BGH, Beschluss vom 11.11.2015 - Ehegattenunterhalt

 

1. Ein Anspruch auf (Aufstockungs-)Unterhalt kann auch dadurch entstehen, dass das Einkommen des für den Kindesunterhalt barunterhaltspflichtigen Ehegatten durch den Vorwegabzug des Kindesunterhalts unter das Einkommen des kinderbetreuenden Ehegatten absinkt.

2. Der auf Seiten des kinderbetreuenden Ehegatten entstehenden Belastung ist im Rahmen der Bemessung seiner Erwerbsobliegenheit und durch die (teilweise) Nichtberücksichtigung überobligatorisch erzielten Einkommens Rechnung zu tragen.

3. Unterhalt ist stets zeitbezogen zu ermitteln und im Verfahren geltend zu machen. Fordert der Unterhaltsberechtigte für bestimmte Zeiträume zu viel Unterhalt, so ist sein Antrag insoweit abzuweisen und kann nicht mit anderen Zeiträumen verrechnet werden, in denen er weniger verlangt, als ihm zusteht.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 11.11.2015
Aktenzeichen: XII ZB 7/15
Leitparagraph: BGB §§ 1361, 1573 II
Quelle: Beck-RS 2015, Seite 20798

Kommentierung:

Die Entscheidung des BGH befasst sich mit dem Maß des Unterhaltes gemäß §§ 1361, 1578 BGB. Der Maßstab sind die ehelichen Lebensverhältnisse. Zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfs ist vor allem auf die von den Ehegatten erzielten Einkünfte abzustellen, soweit diese die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben (Ausnahmen: Karrieresprung/überobligatorische Einkünfte u. a.). Grundsätzlich ist der Vorwegabzug des Kindesunterhaltes prägend und beeinflusst die Frage der Bezahlung von Ehegattenunterhalt mit der Folge, dass letztendlich indirekt der unterhaltsberechtigte Ehegatte den vom anderen barunterhaltspflichtigen Ehegatten bezahlten Kindesunterhalt mitfinanziert. Der BGH führt dazu aus, dass dies irrelevant ist, da eben der Unterhaltsbedarf des Kindes die Barmittel der gesamten Familie beeinflussen und somit diese Berechnungsmethode seine Richtigkeit hat. Auf der anderen Seite sind beim Einkommen des kinderbetreuenden Ehegatten den Belastungen durch die Kinderbetreuung dadurch Rechnung zu tragen, dass Einkommen evtl. überobligatorisch sein könnte.

Der BGH stellt klar, dass Unterhalts jeweils nur zeitbezogen ermittelt werden kann. Die Unterhaltsvoraussetzungen – insbesondere Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit – müssen jeweils gleichzeitig vorliegen. Dies gilt auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Eine Zuvielforderung für einen bestimmten Zeitraum führt zur Antragsabweisung. Eine Verrechnung mit anderen Zeiträumen, in denen der Unterhaltsberechtigte weniger verlangt als ihm zusteht, findet nicht statt.