Bundesverfassungsgericht: Vaterschaftsanfechtung "light" - bestehende rechtliche Familie wichtiger als Festellung der biologischen Identität des Kindes

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die bisherige Rechtsprechung zur Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater bekräftigt. Es ist mit dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar, den biologischen Vater von der Anfechtung soziale Familie zu schützen, vergl. Beschluss vom 4. Dezember 2013, 1 BvR 1154/10

Hintergründe und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer  ist überzeugt, biologischer Vater einer Tochter zu sein, die in die Ehe ihrer Mutter mit einem anderen Mann hineingeboren wurde. Der Ehemann ist rechtlicher Vater des Kindes. Die Beziehung der Mutter zum Beschwerdeführer endete, als das Kind vier Monate alt war. Seit das Kind elf Monate alt ist, lebt es mit der Mutter, deren Ehemann und mit den minderjährigen Geschwistern in einem gemeinsamen Haushalt.

Argumente der Gerichte: Soziale Beziehung zum rechtlichen Vater wichtiger als Beziehung zum biologischen Vater

Eine Vaterschaftsanfechtungsklage des Beschwerdeführers blieb erfolglos~ zur Begründung verwiesen die Fachgerichte im Wesentlichen darauf, dass die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater einer Anfechtung entgegenstehe. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer. Er hält den Gesetzgeber für verpflichtet, einem biologischen Vater die rechtliche Elternstellung einzuräumen, wenn hierdurch im konkreten Einzelfall weder Kindeswohl noch Familienfrieden gefährdet seien.

Argumentation des Bundesverfassungsgerichts:

Das Bundesverfassungsgericht argumentiert, der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, dass die angegriffenen Entscheidungen seine Grundrechte verletzten. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 2003 entschieden, dass es mit dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar ist, den mutmaßlichen biologischen Vater von der Vaterschaftsanfechtung auszuschließen, was im Übrigen auch der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht.

Dies gelte sogar auch, wenn der mutmaßliche biologische Vater vorträgt, vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut zu haben. In diesem Fall stehe ihm aber ein Recht auf Umgang mit dem Kind zu, das sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ableitet.

Hauptargument des obersten deutschen Gerichts:

Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass die angegriffenen Entscheidungen seine Grundrechte verletzen.

ISUV meint:

Es geht weniger um die Grundrechte des biologischen Vaters, sondern primär um das Grundrecht des Kindes seine Identität zu kennen und zu erfahren. Dazu gehört - nach allem was die moderne Biologie sagt - die Kenntnis beider biologischer Elternteile. Das gebietet die von der Bundesrepublik unterzeichnete UN-Kinderrechtskonvention.  Im Interesse der Kinder fordern wir die Rücksichtnahme auf das Kind und die Beachtung des Kindeswohls von "allen" Elternteilen.

Vergleiche hierzu auch frühere Stellungnahmen:

aus 2006 , aus 2008 , aus 2013