 1370 € liegt.
In unserem obigem Beispiel:
2000 € - 334 € [Stufe 2] = 1666 €
Theoretisch fällig an Betreuungsunterhalt nach Halbteilungsgrundsatz:
(1666 € x 0,9) / 2 = 750 €
Wovon aber nur 1666 € - 1385 € [Selbstbehalt] = 281 € bezahlt werden müssen, da wir selbst bei einem Einkommen der Stufe 2 DTB einen Mangelfall haben. Der Mindestbedarf des Berechtigten an Betreuungsunterhalt liegt laut DTB bei 1120 €.
Die Einkommensgrenze für den (laut DTB standardmäßigen) Fall von zwei Berechtigten, mit einmal Kindesunterhalt der Altersstufe 0 - 5 und einmal Betreuungsunterhalt, ab dem kein Mangelfall mehr eintritt liegt bei einem Einkommen des Berechtigten von 2897 € (höhere Altersgruppen: 2972 €, 3071 €).
2897 € - 378 € [Stufe 4] - 1134 € = 1385 € [entspricht Selbstbehalt]
Selbst bei Gehalt in der DTB Stufe 4 kommt es also noch teilweise zum Mangelfall, nämlich im Bereich von 2701 - 2897 €. Nachdem der Mangelfall eigentlich die Ausnahme sein sollte, zieht dieses Ergebnis die Sinnhaftigkeit der Art, wie der Unterhalt berechnet wird, erheblich in Zweifel.
Das beschriebene Szenario ist u.a. bei unverheirateten Eltern, vergleichbarem Gehalt vor der Geburt, mit einem gemeinsamen Kind nach dem Ende der Elternzeit und vor Wiederaufnahme der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils der Regelfall. Also meist ca. zwei Jahre lang vor dem 3. Geburtstag des Kindes. Entsprechend häufig tritt der Mangelfall in der Praxis auf. Als Konsequenz des Mangelfalls tritt eine Situation ein, in der es für den Pflichtigen keinerlei Anreiz gibt, sein Einkommen zu steigern, es sei denn er kann die genannte Einkommensschwelle überschreiten. Dann bleiben ihm vom darüber hinausgehenden Betrag immerhin 55%. Davon kann der Pflichtige seinen finanziellen Nachteil durch die Unterhaltspflicht abbauen.
In unserem Beispiel würde dem Pflichtigen von Gehaltssteigerungen bis zu 897 € gar nichts bleiben. Er hat also auch keine finanzielle Motivation diese zu erzielen. Dies kann so nicht sinnvoll sein! Denn dies ist auch massiv zum Nachteil der Berechtigten. Resignierende / demotivierte Pflichtige helfen niemandem weiter.
Der Pflichtige mit einem ursprünglichen Einkommen von 2000 €, müsste sein Einkommen auf ganze 4107 € steigern, nur um wieder 2000 € für sich zur Verfügung zu haben.
4107 € - 470 € [Stufe 7] - 1637 € = 2000 €
Dies entspräche einer Steigerung von 105,35 %, dies ist für den Pflichtigen im Regelfall wohl nicht zu erreichen. Zumal die notwendige Steigerung des Brutto-Einkommens, auch aus steuerlichen Gründen, noch viel höher liegt.
Bei gleichem Gehalt der Elternteile vor der Geburt, ist die Obergrenze für den Betreuungsunterhalt i.H.v. 2000 € selbst bei der oben genannten massiven Gehaltssteigerung des Pflichtigen immer noch nicht erreicht. Erst wenn es dem Pflichtigen gelänge, sein Einkommen bis auf 4984 € zu steigern, wäre immerhin das Maximum des Betreuungsunterhalts erreicht. Dies entspricht einer Steigerung von zusätzlich 149,2 % des ursprünglichen Einkommens. Erst darüber hinaus muss der Pflichtige "nur" noch mit einer Steigerung des Kindesunterhalts rechnen. Als Lohn würde der fleißige Pflichtige selbst 444 € mehr haben. Es blieben ihm also 14,88% seiner Gehaltssteigerung, während 85,12% bei den Berechtigten landen. Dies wird wohl kaum einen Pflichtigen motivieren, den erwartbar großen Aufwand zu stemmen! Auch dies ist so offensichtlich nicht sinnvoll.
Unterschied Betreuungsunterhalt zum Nachehelichen Unterhalt
Es sei auch noch darauf hingewiesen, dass in dem oben beschriebenen Beispiel und vergleichbaren Fällen der betreuende Elternteil vom Betreuungsunterhalt wesentlich mehr profitieren dürfte, als wenn er mit dem Pflichtigen verheiratet gewesen wäre. Denn nacheheliche Gehaltssteigerungen können als unabhängig von der Ehe eingestuft werden und damit den nachehelichen Unterhalt unbeeinflusst lassen.
