BGH, Beschluss vom 8.5.2013 – Volljährigenunterhalt

  1. Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn es die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17. März 2004 – XII ZB 192/02 – NJW 2004, 2022 und vom 12. Dezember 2012 – XII ZB 190/12 – FamRZ 2013, 369).
  2. Auch in Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kann eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wirksam nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 – XII ZB 82/10 – FamRZ 2010, 1425).

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Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 08.05.2013 
Aktenzeichen    : XII ZB 624/12 
Leitparagraph   : BGB §1610, FamFG §114 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel 

Inhalt

Mit dieser Entscheidung weist der BGH darauf hin, dass dann, wenn die Erfolgsaussichten einer Klage von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Frage abhängt, und das OLG ausdrücklich auf diese ungeklärte Frage hinweist, das OLG Verfahrenskostenhilfe nicht einfach verweigern kann und seine Rechtsauffassung dem zugrunde legt, sondern grundsätzlich Verfahrenskostenhilfe bewilligen muss. Verweigert das Gericht Verfahrenskostenhilfe, führt dies zur Rückverweisung an das OLG. Dieses wird Verfahrenskostenhilfe bei Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bewilligen müssen, damit dann diese ungeklärte Rechtsfrage im normalen Erkenntnisverfahren geklärt wird und nicht im Verfahrenkostenhilfeprüfungsverfahren.

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Zugrunde lag der Fall, dass ein volljähriges Kind zunächst das Gymnasium besucht hat, dort die Fachhochschulreife erworben hat und danach zeitweise als Verkäuferin tätig war. Dann absolvierte das volljährige Kind ein freiwilliges soziale Jahr (2011/2012), um dann eine Ausbildung zur Erzieherin aufzunehmen. Für die Dauer der Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres hat das OLG Verfahrenskostenhilfe abgelehnt, mit dem Argument, in dieser Zeit gäbe es keinen Unterhaltsanspruch. Das OLG hatte sich jedoch auch mit divergierenden/abweichenden Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte auseinandergesetzt und erkannt, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu nicht vorliegt. So werden Auffassungen vertreten, wonach Unterhalt im freiwilligen sozialen Jahr nur dann geschuldet sei, wenn dies für die später beabsichtigte Berufsausbildung konkret nutzbar ist. Auf der anderen Seite soll grundsätzlich während des freiwilligen sozialen Jahres Unterhalt geschuldet sein, ohne dass es dieser „Berufsbezogenheit“ bedarf, mit dem Argument, das freiwillige soziale Jahr verfolgt aufgrund seiner Ausgestaltung in jedem Fall Ausbildungsziele wie „Zurechtfinden im Arbeitsleben“ etc. In der Rechtspraxis wird die Frage eines Unterhaltsrechtes während des sozialen Jahres sehr unterschiedlich gehandhabt, es bleibt zu hoffen, dass durch die hiesige Zurückverweisung diese Frage nunmehr außerhalb eines Verfahrenskostenprüfungsverfahrens bis zum BGH geführt wird und höchstrichterlich entschieden wird. Bis dahin bleibt es bei der aktuellen Rechtsunsicherheit zu dieser Frage.