Mehr als nur ein Urteil - Missbrauch des Vergewaltigungsvorwurfs - Einsicht der Justiz

Das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13.09.2013 ging durch die Presse. Sensationsthema: Eine Vergewaltigung die keine war, Missbrauch mit Vergewaltigungsvorwurf, angebliches Vergewaltigungsopfer muss fünf Jahre in den Knast, ... kurz wieder eine Geschichte zum Ausschlachten. Die eigentliche Sensation war kaum zu lesen:

Ein Gericht gesteht seinen Irrtum ein und entschuldigt sich.

Hintergrund

Mit einer erfundenen Vergewaltigung hatte eine Lehrerin (!) ihren Kollegen fünf Jahre ins Gefängnis gebracht: Nun muss sie selbst für fünf Jahre und sechs Monate in Haft. Das Landgericht Darmstadt verurteilte sie wegen schwerer Freiheitsberaubung. "Sie hat Horst Arnold zu Unrecht bezichtigt", sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Bunk in ihrer Begründung. Bunk entschuldigte sich für das Fehlurteil aus dem Jahr 2002. "Das ist nicht wiedergutzumachen." Aber das Gericht habe damals aufgrund der Beweislage nicht anders entscheiden können.

Die Lehrerin hatte Arnold 2002 vor einer anderen Kammer des LG Darmstadt beschuldigt, sie an einer Schule in Reichelsheim im Odenwald vergewaltigt zu haben.

Er blieb bis zum letzten Tag in Haft, weil er die von ihm verlangte Einsicht nicht zeigte, sondern stets seine Unschuld beteuerte.

Ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Kassel brachte 2011 einen Freispruch.

Die Entschuldigung des Gerichts konnte Arnold nicht mehr hören. Er starb 2012 an Herzversagen, ein Jahr nach dem Freispruch. Am Ende lebte er von Hartz IV. Sein Bruder Steffen Arnold (48) nannte die Äußerung des Gerichts "respektvoll".

Ein wirkliches Motiv für das Drama gibt es nach Ansicht des Landgerichtes nicht. Die Konkurrenzsituation am Arbeitsplatz sei nicht der eigentliche Auslöser gewesen. Die Frau habe eine psychische Störung, einen Hang zum maßlosen Übertreiben – und sei Erfinderin abwegigster Geschichten. Zum Vortäuschen ihrer Vergewaltigung habe sie sich Verletzungen selbst zugefügt – und sie glaubt an ihre Geschichte bis heute.

Die Verteidigung kündigte an, sehr wahrscheinlich Revision gegen das Urteil einzulegen. "Meine Mandantin war über das Urteil sehr schockiert", sagte Anwalt Torsten Rock. Er hatte einen Freispruch gefordert. Die Staatsanwaltschaft war mit dem Urteil zufrieden, sie hatte auf siebeneinhalb Jahre Haft plädiert. Auch der Staatsanwalt räumte ein: Die Verurteilung von Horst Arnold 2002 sei "ein Fehler der Justiz in der Gesamtheit" gewesen, also von Richtern, Staatsanwalt und Rechtsanwälten.