Ein solcher Mechanismus existiert für den Betreuungsunterhalt zwischen unverheirateten Elternteilen nicht. Dort ergibt sich der Bedarf rein aus dem Einkommen, das ohne Geburt erzielt worden wäre (§ 1615l Abs. 3 i.V.m. § 1610 BGB). Die Angemessenheit dieser Ungleichbehandlung ist zumindest kritisch zu hinterfragen. Vor allem, da die Rechtsprechung grundsätzlich davon ausgeht, dass eine Besserstellung der unehelichen Mutter gegenüber der ehelichen unzulässig ist. Insbesondere gilt dies im Hinblick auf den besonderen Schutz der Ehe im Grundgesetz. Allerdings lehnt der BGH die Definition "nichtehelicher Lebensverhältnisse" zur Abhilfe dieser Problematik ab (BGH FamRZ 2010, 444). So sollte der Gesetzgeber hier tätig werden und für eine angemessene Gleichbehandlung sorgen. So könnte etwa dem 1615l Abs. 3 BGB noch ein zusätzlicher Satz angefügt werden "Bei der Ermittlung des Maßes des nach Abs. 2 zu leistenden Unterhalts ist auf Seiten des Zahlungspflichtigen auf dessen Lebensstellung zum Zeitpunkt der Geburt abzustellen.".
Nachdem es - gemäß BGH - keine "nichtehelichen Lebensverhältnisse" gibt, können diese, im Gegensatz zu den ehelichen Lebensverhältnissen, auch keine Rolle bei Gehaltssteigerungen nach der Trennung spielen. Die nichteheliche Mutter würde also so behandelt wie eine eheliche Mutter, deren Ehe für die Gehaltssteigerung nach der Ehe keine Rolle spielte. Die notwendige Gleichbehandlung gleichartiger Fälle wäre also gewahrt, was aktuell nicht der Fall ist.
Mangelfälle beim Kindesunterhalt
Besonders schwierig ist die Situation in absoluten Mangelfällen, in denen der Mindestunterhalt für Kinder nicht gezahlt werden kann. Wie oben gezeigt, gibt es einen erheblichen Einkommensbereich des Pflichtigen über seinem Selbstbehalt, in dem dies der Fall ist.
Wer den Mindestunterhalt nicht bezahlen kann, gerät in eine "gesteigerte Erwerbsobliegenheit" mit der Gefahr, nicht erzieltes Einkommen fiktiv zugerechnet zu bekommen. Dies ist etwa vergleichbar mit dem seit Jahrzehnten - mit bescheidenem Erfolg - betriebenen Versuch, die Langzeitarbeitslosigkeit mittels Sanktionen gegen die Betroffenen Arbeitssuchenden abzubauen (z.B. Sperren der Leistungen). Die Politik baut diese Sanktionsmöglichkeiten in großer Regelmäßigkeit erst aus, um sie dann wieder zurück zu fahren. Trotzdem ist es auch in wirtschaftlich florierenden Zeiten nicht gelungen, der Langzeitarbeitslosigkeit wirklich Herr zu werden. Dies obwohl begleitend dazu noch Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen und der große Apparat der Agentur für Arbeit im Einsatz sind. Solche Unterstützung gibt es für den Unterhaltspflichtigen, der den Mindestunterhalt nicht zahlen kann, nicht. Hier wird nur auf Zwang gesetzt. Ob dies Erfolg haben kann, darf zumindest bezweifelt werden.
Außerdem spricht das Bundesverfassungsgericht explizit von der "Gefahr von Kleinkriminalität, Schwarzarbeit" (Urteil des Ersten Senats vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - ) bei der Sanktionierung von Arbeitssuchenden. Eine Übertragung auf den Fall von Unterhaltspflichtigen liegt nahe. Was nicht zum offiziellen Einkommen zählt, wird der Unterhaltsempfänger im Normalfall nicht erfahren und muss daher auch nicht durch den Pflichtigen an den Empfänger abgegeben werden. Gerade in Mangelfällen in denen - wie vorstehend dargestellt - jeder zusätzliche Euro an unterhaltsrelevanten Einkommen direkt als Unterhalt weiterzuleiten ist, dürfte der Anreiz auf "nicht offizielles" Einkommen auszuweichen groß sein. Dies ist nicht nur ein Problem für die Unterhaltsbezieher, sondern auch für die Wirtschaftsordnung und Gesellschaft insgesamt.
Wie im letzten Report ausgeführt wurde, führt die Entwicklung der DTB zu immer mehr Mangelfällen. Dies verschärft auch die praktische Relevanz des oben ausgeführten zunehmend.
