Aufklärung über eine folgenreiche Reform

Nun wird die Zeit knapp, sollen die Änderungen wie geplant zum 1. Juli 2007 in Kraft treten. "Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen", erklärte auf dem Bonner Forum die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker. Sie hat sich nicht nur als frühere Familienrichterin am Amtsgericht Siegburg jahrelang mit der komplizierten Materie befasst, sondern auch als Mitglied des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Rechtsausschusses.

Bei der Bonner Debattenrunde hatte sie die Aufgabe übernommen, die Grundzüge und deren Motive zu erläutern, die die Neuregelungen prägen. Entscheidend ist dafür zweierlei: Einmal die gesellschaftliche und demografische Entwicklung vieler Paarbeziehungen mit häufigen Trennungen bzw. Scheidungen nach relativ kurzer Zeit und mit neuen Lebensgefährten, zum zweiten eine andere Sicht der Unterhaltsansprüche früherer und späterer Partner mit deren Kindern.

Die CDU-Politikerin machte klar, dass es hier zweifellos einen großen Reformbedarf gebe und weshalb die Koalition dafür sei, bei den Unterhaltsansprüchen die Rangfolge der Kinder, der ersten und zweiten Ehegatten sowie der nicht verheirateten Partner je nach ihren Betreuungsaufgaben neu zu ordnen, ebenso bei Kindern die Altersgruppen mit unterschiedlich gestaffelten Euro-Beträgen.

Deutlich wurde dabei, wie schwierig bis unmöglich es bei solchen "Patchwork"-Familien (auch) in Zukunft sein wird, die meist sehr begrenzten Mittel des Unterhaltspflichtigen gerecht zu verteilen. Andererseits wird es künftig mehr darauf ankommen (obgleich dies prinzipiell schon aus den heute geltenden Regelungen hervorgeht), die Eigenverantwortung der bisherigen Unterhaltsberechtigten stärker zu betonen. In der Regel heißt das vor allem, dass die geschiedene Frau sich aktiver um ihren Unterhalt bemühen muss. "Das ist ein Dreh- und Angelpunkt der neuen Bestimmungen des BGB", meinte Elisabeth Winkelmeier-Becker.

Da die Veranstaltung darauf angelegt war, die Reform mit ihren Vor- und Nachteilen zu erörtern, kamen nach der Politikerin die Diskutanten zu Wort, die stärker deren Probleme betonten. "Das alte Unterhaltsrecht ist Mist", rief Rechtsanwalt Hans-Peter Braune (Nürnberg), Ehrenvorsitzender und Rechtspolitischer Sprecher des Verbandes offen aus, "und die neuen Paragrafen kommen viel zu spät." Durch den Kompromiss, den die Koalition jetzt ansteuere, sei eine beim neuen Recht zunächst recht sinnvolle Systematik zerstört worden.

Klaus Schnitzler, Fachanwalt für Familienrecht aus Euskirchen, sieht die neuen Regeln weniger kritisch ("Das neue Gesetz ist nötig und hat Vorteile"). Er meint aber auch, dass die in den letzten Wochen überraschend hochgekommenen Debatten in den Bundestagsfraktionen der Angelegenheit nicht gut bekommen seien.

Für den Familienrechtler Professor Siegfried Willutzki (Köln), Ehrenvorsitzender des Deutschen Familiengerichtstages DFGT e.V. ist der 22. März (der Tag, an dem in Berlin wesentliche Änderungen vom ursprünglichen Gesetzestext beschlossen wurden), ein "schwarzer Tag für das deutsche Unterhaltsrecht", dadurch "wurde eine durchdachte Systematik willkürlich zerstört". Zunächst seien die Fachleute, die unter anderem bei einer Anhörung des Rechtsausschusses gut beteiligt waren und dort ihre Positionen vorbringen konnten, noch recht optimistisch gewesen, doch nun seien Regelungen zu befürchten, die zahlreiche Probleme mit sich brächten.

Die Stellungnahmen auf dem Podium wechselten, vom Moderator erbeten, häufig mit Fragen aus dem Publikum, teils von Laien, teils von Anwälten oder von ISUV-Mitgliedern gestellt, die aus anderen Bezirksstellen (Köln, Koblenz) angereist waren, auch vom Pressesprecher des Verbandes Josef Linsler (Würzburg).

Wie ist das mit dem Zeitpunkt der Gültigkeit der veränderten Regelungen, mit übergangsfristen, mit dem Vertrauensschutz? Sollte man Gerichtsentscheidungen bis nach dem 1. Juli verzögern? Wie verträgt sich das Steuerrecht in punkto Splittingmodellen und absetzbaren Unterhaltszahlungen mit der Familienpolitik, mit der Debatte um mehr Krippenplätze? Wann wird die Düsseldorfer Tabelle in neuer Form vorliegen? Spart der Staat durch diese Reform Geld, und welche Berechtigten haben demnächst mehr oder weniger Leistungen zu erwarten?

Das waren nur einige der vielen und vielschichtigen Fragen, die dazu gestellt wurden. Alle ließen sich nicht verlässlich beantworten~ noch sind ja die neuen Bestimmungen nicht in allen Details bekannt. Einig waren sich die Fachleute nur darin, dass die Änderungen kommen werden - "etwas anderes kann sich die große Koalition gar nicht leisten", meinte Anwalt Klaus Schnitzler.

Der Abend schloss nach fast drei Stunden anregender Information und viel Austausch mit dem Dank des ISUV-Bundesvorsitzenden Michael Salchow an die Diskutanten und den Moderator, an das engagierte Publikum und an die Bonner Bezirksstelle für die perfekte Organisation. Bezirksstellenleiter Bruno Schmidt sowie die Aktiven Michael Sparwasser (Mitgliederbetreuung) und Reinhard Löffler waren bei der Vorbereitung dieser wichtigen überregionalen Veranstaltung besonders engagiert.

K. J. S.

Den vollständigen, mit Bildern versehenen Bericht von der Veranstaltung können Sie unter ((aktuelle Berichte|Aktuelle Berichte)) nachlesen.