Oberlandesgericht Hamm zum Kindesunterhalt: Kein Pardon für Hartz-IV-Empfänger – oder doch?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat zur Unterhaltspflicht eines Hartz-IV-Empfängers ein viel beachtetes Urteil (2 UF 213/15) gesprochen. Das Gericht rechnete dem Mann in dem am 16.2. 2016 veröffentlichten Urteil ein fiktives Einkommen von 1300 EURO an. Daraus ergibt sich eine Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seiner dreijährigen Tochter von monatlich 236 EURO. Das Gericht verwies den Mann darauf, dass er gegenüber der minderjährigen Tochter eine „gesteigerte Unterhaltspflicht habe. „Juristisch ist das Urteil korrekt. Das OLG hält sich an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das hat in einem Beschluss vom 18.6. 2012 festgestellt, dass fiktive Einkünfte angerechnet werden können, wenn das tatsächliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht. Die Höhe der fiktiven Einkünfte richtet sich nach dem Einkommen, das der Unterhaltspflichtigeerzielen könnte, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit ausüben würde.“, stellt der ISUV-Vorsitzende Rechtsanwalt Ralph Gurk fest.

Im vorliegenden Fall war das Gericht davon ausgegangen, dass der 30jährige Mann, auch wenn er keine Berufsausbildung entsprechend eine zerrüttete Arbeitsbiographie hat und bisher nur Hilfsarbeiter-Jobs verrichtete, ein Einkommen von 1300 EURO netto erzielen kann. So viel hatte er vor seiner Arbeitslosigkeit als „Autowäscher“ verdient. Das OLG Hamm unterstellt, dass der Mann eine ebenso gelagerte Tätigkeit wieder finden könnte, wenn er sich ernsthaft und häufig bewirbt, wozu er auch als Hartz-IV-Empfänger verpflichtet ist.

Wie so oft im Familienrecht ist die entscheidende Frage, ob und wie das Urteil umsetzbar beziehungsweise durchsetzbar ist. Auf Grund der Erfahrung in ähnlich gelagerten Fällen muss die Durchsetzbarkeit in Zweifel gezogen werden. Gefragt ist in solchen Fällen eher Sozialarbeit. Zuerst muss laut ISUV „wieder Empathie und Verantwortungsgefühl fürs Kind einsetzen“, daraus erwachse dann auch Arbeitsmotivation. Natürlich sei auch immer die individuelle soziale und psychische Verfassung des Betroffenen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen dreißigjährigen Mann, ohne Berufsausbildung, mit häufig wechselnden Gelegenheitsjobs, gescheiterter Beziehung zu Kind und Mutter. Auf Grund der 40jährigen Erfahrung von ISUV mit ähnlich gelagerten Fällen sei zuerst Beratung und Berufsintegration angesagt, so dass der Mann dann voll ins Berufsleben integriert wird.

„Das Urteil hat sicher für Erwerbslose und Hartz IV Empfänger eine Signalwirkung, dass sie sich verstärkt bemühen müssen ihrer Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nachzukommen. Wie immer kommt es im Familienrecht auf den Einzelfall an. Allerdings bezweifle ich, dass durch dieses Urteil plötzlich alle Hartz-IV-Empfänger den Mindestunterhalt zahlen.“, dämpft der der ISUV-Vorsitzende die teils unrealistischen Erwartungen.

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