Gesetzlicher Regelungsbedarf für Mangelfälle beim Kindesunterhalt
Die "gesteigerte Erwerbsobliegenheit" und die in Folge betriebene Zurechnung von fiktivem Einkommen des Pflichtigen ist, wie leider viele andere Punkte des Unterhaltsrechts, nicht vom Gesetzgeber geregelt worden. Sie ergibt sich aus der laufenden Rechtsprechung. Allerdings zeigt diese auch, dass der gesteigerten Erwerbsobliegenheit Grenzen gesetzt sind (z.B. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 09. November 2020 - 1 BvR 697/20 -, Rn. 1-27, www.bverfg.de/e/rk20201109_1bvr069720.html ). Nachdem die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Arbeitssuchenden klar gesetzlich definiert wurden, sollte dies analog im BGB auch für den Bereich der zwanghaften Zurechnung von fiktivem Einkommen bei Unterhaltspflichtigen in Mangelfällen erfolgen. So kann ein wesentlich einheitlicherer Vollzug in der Praxis, nicht zuletzt durch die Beistandschaftsstellen der Jugendämter, erreicht werden. Dies kann auch dazu beitragen, dass weniger Mangelfälle gerichtlich geregelt werden müssen.
Hinzu kommt noch, dass die Möglichkeiten einen Pflichtigen zu zusätzlicher - legaler - Arbeit zu “zwingen” auch durch das Arbeitszeitgesetz begrenzt sind. Dies gilt auch für Nebenjobs, denn “Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen” (§2 Abs. 1 ArbZG). Selbst wenn ein abhängig beschäftigter Pflichtiger wollte, dürfte er also nicht beliebig viel arbeiten. Außerdem kann man nicht pauschal davon ausgehen, dass ein Nebenjob so gut bezahlt ist wie ein normaler Vollzeit-Job. Es fehlt komplett an einer gesetzlichen Regelung, wie hiermit bei der Zurechnung von fiktiven Einkommen umzugehen ist.
Ein möglicher Weg dies zu regeln, wäre das maximal hinzuzurechnende fiktive Einkommen nach oben wie folgt zu begrenzen. Es wird die maximal noch zusätzlich zulässige Arbeitszeit des Pflichtigen ermittelt. Bei einem Vollzeit-Job von 40 Stunden/Woche wären dies im Regelfall 8 Stunden. Dieser Wert wird mit dem Mindestlohn multipliziert, denn nur dieser ist dem Pflichtigen garantiert. Bei einem Mindestlohn von 12 € wären dies pro Arbeitswoche 96 € brutto. Das Ergebnis ist natürlich noch um die individuellen Abzüge aus Steuer und Sozialversicherung zu reduzieren. Mehr kann vom Pflichtigen schlichtweg nicht erwartet werden.
Zudem ist zu Bedenken, dass ein konsequentes Arbeiten der gesetzlichen Höchstarbeitszeit zzgl. der Arbeitswege dem Pflichtigen wohl kaum noch einen angemessenen zeitlichen Rahmen für den Umgang lassen kann. Hier geraten also auch verschiedene Rechte des Kindes miteinander in Konflikt.
Ob angesichts der vorausgehend beschriebenen Rahmenbedingungen die Hinzurechnung von fiktivem Einkommen beim Mangelfall überhaupt sinnvoll ist, ist kritisch zu hinterfragen.
Möglichkeiten für Anreize
Aktuell sind die Anreize für Pflichtige zusätzliches Einkommen zu erziehen sehr begrenzt.
Jeder Pflichtige, dessen Einkommen zu einem Mangelfall führt, hat bis zur Grenze seines persönlichen Mangelfalls gar keinen Anreiz (legal) mehr zu verdienen. Beim Kindesunterhalt ist es auf Grund der Abstufungen in der Düsseldorfer Tabelle immerhin im Durchschnitt möglich begrenzt das Einkommen zu steigern, ohne gleich in eine höhere Stufe zu fallen. Allerdings hängt diese Möglichkeit und deren Umfang letztlich vom Zufall ab, da die Stufen der Tabelle willkürlich und ohne gesetzliche Grundlage gezogen sind.
Beim Betreuungsunterhalt gesteht der BGH den Pflichtigen aktuell einen Erwerbstätigenbonus von 10% zu. Früher wurden 3/7 zugestanden. Auch hier fehlt eine gesetzliche Grundlage.
Vorschlag 1:
Ein klarer Anreiz für Pflichtige zur Steigerung ihres Einkommens wäre die im letzten Report vorgeschlagene Regelung, jedem Pflichtigen immer und unabhängig von der Art des zu leistenden Unterhalts, wenigstens 50% seines unterhaltsrelevanten Einkommens zu belassen.
Im oben genannten Beispiel lag die Grenze, ab der sich Gehaltssteigerungen für den Pflichtigen überhaupt lohnen, bei 2833 €. Wenn man ihm hingegen als Minimum 50% seines Einkommens belassen würde, läge diese Grenze beim Doppelten des Selbstbehalts, d.h. bei 2 x 1350 € = 2700 €. Also immerhin 133 € niedriger.
