Scheidung & Trennung - Erfahrungen in der Pandemie: Abwarten – Aufschieben – auf bessere Zeiten hoffen

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) führte im Oktober 2020 eine repräsentative Umfrage unter  Anwältinnen und Anwälten für Familienrecht Deutschlands durchgeführt. Sie bezog sich auf den Zeitraum von Mitte März bis Ende Mai. Inzwischen hat sich allerdings einiges geändert, wohl eher zum Besseren.

Ob Lockdown, Lockdown light oder Bewegungsfreiheit – das private Leben geht weiter. Kommt es hier zu Konflikten, landen diese meist bei Anwältinnen und Anwälten für Familienrecht. Ein höheres Mandatsaufkommen verzeichnete während der ersten Pandemiewelle allerdings nur jeder zehnte Familienrechtler. Die Kommunikation mit Mandanten lief oft telefonisch, für digitale Kommunikation sind die meisten Kanzleien aber auch gut ausgestattet. Für Gerichte und Jugendämter galt das nicht. Das geht aus einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hervor. Die Antworten räumen auch mit einem hartnäckigen Pandemiegerücht auf. Soweit die Sicht des DAV, unsere Erfahrungen unterscheiden sich teilweise.  

Die Umfrage räumt mit dem Gerücht auf, dass während der Corona-Krise die Zahl der Scheidungsberatungen zugenommen hätte. Die Antworten deuten vielmehr auf Stagnation – oder gar Rückgang. Rechtsanwältin Eva Becker, Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV, mutmaßt dahinter auch wirtschaftliche Gründe: So würden getrennte Paare vielleicht eher als WG weitermachen, bevor sie in dieser unsicheren Situation zum Anwalt gingen.

Unsere Erfahrung: Das deckt sich mit unseren Erfahrungen, die bestehende ehe oder Partnerschaft wird in Zeiten der Pandemie als doch eher als „als sicherer Hafen“ eingestuft. Viele zuvor trennungswillige Paare haben die Trennung aufgeschoben und sich mit einem Modus Vivendi abgefunden. Nicht zuletzt der Kinder wegen hat man versucht sich zu arrangieren.  

Die Hälfte der Anwältinnen und Anwälte berichten, dass das Mandatsaufkommen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie weitgehend gleichgeblieben ist. Bei den Anwältinnen und Anwälten, die eine Zunahme der Mandate verzeichneten, bezogen dies knapp 70 Prozent auf Kindschaftssachen, also Sorgerechts- und Umgangsverfahren, rund 24 Prozent auf Gewaltschutzverfahren und 35 Prozent auf Unterhaltsverfahren.  

Mehr als 80 Prozent der Familienrechtlerinnen und -rechtler verzeichneten der Mandate. Neben Besprechungsabsagen oder dem Ausfall von Mitarbeitenden lag das auch an der Betreuung der eigenen Kinder. Gerade in den ersten Wochen der Krise war die Anwaltschaft nur in wenigen Bundesländern als systemrelevant anerkannt – damit war der Zugang zur Notbetreuung der Kinder verwehrt. Nach hartnäckigem Engagement des DAV wurde die Anwaltschaft in 13 Bundesländern als systemrelevant eingestuft.

Mehr als 97 Prozent der Anwältinnen und Anwälte berichten, dass die Amtsgerichte weniger Familiensachen terminierten: Mehr als die Hälfte der Befragten spricht von einem kompletten Prozess-Stillstand von Mitte März bis Ende Mai. Die ausgefallenen Termine wurden in der Zwischenzeit jedoch fast vollständig nachgeholt.

Unsere Erfahrung: Das war so m März und April, es gab eine Notbesetzung beim Jugendamt und an den Familiengerichten. Das war und ist beim jetzigen Lockdown anders, die Gerichte funktionieren. Jugendämter leben weiterhin sehr stark vom unterschiedlichen Engagement und der Risikoeinschätzung der einzelnen Mitarbeiter*innen. Allerdings war im März und April die Erreichbarkeit und Kommunikation der Anwälte sehr unterschiedlich.

