ISUV Kontaktstelle Ravensburg - Diplompsychologin Jacqueline Reuter: Wie erleben und bewältigen Erwachsene Trennung und Scheidung?
Früher war Scheidung die Ausnahme - Kinder fielen in ihrer Klasse auf, weil die Eltern geschieden waren. Sie schämten sich für die Eltern. Heute hat sich dies geändert, in jeder Klasse sind viele Kinder, deren Eltern geschieden sind. Heute gibt es ein großes "Beziehungsdurcheinander auf Grund von Trennung und Scheidung". Hintergrund der Instabilität von Ehe und Familie: Früher waren die Rollen eindeutig, heute müssen Beide alle Rollen erfüllen, das sorgt für Konflikte.
"Die Trennung beginnt beim Kennenlernen."
Man ist verliebt, "da ist ganz viel Verrücktsein dabei." Es fehlt der Realitätssinn, Unterschiede und Konflikte werden ausgeklammert. Das kann über Jahre gutgehen und wichtige Zielsetzungen können/werden ausgeklammert.
Problem Alltag: Im Alltag werden andere Werte gefragt als beim Verliebtsein: Zuverlässigkeit, Routine, Rituale, Sicherheit, Arbeitsteilung, Vaterrolle, Mutterrolle.
"Hauptursache für Trennung sind oft Kinder."
Wenn Kinder kommen, werden die Rollen und die Wertsetzungen neu verteilt und geregelt. Beide Partner erleben jetzt dann Alltag anders. Aber oft wird darüber nicht gesprochen.
Ein Konfliktpunkt kann auch noch sein, "wenn viel Geld bewegt wird." Dies kann der Hausbau sein oder Abschluss von Versicherungen, Geldanlagen,...
Problem und Anlass für die Trennung kann auch seinn, wenn ein behindertes Kind in der Familie ist.
"Ein Schritt zur Trennung ist auch, wenn die Paare nicht miteinander sprechen und Zweisamkeit abnimmt. Trennung beginnt auch immer ganz leise, Sprachlosigkeit nimmt zu."
Alarmzeichen ist auch immer, "wenn die Beziehung nur sachlich ist." Wenn die Anerkennung fehlt, "holt man sich dies von einem Dritten." Das kann die berufliche Karriere sein, das kann der Geliebte/die Geliebte sein, das können die Kinder sein". Ganz gleich wer der Dritte ist, er gibt Anerkennung.
Derjenige der Partner, der die Trennung will, ist erleichtert, wenn die Trennung vollzogen ist. Der Verlassene "steht in jedem Fall zuerst einmal schlechter da".
Beim Verlassenen werden vier Phasen unterschieden:
1. Hoffnung, dass der Andere wieder zurückkommt. Dafür werden alle Mittel eingesetzt - auch Sex. Problermatisch ist es besonders, wenn "Der andere, der ausgebrochen ist, alles mitnimmt, was er bekommt, aber sich nicht auf die Beziehung wieder einlassen will."
2. Phase des Trauerns - starke Stimmungsschwankungen: Angst, Rachegefühle, Verzweiflung, ... Das kann zu Depressionen und Burnout führen. "In dieser Phase verliert man vielfach das Selbstbewusstsein, es besteht die Gefahr von körperlicher Erkrankung."
Beachte: Wenn es der Seele nicht gutgeht, geht es dem Körper auch nicht gut."
Krankheiten können oft in Panikattacken münden. Helfen kann hauptsächlich, "wenn man das tut, was Spass macht."
Depressionen: "Depressive Gefühle hat wohl jeder, aber sie vergehen wieder." Depression als Krankheit erkennt man daran: Schuldgefühle, negative Sicht, Entscheidungen können nicht mehr getroffen werden, Erledigung von Alltagsproblemen klappt nicht, Erschöpfung, Minderwertigkeitsgefühle bis hin zu Selbstmordgefühlen.
Eine Therapie ist angesagt, wenn über Monate und Wochen negative Gefühle bestehen, wenn der Alltag nicht bewältigt wird, häufig konkrete Selbsttötungsvorstellungen bestehen.
3. Phase Neuorientierung: Man erkennt, dass persönliche Freiheiten bestehen, Trennung wird akzeptiert, man sieht den anderen realistischer. Eine neue Lebensidee entsteht. Problem ist, wenn weiterhin gerichtliche Verfahren am Laufen sind. In jedem Verfahren brechen alte unhd schon fast verheilte Wunden wieder auf. Elternschaft kann auch ein Problem sein, wenn sich die Ehe-maligen nicht verstehen, auch nicht in Bezug auf Kinder Über die Kinder wird man zurückgezogen in alte Schemata und Rollen. "Neue Partner reißen mögliche manchmal auch alte negative Gefühle auf."
4. Phase Verzeihen dem Partner - Leben mit einem neuen Konzept - "Nicht Alleine- leben können ist ein schlechtes Mittel für eine neue Partnerschaft." -Abgeschlossen ist die Trennung, "wenn man wieder in positiven Gedanken ist." Wichtig ist dem anderen ohne Groll begegnen zu können.
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