"Kinderrechte in die Verfassung"

!!::Öffentliche Anhörung der Kinderkommission zum Thema::
!!::"Kinderrechte in die Verfassung"::
::Berlin, Paul-Löbe-Haus, Raum 2.200, 20.11.2006, 13.00 - 16.00 Uhr::

Vorgeschichte
Am 20. November 1959 wurde von den Vereinten Nationen eine "Deklaration über die Rechte des Kindes" einstimmig verabschiedet, die mit weiteren Ergänzungen 30 Jahre später - am 20. November 1989 -, als "übereinkommen über die Rechte des Kindes" von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und den Staaten dieser Welt zum Beitritt angeboten wurde.
Von allen UN-Konventionen erhielt sie mit 192 Mitgliedsstaaten den bisher größten Zuspruch.
Sie ist auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden und am 5. April 1992 in Kraft getreten. In den Dokumenten jener Zeit wurde die Konvention von Deutschland zwar begrüßt (BGBl. II S. 990, 10. Juli 1992), aber entsprechend den noch heute gültigen Vorbehalten blieben große Teile des innerstaatlichen Rechts davon unberührt.
Die Bundesregierung übertrug ihre Informationspflicht auf die National Coalition, die heute noch als einzige deutsche "Nichtregierungsorganisation" arbeitet.
Auch bei der Entwicklung von zwei neueren Zusatzprotokollen (Kindersoldaten und Kinderhandel) im Hohen Kommissiariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen hielt sich Deutschland eher zurück. Seit der Prüfung des ersten deutschen Staatenberichts am 6./7. November 1995 ist das UN-Komitee für die Rechte des Kindes einem Vorschlag der deutschen Regierung gefolgt, der Konvention über die Rechte des Kindes verfassungsrechtlichen Status zu geben.
Dieser Weg soll wohl nun fortgesetzt werden.

Öffentliche Anhörung am 20.11.2006
Die Kinderkommission hatte 10 Fragen zusammengetragen (KiKo, Drucksache 16/11 vom 9.11.2006) die sie den Experten vorlegte, zu denen Statements, teils schriftlich vorab, abgegeben wurden. Eine Fragerunde der Mitglieder der KiKo folgte. Schließlich wurde in einer Schlussdiskussion (mit Ministerin v.d. Leyen) das Ergebnis zusammengetragen.
Das überraschende war zunächst, dass niemand die Aufnahme der Konvention in das Grundgesetz ablehnte. In der Diskussion kamen lediglich - allerdings selten begründete - Unsicherheiten über die Folgen auf. Es fehlt hierzu die klare Trennung von Grundrechten und den gesetzlichen Normen, die in Art. 6 GG noch sauber zwischen Eltern mit ihren natürlichen Rechten/Pflichten und dem staatlichem Wächteramt vorhanden sind.
Leider entwickelten aus der in Frage 1 formulierten Teilfragen einzelne Teilnehmer ein "Dreiecksverhältnis" zwischen Kind-Eltern-Staat, das in der Gesellschaft real nicht existieren kann, weil eindeutig mit der Konvention für alle das Kind betreffende Maßnahmen das Wohl des Kindes im Vorrang zu stehen hat. Das betrifft nicht nur "Rechte", über die justitiabel gerichtet werden kann, sondern ist Order für alle Institutionen des Staates - nicht nur seine Jurisprudenz -. Die Staaten haben "unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit" (KRK, Art. 3 und 4) die besten Interessen des Kindes zu sichern, auch nicht für 90% der Kinder oder so, sondern in jedem Einzelfall! Damit lösen sich die viele der Teilfragen in der ersten Frage des verteilten Katalogs 16/11.
Die Leitlinien der Konvention sind damit auch nicht mehr "Staatsziel", wie z.B. das Tierschutzgesetz, sondern als eigenes Grundrecht der Kinder anerkannt.

Es verbleiben sicher noch Antworten auf die bestmögliche Einordnung ins Grundgesetz, wobei die Mehrheit der Meinungen zu einem eigenen Artikel 6a des Grundgesetzes tendierte. Es wurde aber auch erkannt, dass Artikel 6 GG "nur" Familie und Ehe betrifft, die UN-Kinderrechtskonvention aber alle Institutionen des Staates anspricht und daher ein eigener Platz im GG vorteilhaft wäre.
Nach der Stellung der Kinder in einzelnen Landesverfassungen wurde noch gefragt, die über die Grundrechtstellung der KRK in Verbindung mit Art 25 GG gelöst erscheint und damit dann gegenstandslos wird.

Außerhalb der Anhörung selbst hatte die Kinderkommission noch ihr Arbeitsprogramm für die 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestags ausgelegt (Kommissionsdrucksache 16/02)  16/02 / Kinderkommission.de.
Leider sind dabei zwei Mandate der Vereinten Nationen chaotisch verwechselt und miteinander verstrickt worden.
Dort ist auf Seite 7 in den ersten beiden Absätzen richtig die erste Aufgabe der Umsetzung der UN-Kinderkonvention gemäß Artikel 44, Abs.1, Buchstabe a des übereinkommens über die Rechte des Kindes aufgenommen.
Dann aber erfolgt ein Sprung zu dem sachverwandten, aber völlig anders konzipierten zweiten Mandat, dem Welt-Kindergipfel im Jahr 2002 mit dem Programm "A World Fit For Children". Dieses ist ein Sonderprogramm der UN-Generalversammlung, eine Aufforderung an die Teilnehmerstaaten, sich in ihren Zielen selbst darzustellen. Es ist kein Ersatz für die Staatenberichte an die Vereinten Nationen, die im Hochkommissariat für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) juristisch detailgenau nach den Konventionstexten überwacht werden.
Infolge des großen Arbeitsanfalls (sieben überwachte Konventionen für fast 200 Mitgliedsstaaten) hat sich diese Bearbeitung in den UN verzögert. Deswegen wurde in einer Reform 2006 der UN-Menschenrechtsrat gegründet, der mit leistungsfähigeren Methoden zumindest die Arbeit des zweiten Mandats erledigen soll:
a. Die Menschenrechtsberichte werden für jeden Staat (unter Einbeziehung der Kinderrechtskonvention und aller Zusatzprotokolle) zusammengefasst und sollen jährlich vorgelegt werden.
b. Spezielle Berichte werden von ausgesuchten Berichtern nach regionalen oder fachlichen Qualifikationen durch Staatenbesuche (z.B. erstes Beispiel in Deutschland: Besuch von Hr. Munoz im März 2006 zum Thema Erziehung) erstellt. Weiter sind auch die europäischen Aktivitäten in Europarat und der Europäischen Union (besonders die Verordnungen der Kommission) von überragender Einwirkung für den weiteren Ablauf der materiellen Kinderrechte in Deutschland festgelegt.

Weitere Entwicklung
Die Verfahren zu allen Menschenrechtskonventionen laufen bei der UN-HCHR Ausschüssen weiter. Es ist aber sicher, dass noch vor dem nächsten Prüfungstermin des zusammenzulegenden 3. und 4. deutschen Staatenberichts zur UN-Konvention über die Rechte des Kindes (der zum 05.04.2009 terminiert ist) die Veränderungen in UN und Europa wirksam greifen.
Bei den Vereinten Nationen ist ein eigener Ausschuss zur Koordination der Menschenrechte IASC - Inter Agency Standing Committee, ca. 100 qualifizierte Experten, darunter kein Deutscher) entstanden.
In Europa sind u.a. schon die Verordnungen (EG) