BGH: Auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist durch Artikel 6.1 geschützt, aber die Ehe ist privilegiert

Aus dem BGH-Beschluss vom 9. März 2016 – XII ZB 693/14

„Allerdings ist der Rechtsbeschwerde zuzugeben, dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG auch für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit Kindern eröffnet ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern mit Kindern als Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Für den Schutz durch das Familiengrundrecht kommt es nicht darauf an, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht~ der Familienschutz schließt auch die nichteheliche Familie ein. Das Familiengrundrecht garantiert als Abwehrrecht insbesondere das Zusammenleben der Familienmitglieder und die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden (BVerfG FamRZ 2013, 521, 525 mwN).

Jedoch wäre Art. 6 Abs. 1 GG nicht verletzt. Wegen des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrages ist der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, die Ehe als rechtlich verbindliche und in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten (etwa bei Krankheit oder Mittellosigkeit) ausgestattete dauerhafte Paarbeziehung gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG bildet einen sachlichen Differenzierungsgrund, der in erster Linie zur Rechtfertigung einer Besserstellung der Ehe gegenüber anderen, durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägten Lebensgemeinschaften geeignet ist. Art. 6 Abs. 1 GG gestattet dem Gesetzgeber, die besonderen, auch gesamtgesellschaftlich dienlichen Lasten, die jeder Ehegatte mit dem Eingehen der Ehe übernimmt, durch die Gewährung einfachgesetzlicher Privilegierungen etwa bei Unterhalt, Versorgung, im Pflichtteils- oder im Steuerrecht zumindest teilweise auszugleichen und damit die Ehe besser zu stellen als weniger verbindliche Paarbeziehungen (BVerfG FamRZ 2013, 1103 Rn. 83~ vgl. auch Maunz/Dürig/Badura GG [Stand: September 2015] Art. 6 Rn. 55 mwN).“