ISUV-Vortrag - Familienrichterin Manuela Teubel: Trennung – Scheidung – Die Richterin soll es „richten“ – kann sie es „richten“?

Viele Betroffene erwarten, dass die Richterin oder der Richter die „Wahrheit“ findet. Von der Richterin wird erwartet, dass sie das „richtet“, was die Betroffenen selbst nicht „richten“ konnten. Richterin Manuela Teubel leitete ein: „Ich bin Richterin geworden, weil ich helfen will, mit den Menschen zusammen ihre familiären Probleme zu lösen, so dass sie einen Neuanfang machen können. Wir begleiten die Menschen vom Anfang bis zum Ende des Scheidungsprozesses.” Das ist im Durchschnitt ein halbes Jahr. Das durchschnittliche Verfahren dauert im Gerichtsbezirk Würzburg etwa sechs Monate. „Ganz schnell geht es immer dann, wenn beide sich einig sind, dass die Ehe eine Schnapsidee war, wenn kein Vermögen da ist, wenn keine Kinder da sind, wenn beide sich einig sind, wenn die Ehe nur kurz war.“, stellte Manuela Teubel fest.

 ~

Grundsätzliches zum Verfahren:

Erster Schritt:

Die Richterin wird erst aktiv, wenn ein Betroffener über seinen Anwalt die Scheidung eingereicht hat. Man braucht nicht immer einen Anwalt, wenn man einen Anwalt braucht, dann sagt das der/die Familienrichter/in.

Es gibt den Grundsatz, dass die Richterin auch erst aktiv wird, wenn ein Verfahrenskostenvorschuss gezahlt ist. Wer nicht bezahlen kann, der muss einen Verfahrenskostenvorschuss beantragen. Man muss der Richterin auch mitteilen, welche Aspekte – Unterhalt, Zugewinnausgleich – streitig sind.

 ~

Regelung aller Fragen – dann Scheidung:

Des Weiteren muss auch mitgeteilt werden, wenn man ein Verbundverfahren will. Konkret heißt das, dass erst geschieden wird, wenn alle Unterhalts- und Vermögensfragen, alles Sorge- und Umgangsrechtsrechtsfragen geregelt sind. Das Verbundverfahren ist unter anderem auch aus Kostengründen zu empfehlen.

 ~

Immer muss die Richterin auch den Versorgungsausgleich regeln. Die Dauer des Verfahrens hängt nicht zuletzt auch oft davon ab, wie lange es dauert, bis die Rentenauskünfte offengelegt sind.

Manuela Teubel betonte, Richter wollen eine gute Lösung, aber sie sind dabei auf viele Informationen angewiesen, die von Anwälten und insbesondere von den Betroffenen selbst geliefert werden müssen. Nur dann ist die Richterin überhaupt in der Lage eine „richtige“, eine angemessene, eine praktikable Entscheidung zu treffen.

 ~

Das eigentliche Verfahren:

Bei jedem Verfahren findet mindestens ein Termin, ein Anhörungstermin statt. Die Betroffenen werden persönlich befragt. Es wird in „jedem Fall“ gefragt, ob die Ehe gescheitert ist. Die Familienrichterin betont allerdings gleich: „Es geht nicht darum schmutzige Wäsche zu waschen.“ Es geht auch nicht um Schuld, sondern um die Zerrüttung der Ehe. Am Ende steht die Frage: „Gibt es noch etwas zu sagen?“ Ist dies nicht der Fall, dann kann schon geschieden werden. In ganz wenigen Fällen kommt es vor, dass sich beide Partner wieder versöhnen.

 ~

Wissenswert auch, weil immer weniger selbstverständlich:

Termine beim Familiengericht sind nicht öffentlich, weil es um persönliche Dinge geht.

 ~

„Bitte nicht über den Hausrat streiten! Bitte sich intern einigen, so dass jeder auch die Gegenstände bekommt, die er will.“ Wenn um jeden Eierlöffel gestritten wird, dann ist das fürs Familiengericht ärgerlich. Die Teilung des Hausrates ist der Minimalkonsens, der zwischen den Ehe-maligen bestehen sollte.

 ~

Bekannt, aber im Verlauf des Verfahrens wird oft vergessen:

Eine Scheidung verzögert sich, umso mehr gestritten wird und umso mehr Vermögen vorhanden ist.

 ~

Als zeitlicher Rahmen gilt in der Regel:

Das Trennungsjahr sollte eingehalten werden. Ab wann die Trennung beginnt, kann manchmal umstritten sein. Der Auszug eines Partners ist aber immer ein klares Signal.

 ~

Auch die Form ist wichtig:

Die Richterin muss nicht alles regeln, das kann auch der Notar. Wenn eine Regelung halten soll, also daraus vollstreckt werden soll, ist eine Urkunde notwendig, nicht einfach ein formloser Zettel.

