Vortrag von ISUV-Kontaktanwalt Lothar Wegener vor Mitgliedern der Kontaktstelle Schweinfurt: Elterliche Sorge nach Trennung und Scheidung - Wer darf was, wer hat wann welche Kompetenzen?
Grundsätzlich versteht man unter elterlicher Sorge die Gesamtheit der Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern. Die einzelnen materiellen-rechtlichen Regelungen finden sich in §§ 1626 ff. BGB.
Erwerb der elterlichen Sorge
Die elterliche Sorge steht beiden Eltern automatisch dann gemeinschaftlich zu, wenn ein Kind in bestehender Ehe geboren wird. Sind die Eltern des Kindes nicht miteinander verheiratet, so kann nach wie vor die gemeinsame elterliche Sorge dadurch hergestellt werden, dass eine so genannte Sorgerechtserklärung abgegeben wird. Die gemeinsame elterliche Sorge entsteht auch dann automatisch, wenn die bislang nicht miteinander verheirateten Eltern die Ehe schließen.
Seit dem Jahr 2013 kann der nichteheliche Vater auch durch einen besonderen Antrag an das Familiengericht die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß § 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB erreichen. Dies erfolgt dann, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung entgegenstehen können, wird vermutet, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht.
Ausübung der elterlichen Sorge
Die elterliche Sorge ist ein natürliches Elternrecht. Sie ist auch ein Abwehrrecht gegen staatliche Einmischung. Eltern müssen sich in Fragen der Ausübung des Sorgerechts einig werden. Bei Meinungsverschiedenheiten kann das Familiengericht auf Antrag tätig werden, ohne dass einzelne Sorgerechtsbereiche einem Elternteil zugewiesen werden müssen.
Zur Ausübung der elterlichen Sorge gehört auch jeweils die Vertretung des Kindes nach außen.
Getrenntleben
Leben die Eltern dauerhaft voneinander getrennt oder sind die Eltern geschieden, bleibt es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. Insoweit wird nicht unterschieden zwischen verheirateten und nicht-verheirateten Eltern. Die gemeinsame elterliche Sorge bleibt solange bestehen, bis auf Antrag oder von Amts wegen ein Familiengericht eine anderweitige Entscheidung über das Sorgerecht trifft. Das gemeinsame Sorgerecht kann nicht durch Vereinbarungen der Eltern geändert werden.
Sorgerechtsübertragung
Im Falle von Trennung und Scheidung stellt sich häufig sehr schnell die Frage nach einem Sorgerechtsverfahren. Oftmals erfolgt dies aus Unwissenheit darüber, wie weit im Falle der Trennung das Sorgerecht des jeweils betreuenden Elternteils reicht. Der Gesetzgeber geht vom sog. Residenzmodell aus. Das Kind lebt überwiegend bei einem Elternteil (gewöhnlicher Aufenthalt), hält sich aber auch bei dem anderen Elternteil regelmäßig auf. Es ist zu unterscheiden:
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Elternteil, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat
Auch dann bleibt es bei Angelegenheiten deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist dabei, dass die Eltern ein gegenseitiges Einvernehmen herstellen müssen, § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB.
Zur Beantwortung der Frage, welche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind, ist eine Vielzahl von Entscheidungen ergangen. So wurde insbesondere für folgende Angelegenheiten diese Frage bejaht: Familienname des Kindes, Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, Taufe, Kommunion oder Konfirmation des Kindes, Aufenthaltsort des Kindes, Umzug des Kindes, die Beantragung von Ausweisdokumenten, Urlaubsreisen, Schulbesuch oder Kindergartenbesuch, die dauerhafte Behandlung des Kindes mit Medikamenten (z.B. Ritalin), das Übernachten bei Drittpersonen, längerer Auslandsaufenthalt eines Elternteils.
Der Elternteil, bei dem das Kind sich gewöhnlich aufhält hat aber die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Diese Vorschrift dient der Praktikabilität und der Akzeptanz der Beteiligten. Sie bedeutet auch insoweit das alleinige Vertretungsrecht. Dieses Vertretungsrecht umfasst auch Angelegenheiten des Kindesunterhalts, es sei denn, die getrennt lebenden Eltern sind noch nicht geschieden.
Angelegenheiten des täglichen Lebens sind solche Angelegenheiten, die häufig vorkommen und Entscheidungen mit sich bringen, die ohne großen Aufwand und in der Regel auch ohne Abänderbarkeit getroffen werden können. Man spricht insoweit auch von der so genannten Alltagssorge. Dazu gehört beispielsweise der Schulalltag einschließlich der Teilnahme an einem Tagesausflug und einer üblichen Klassenfahrt, die tägliche Pflege, Nahrung, Kleidung, Hygiene~ Routineerlaubnisse zur Freizeitgestaltung (Sport, Hobbys, Fernsehkonsum, Diskothekenbesuch); Alltagsumgang mit Klassenkameraden und Freunden~ die gewöhnliche medizinische Versorgung bei leichteren Krankheiten einschließlich üblicher Schutzimpfungen. Dazu gehören auch Taschengeld und Verwaltung kleinerer Geldgeschenke.
Elternteil, bei dem das Kind nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sondern bei dem in der Regel der Umgang ausgeübt wird
Dieser Elternteil hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung, § 1687 Abs. 1 S. 4 BGB. Insoweit dann auch das Vertretungsrecht, aber nicht in Angelegenheiten des Kindesunterhalts.
Unter Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung versteht man diejenigen Entscheidungen, die zur Erfüllung der Aufgabe der Obhut erforderlich sind. Hierzu gehören Ernährung, Schlafenszeit, Fernsehkonsum, Handybenutzung, Smartphone usw.
Zur Lösung von Konflikten zwischen Eltern auf der Ebene des Sorgerechts (und/oder des Umgangs) sind unter Mitwirkung der Familienrichter, der im Familienrecht tätigen Rechtsanwälte und des Jugendamts beim Amtsgericht Schweinfurt Verfahrensschritte im Rahmen eines Leitfadens für Kindschaftssachen entwickelt worden. Dieser Leitfaden erfreut sich einer hohen Akzeptanz und wird im Alltag des Amtsgerichts in entsprechenden Verfahren praktiziert. Er dient dazu, in streitigen Kindschaftssachen die Eltern zu einer eigenen Entscheidung zu führen.
Lothar Wegener - Fachanwalt für Erbrecht - Schwerpunkt Familienrecht