ISUV-Kolumne von Siegfried Willutzki: Wenig Reformeifer in Sachen Familienrecht

Dafür liegt es nahe, den Blick auf den Koalitionsvertrag zu richten, gehört es doch zum Mantra der Regierung: „Wir setzen um, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben!“ Doch wer bei der Lektüre dieses Papiers mit seinen 134 Seiten eine präzise Auflistung der für diese Legislaturperiode geplanten Gesetzesvorhaben zu finden hofft, sucht zumindest für das Familienrecht vergeblich. Die Ankündigungen bleiben genau so unbestimmt-wolkig wie die Wahlversprechen der Parteien in dem vergangenen Wahlkampf. In der Präambel des Koalitionsvertrages heißt es vielversprechend lapidar: „Wir wollen die Familien stärken!“ Auf der Suche nach inhaltlicher Präzisierung glaubt man unter dem Titel „Zusammenhalt der Gesellschaft“ in der Ziff. 2 „Familien stärken“ nun endlich fündig zu werden und wird doch nur erneut enttäuscht. Das einzige familienrechtliche Gesetzesvorhaben, das dort ausdrücklich angekündigt wird, ist die Zulassung der Sukzessivadoption für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die es dem Partner ermöglicht, das Adoptivkind seines Partners ebenfalls zu adoptieren, sodass beide Partner auf diesem Wege gemeinsam als gleichgeschlechtliches Paar die Elternrolle übernehmen können. Die Bewunderung für den gesellschaftspolitischen Mut der Koalition bei diesem Vorhaben hält sich allerdings sehr in Grenzen, ist doch klar, dass damit nur umgesetzt werden soll, was das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber unmissverständlich als verfassungsrechtlich geboten aufgegeben hat. Zu Recht haben darüber hinaus viele Fachleute, darunter der Deutsche Familiengerichtstag, bemängelt, dass die Bundesregierung sich auf die strikte Umsetzung der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts beschränkt und die Gelegenheit verpasst hat, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften das volle Adoptionsrecht wie Eheleuten einzuräumen, was die Karlsruher Verfassungshüter mit Sicherheit bei der nächsten Gelegenheit einfordern werden. Da nicht zu erwarten ist, dass das Parlament den Regierungsentwurf erweitern wird, könnte das Schmalspurgesetz wohl zum 30.6.2014 im Bundesgesetzblatt stehen.

 ~

Des weiteren arbeitet das BMJ nun intensiv an dem 2.Teil der Vormundschaftsreform, was bereits in der vergangenen Legislaturperiode als wichtige vordringliche Aufgabe angekündigt worden war. Neben der dringend notwendigen Ausgestaltung der persönlichen Betreuung des Mündels durch den Vormund und der Kriterien für dessen Auswahl sollen auch die Regelungen der Vermögenssorge überdacht und gestrafft werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese von der Praxis dringlich erwartete Reform in dieser Wahlperiode abschließen kann.

 ~

Damit ist die Zahl der konkreten Gesetzesvorhaben für diese Periode bereits weitgehend abgehakt. Allerdings sollte dem BMJ zugute gehalten werden, dass die familienrechtliche Abteilung in der letzten Wahlperiode harte Arbeit zu leisten hatte – erinnert sei beispielhaft nur an das Beschneidungsgesetz und die Neuregelung der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern – und darüber hinaus die Erweiterung des Aufgabenbereichs des Justizministeriums um die Verbraucherberatung, strukturelle und organisatorische Veränderungen mit sich gebracht hat, die Kräfte binden. Das bedeutet im Ergebnis, dass weitere familienrechtliche Problemfelder zur Zeit noch nicht konkret angegangen werden können, sondern zunächst die Entwicklung in diesen Bereichen intensiv verfolgt und beobachtet wird.

 ~

Das gilt vorrangig und im besonderen Maße für das heiß diskutierte Thema „Wechselmodell“, das gerade im Mittelpunkt zahlreicher Fachveranstaltungen in der gesamten Bundesrepublik steht, häufig mit Prof. Sünderhauf als Referentin, die maßgeblich an der ISUV-Broschüre zum Wechselmodell mitgewirkt hat. Hier zeichnet sich erfreulicherweise ab, dass das BMJ seine Aktivitäten zu diesem Thema nicht auf die bloße Beobachtung beschränken will. Nachdem im Koalitionsvertrag ein Forschungsprojekt zu dem Verhältnis von Gewaltschutz und Umgangsrecht unter Federführung des Familienministeriums vereinbart wurde, wird diskutiert, ob in Abstimmung mit dem Familienministerium der Forschungsauftrag nicht dahingehend erweitert werden könnte, dass bei den Untersuchungen zum Umgangsrecht die Ausgestaltungen des Wechselmodells mit einbezogen werden könnten. Ein solcher Schritt wäre als sinnvoll zu begrüßen, da es zu dieser Thematik in Deutschland bisher keine Forschungsergebnisse gibt. Allerdings muss man sich darüber im klaren sein, dass ein solches Forschungsprojekt, wenn es fundiert sein soll, drei bis vier Jahre brauchen wird, um verlässliches Datenmaterial zu liefern, auf dessen Grundlage dann gesetzgeberische Konsequenzen diskutiert werden könnten. Die notwendige Geduld hierfür wird das BMJ sicherlich aufbringen, die Gefühlslage betroffener Eltern und Kinder dürfte indes wesentlich stärker strapaziert werden.

 ~

Im Fokus der Beobachtung durch das BMJ steht auch die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse für das Pflegekind. Hierzu hat die Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstages jüngst wertvolle Anstöße geliefert. Bereits bei der Ausgestaltung der Reform des Vormundschaftsrechts wird schon der Zusammenhang mit der Regelung des Pflegekinderrechts beachtet werden müssen. Beispielhaft sei hier nur die sehr kontrovers diskutierte Frage genannt, ob es sinnvoll wäre, Pflegeeltern in Dauerpflegeverhältnissen zum Vormund des Pflegekindes zu bestellen.

 ~

Auch eine Umgestaltung des Abstammungsrechts wird wohl im Blick der Familienrechtler des BMJ bleiben. Wie rasch dieses Projekt vom Gesetzgeber angegangen werden muss, könnte sich möglicherweise in Straßburg entscheiden, da man sich nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Straßburger Richter die deutschen gesetzlichen Regelungen nicht nur für das Sorge- und Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters, sondern auch das Abstammungsrecht mit kritischen Augen betrachten.

 ~

Aktuell scheint es also, dass in dieser Legislaturperiode wenig an familienrechtlichen Neuerungen zu erwarten ist. Doch mit der Ruhe könnte es rasch vorbei sein, wenn wieder einmal die Karlsruher und Straßburger Richter den Gesetzgeber zum Handeln zwingen.