 ~

Erwartungen der Betroffenen bezüglich einer Lösung

„Natürlich arbeiten wir bei Gericht lösungsorientiert. Wenn man allerdings eine Lösung will, dann sollte keiner annehmen, die Richterin sagt das und das ist die Lösung. Man geht nicht zu Gericht und bekommt eine Lösung, man muss miteinander verhandeln. Die Lösung ergibt sich in einem familiengerichtlichen Verfahren aus einem kommunikativen Prozess.“

 ~

Beweise vorlegen:

Wenn nach Verhandlungen kein Einvernehmen herrscht, dann muss man seine Sicht der Dinge darlegen und vor allem beweisen. Auch Beweise sind oft problematisch: Welche sind objektiv, welche subjektiv, welche glaubwürdig, welche in Zweifel zu ziehen, welche werden vom Gericht anerkannt, welche nicht? Man kann Urkunden, Belege, Gutachten vorlegen sowie Zeugen. Teubel: „Wir bei Gericht suchen den Aufwand für Beweise klein zu halten, wir suchen als Familienrichter nach einer einvernehmlichen Lösung.“ Wichtig ist dabei mit den Betroffenen selbst zu verhandeln.

In der Kürze liegt die Würze:

Es kommt nicht auf die Länge der Schriftsätze an, sondern auf die überzeugende Argumentation, Schuldzuweisungen sind irrelevant. Auch vor Gericht gelten Benimm-Regeln, keine Beleidigungen!

 ~

Nur ein Gerücht:

Manuela Teubel widersprach der Auffassung, die Richter wollen Vergleiche, damit sie schnell die Akte vom Tisch haben. „Ein Urteil ist oft schneller geschrieben, als ein Vergleich ausgehandelt ist, eine Vereinbarung, die über mehrere Termine verhandelt werden muss. Manchmal gibt es aber auch Anwaltspärchen, die nicht miteinander können, dann wird es schwierig.“

 ~

Gut beachten:

Bei Fachfragen ist die Richterin auf Fachleute, auf Gutachter angewiesen, z. B. bei Immobilien, Autos, elterliche Sorge. Gutachter verteuern das Verfahren enorm. Als Grundsatz gilt: Je mehr Fachleute als Zeugen gehört werden müssen, umso länger dauert das Verfahren, umso teurer wird das Verfahren.

 ~

Bei aller Liebe und Sympathie:

Richter sind gezwungen nach Recht und Gesetz zu entscheiden, sich an Entscheidungen der obersten Gerichte zu orientieren. “Insofern ist es irrelevant, ob ich jemanden sympathisch finde oder nicht. Es kommt nur auf die rechtliche Relevanz an.“ Der Richter muss unparteiisch sein, er kann nicht mit einem allein sprechen. Im Rahmen des kommunikativen Prozesses hat die Verhandlung ein ganz besondere Bedeutung zur Lösungsfindung.

 ~

Grundlage eines Urteils:

Der Richter schreibt sein Urteil, so wie  vorgetragen wird, der Vortrag der Parteien ist die Grundlage des Urteils.

 ~

Systemisch denken und urteilen:

„Eine Lösung kann sich eigentlich erst dann ergeben, wenn man alles miteinbezieht – Eheleben, Rollen während der Ehezeit, Kinder, Verwandte, wirtschaftliche Verhältnisse, gesellschaftliche Verhältnisse. Dabei spielt natürlich auch der “richtige” Anwalt eine Rolle. Ich versuche als Richterin systemisch zu arbeiten, die ganze Familie, das familiale System einzubeziehen.“

 ~

Brauche ich einen Anwalt?

Grundsätzlich gilt bei Scheidungsverfahren Anwaltszwang, bei Sorge- und Umgangsregelungen kann man sich ohne Anwalt einigen. Wer ohne Anwalt kommt, sollte seinen Focus aufs Verhandeln legen, auf gute Argument, jedoch sich nicht als Rechtsexperte generieren.

 ~

Ergebnis:

Die Richterin kann es nicht „richten“, wenn die Ehe-maligen und die Anwälte es nicht wollen, sich unversöhnlich streiten, zu wenig und falsche Informationen liefern, vom Anwalt weitgehend „Redeverbot“ erteilt wurde. Die Richterin kann es „richten“, wenn beide Seiten offen sind für eine einvernehmliche pragmatische Lösung – nicht zuletzt im Interesse der Kinder. Vorausgesetzt dies ist erfüllt, kann die Richterin im persönlichen Gespräch mit den Betroffenen selbst eine faire praktikable Lösung vermitteln. Die Richterin ist sich bewusst, sie hat aber immer nur die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung haben immer die beiden Ehe-maligen. Schließlich ist diese Lösung von Beiden erarbeitet worden, entsprechend wird sie auch von Beiden getragen. Das ist so, weil die Beiden am besten wissen, was für sie wichtig ist, weil sie die persönlichen Verhältnisse am besten kennen, weil sie am besten wissen, was gut für ihr Kind ist.

 ~

Josef Linsler

 ~