Digitalisierung: Kanzleien top, Gerichte und Jugendämter mit Verbesserungspotenzial
Es geht um Erreichbarkeit, das hat mit Digitalisierung nichts zu tun. Kommunikation mit den Mandanten lief während der ersten Pandemiewelle vor allem telefonisch (65 Prozent) oder in persönlichen Besprechungen (22 Prozent). Auf elektronischem Weg sprachen nur rund 12 Prozent mit ihrer Mandantschaft. „Im Familienrecht geht um hochemotionale Fragestellungen – viele Mandanten dürften sich wohler fühlen, wenn sie persönlich oder am Telefon darüber sprechen als an einem Bildschirm“, sagt Rechtsanwältin Becker. Das ist richtig, aber das geht schon je nach Empathie der Anwältin oder des Anwalts.

Anders als Unternehmen verfügten auch nicht alle Privatpersonen über die technische Ausstattung für eine Videokonferenz. – Durchaus können dies viele Privatpersonen. Das ist inzwischen kein großer Act.  „Die technischen Voraussetzungen dafür hat die überwiegende Zahl der Kanzleien aber geschaffen – und das schon in der ersten Welle“, fügt die Vorsitzende hinzu. Der Umfrage nach sagen 97 Prozent der Anwältinnen und Anwälte, dass ihre Kanzlei für den elektronischen Datenaustausch ausreichend ausgestattet war und ist. –

Unsere Erfahrung: Die Unterschiede zwischen Kanzleien sind sehr groß. Natürlich kann man auch in der Pandemie Mails hin und herschieben. Entscheidend ist, wie Kommunikation – Schriftsätze via Online-Gespräch veranschaulicht und besprochen werden. Manche Kanzleien wollen sich nicht auf Online einlassen, aus welchen Gründen auch immer. Andere Kanzleien sehr im Online-Austausch mit dem Mandanten eine Chance, Zeit und Wegekosten zu sparen sowie aktuell und zeitnah auf den Mandanten einzugehen.

Für die Gerichte und Jugendämter lässt sich das nicht sagen: Soweit familiengerichtliche Verfahren in der ersten Welle stattfanden, passierte dies in nicht einmal einem Prozent der Fälle als Video- oder Telefonkonferenz. „Bei den Gerichtsverfahren per Videokonferenz bescheinigt die Umfrage den Gerichten durchaus noch Nachholdbedarf“, bestätigt Rechtsanwältin Becker. Sie gibt aber zu bedenken, dass die Antworten sich auf das Frühjahr bezogen. Vielfach sei nachjustiert wurden. „Die Pandemie hat auch die Digitalisierung in der Justiz nach vorne katapultiert." Sowohl die Digitalisierung der Verfahren als auch die

Die elektronische Erreichbarkeit der Gerichte bewertet nur jede Dritte als gut. Mehr als 40 Prozent halten sie für weniger gut. Die Jugendämter und Beratungsstellen schneiden noch schlechter ab: 63 Prozent der Anwältinnen und Anwälte bewerten sie als weniger gut.

Unsere Erfahrung: Im März und April war eine gewisse Ratlosigkeit, wie die Auflagen mit den vorhandenen Gegebenheiten erfüllt und der „juristische Betrieb“ zumindest im Sparmodus aufrechterhalten werden kann. Inzwischen haben die Gerichte reagiert und sind meist up to date. Was Jugendämter anbelangt, so hat sich wenig geändert. Vor allem wird bemängelt, dass der begleitete Umgang oder schon vereinbarte Gespräche abgesagt wurden und werden. Dies führte in der Vorweihnachtszeit mehrfach zu Ärger. Hier besteht Nachholbedarf in Bezug auf die Nutzung von Skype und Co. Online Gespräche sind oder die Beobachtung von begleitetem Umgang ist so möglich und auch sinnvoll.

Quelle DAV