Wir fragten den rechtspolitischen Sprecher der FDP Stephan Thomae: Wie steht es mit der Entkoppelung von Kinderfreibetrag und Mindestunterhalt?

Sehr geehrter Herr Thomae,

kann es sein, dass die Union – und mit ihr die FDP - beim Vorschlag den Kinderfreibetrag erheblich anzuheben nicht an die Geschiedenen und Zweitfamilien gedacht hat?

Uns liegen vier weitere fast gleichlautende Schreiben von Zweitfamilien vor, die auch auf folgenden Missstand hinweisen.

„Mit Entsetzen habe ich die Pläne der Union vernommen, wonach sie den sog. Kinderfreibetrag auf das Niveau von Erwachsenen, d.h. um rund 20% von jetzt 7008 € auf dann 8352 € anheben möchte.

Da wir, mein Mann, unsere beiden Kinder und ich, eine „Zweitfamilie“ sind und mein Mann unterhaltspflichtig ist, würde dies für uns bedeuten, wie schon 2010 als Folge des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, dass sich alle „Erstfamilien“ und Unterhaltsberechtigten um uns herum über ein Plus in der Familienkasse freuen dürften, während uns, wie vielen anderen Zweitfamilien auch, wieder ein Minus ins Haus stünde.

Nach § 1612a BGB richtet sich der Mindestunterhalt nach dem Kinderfreibetrag~ er beträgt monatlich die Hälfte eines Zwölftels des doppelten steuerlichen Existenzminimums, d.h. derzeit (Düsseldorfer Tabelle 2013) mindestens 426 € für Teenager, zu denen die Hälfte des Kindergeldes als tatsächlich zur Verfügung stehender Betrag hinzugerechnet werden muss. 518 € monatlich stehen also derzeit einem unterhalts-berechtigten Kind der dritten Altersstufe als Minimum zu (plus ggfs. Sonder- und Mehrbedarf).

Bei einer Anhebung des Freibetrags um rund 20% würde der Mindestunterhalt von 426 € auf ca. 510 € steigen, sodass jedem Kind mindestens 602 € zur Verfügung gestellt werden müssten~ falls gleichzeitig, wie geplant, das Kindergeld um 35 € steigen würde, betrüge der monatliche Mindestbetrag etwa 602 € + 35/2 € = 619,50 (620) €.

  • Wie ist ein Bedarf von mindestens 600-620 €  monatlich zu rechtfertigen, v.a. wenn man ihn mit den staatlichen Leistungen (z.B. Alg-II) vergleicht?
  • Wie ist zu rechtfertigen, dass ein z.B. 13-jähriges Kind einen Bedarf haben soll, der nur knapp unter dem eines erwachsenen Alg-II-Empfängers oder eines auf Grundsicherung angewiesenen Rentners liegt, obwohl für Letztere, anders als für das Kind, eine komplette Wohnung, Versicherungen etc. finanziert werden müssen?
  • Wie ist zu rechtfertigen, dass der sog. Selbstbehalt, der das Maß der „Leistungsfähigkeit“ darstellt, dann keine 400 € über dem Mindestunterhalt für Teenager läge, obwohl auch hier andere Lebenshaltungskosten anfallen und nicht zuletzt auch die Kosten des Umgangs finanziert werden müssen? Das Verhältnis von Unterhalt und Selbstbehalt (bei gleichzeitig gesteigerter Arbeitspflicht), das schon jetzt problematisch ist, wäre dann vollends absurd. Darauf hat auch schon Jürgen Soyka, Richter am OLG Düsseldorf, hingewiesen.
  • V.a. aber, wie begründen Sie, dass der „Bedarf“ plötzlich um 20% steigt, nachdem er schon 2010 durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz um 13 % gestiegen war? Dass das OLG Düsseldorf „Nullrunden“ durchgeführt hat, es also keine weitere Anhebung der Tabellensätze gab, spricht in diesem Zusam-menhang für sich und kann als „Ausgleich“ bzw. Korrektur des überhöhten Anstiegs von 2010 interpretiert werden.

Hier die Antwort von Stephan Thomae:

""Das Ziel, den Kinderfreibetrag an den Freibetrag für Erwachsene anzupassen, ist grundsätzlich richtig. Es entlastet Familien mit Kindern und dient dem Kindeswohl, da es einen höheren Mindestunterhalt für ein Kind zur Folge hat.

Bei der konkreten Ausgestaltung dieser Pläne müssen wir jedoch genau auf die Auswirkungen achten. Die geplanten Änderungen müssen so vorgenommen werden, dass ein gerechter Ausgleich zwischen allen Beteiligten stattfindet – dazu zählen auch Zweitfamilien. Deshalb hat die FDP sich auch für eine schrittweise Anhebung der Freibeträge von Kindern entschieden.""

ISUV meint:

1. Kinderfreibetrag und Mindestunterhalt müssen entkoppelt werden, weil die Koppelung zu ungerechten Lösungen führt.

2. Ein Anhebung des Kinderfreibetrags/Kindergeldes muss allen Familien gleichermaßen zugute kommen: Erst- und Zweitfamilien sowie nichtehelichen Partnerschaften mit Kindern.

3. Grundsätzlich wird kritisiert, dass die Unterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle spätestens 2010 aus dem Ruder gelaufen sind. Wir fordern eine Korrektur.

 ~