BGH, Beschluss vom 8.5.2013 – Unterhaltsrecht
Das Aufrechungsverbot gegenüber Unterhaltsansprüchen (§ 394 BGB i. V. m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO) gilt auch zugunsten von Trägern öffentlicher Sozialleistungen soweit diese Leistungen der Sozialhilfe/Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erbracht wurden und der Unterhaltsanspruch auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist.
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Urteil
Gericht : BGH Datum : 08.05.2013 Aktenzeichen : XII ZB 192/11 Leitparagraph : BGB §394 Quelle : FamRZ 2013, Heft 15 Kommentiert von : RA Simon Heinzel
Inhalt
Der Vater eines nichtehelichen Kindes hat in den ersten drei Jahren des Kindes für die Mutter des Kindes keinen Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB bezahlt. Das Jobcenter hat in dieser Zeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erbracht (ca. 12.000 Euro) und verlangt aus übergegangenem Recht der Mutter (Unterhaltsrecht) vom Vater des Kindes dieses Geld. Der Vater rechnet mit einem Darlehensrückforderungsanspruch gegen die Mutter in Höhe von 12.500 Euro auf und verweigert die Zahlung, wobei der Darlehensrückforderungsanspruch tatsächlich besteht. Sowohl Amtsgericht als auch Oberlandesgericht haben den Anspruch des Jobcenters stattgegeben, dies hat der BGH letztendlich damit bestätigt, dass das generelle Aufrechnungsverbot gegen Überhaltsansprüche auch in solchen Fällen gilt.
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Gemäß § 394 BGB kann nicht gegen sogenannte unpfändbare Forderungen aufgerechnet werden, zu den unpfändbaren Forderungen gehören auch Unterhaltsforderungen (§ 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Im Klartext heißt das, dass wenn ein Unterhaltspflichtiger aus anderen Rechtsgründen einen berechtigten Rechtsanspruch gegen den Unterhaltsberechtigten hat, kann hiergegen nicht aufgerechnet werden, d. h. der Unterhaltsanspruch muss bedient werden und der anderweitige Anspruch (im vorliegenden Fall ein Darlehensrückforderungsanspruch) muss gesondert geltend gemacht und durchgesetzt werden. Nach der Entscheidung des BGH gilt dies auch dann, wenn der Unterhaltsanspruch, wie hier, auf einen Dritten (Jobcenter) übergegangen ist. Das OLG hat den Gegenanspruch des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Jobcenter schon daran scheitern lassen, dass die Gegenseitigkeit der Forderungen fehle (§ 387 BGB). Dies hat der BGH anders gesehen und grundsätzlich eine Aufrechnungslage bestätigt, jedoch dann im Ergebnis wie das OLG den Gegenanspruch nicht berücksichtigt, wegen des grundsätzlichen Aufrechnungsverbotes, welches auch nach Abtretung bzw. nach gesetzlichem Übergang auf einen Dritten bestehen bleibt (BGH, FamRZ 1992, S. 306). Diese Frage war bis zur jetzigen Entscheidung des BGH höchst umstritten. So wurde die Auffassung vertreten, dass ein Träger öffentlicher Sozialleistungen sich nicht auf ein Aufrechnungsverbot berufen kann, weil auch der Pfändungsschutz „als Unterhaltsanspruch“ entfallen sei (Palandt/Grüneberg BGB 72. Auflage, § 394 Rdn. 1~ Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 8 Rdn. 77 u. a.). Die andere Ansicht will demgegenüber auch dem Sozialleistungsträger zubilligen, sich auf das Aufrechnungsverbot zu stützen, weil die übergegangene Unterhaltsforderung seinerzeit bei der Mutter dem Pfändungsschutz unterlag (OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, S. 1532~ Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 6 Rdn. 302 u. a.). Der BGH hat sich für die zuletzt genannte Auffassung entschieden und begründet dies über 4 Seiten hinweg. „Bemerkenswert“ an dieser Entscheidung ist, dass der Vorsitzende Richter des XII. Zivilsenates, Dose, seinen Kollegen aus dem XII. Zivilsenat, Richter am BGH Klinkhammer „überstimmt“ hat, nachdem beide in der Literatur (Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis) unterschiedliche Auffassungen vertreten haben. Der BGH hat nunmehr im Sinne seines Vorsitzenden Richters am BGH Dose entschieden.