Es bleibt also immer noch ein erheblicher Bereich, in dem der Pflichtige nicht von seinen eigenen Einkommenssteigerungen profitiert. Dem kann dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass man als zusätzliche Untergrenze immer 50% des Einkommens über dem Selbstbehalt bei ihm belässt. Dies würde auch der Tatsache Rechnung tragen, dass es sich beim Selbstbehalt schlichtweg um einen nicht zu teilenden Grundbedarf des Pflichtigen handelt. Damit bestünde immer ein Anreiz für den Pflichtigen, sein Einkommen zu steigern, wovon er und die Berechtigten gleichermaßen profitieren würden.
Vorschlag 2:
Ein weiterer Ansatz wäre es, Einkommenssteigerungen des Pflichtigen nach dem Beginn der Unterhaltspflicht nur noch begrenzt dem unterhaltsrelevanten Einkommen zuzurechnen, etwa maximal in der Höhe der vom Statistischen Bundesamt festgestellten allgemeinen Lohnentwicklung. Damit würde der Berechtigte an der erwartbaren Lohnentwicklung fair partizipieren. Wenn der Pflichtige sich aber über Gebühr ins Zeug legt (z.B. durch berufsbegleitende Weiterbildung eine besser bezahlte Stelle erlangt), so würde dieser zusätzliche Vorteil tatsächlich bei ihm belassen. Damit hätte er die Möglichkeit, den finanziellen Nachteil durch seine Pflicht aus eigener Kraft vollständig abzuarbeiten, ohne dadurch gleichzeitig seine Unterhaltsschuld zu vergrößern. Er könnte sich also nach Trennung / Beginn einer Unterhaltspflicht wieder "herausarbeiten".
Für unser Beispiel hieße dies, dass der Pflichtige (ohne allgemeine Lohnentwicklung) ab einem Gehalt von 2.469 € von eigenen Einkommenssteigerungen profitieren würde:
2469 € - 334 € [Stufe 2] - 750 € = 1385 €
Die Unterhaltshöhen ergeben sich auf Grund des ursprünglichen Einkommens von 2000 €. Aktuell profitiert der Pflichtige wie oben ausgeführt erst ab 2.897 €. Die Schwelle, ab der sich zusätzliches Einkommen für den Pflichtigen lohnt, kann also deutlich gesenkt werden. Unser Pflichtiger müsste sein Gehalt auf 3.084 € steigern, um wieder - wie vor der Unterhaltspflicht - 2000 € für sich selbst zur Verfügung zu haben. Aktuell sind es wie oben beschrieben ganze 4107 €.
Dies würde auch der neuen Lebenssituation von Getrennten besser Rechnung tragen. Das Einkommen ist ja nicht unabhängig von den Lebensumständen. Außerdem muss es auch getrennten Elternteilen mit durchschnittlichem Einkommen schlichtweg ermöglicht werden, sich ein Lebensniveau oberhalb des Existenzminimums aufzubauen. Auch berechtigte Kinder profitieren bei einer ordentlich funktionierenden Trennungsfamilie von einem höheren Lebensstandard des Pflichtigen, nicht zuletzt im Rahmen des Umgangs mit diesem.
Zusammenfassung
Es wäre dringend angezeigt im Unterhaltsrecht seitens des Gesetzgebers folgende Änderungen vorzunehmen:
- Die Unterhaltsberechnung, u.a. mittels DTB, ist grundsätzlich zu überdenken und mindestens so zu reformieren, dass Standardfälle überhalb der Stufe 1 DTB keine Mangelfälle ergeben.
- Es braucht wirkliche Anreize für die Masse der Pflichtigen, mehr Einkommen zu erwirtschaften, z.B.
- Mind. 50% des Einkommens des Pflichtigen über dem Selbstbehalt bleiben immer bei ihm.
- Außergewöhnliche Einkommenssteigerung des Pflichtigen nach Beginn der Unterhaltspflicht bleiben bei der Unterhaltsberechnung außen vor. Persönlicher Einsatz muss sich lohnen. Berechtigte profitieren aber von Gehaltssteigerungen entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung.
- Bezugnahme auf die Lebensverhältnisse des Pflichtigen zum Zeitpunkt der Geburt als entscheidend für die Höhe von Betreuungsunterhalt. Damit Beseitigung der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung zum nachehelichen Unterhalt.
- Die Regeln für eine Zurechnung von fiktivem Einkommen bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit sind klar gesetzlich zu regeln.
Damit kann nicht nur die Rechtssicherheit erhöht und die Lebensqualität der Pflichtigen gesteigert , sondern auch eine gesamtgesellschaftlich positive Betätigung der Pflichtigen gefördert werden. Dies kommt letztendlich auch den Berechtigten zu Gute!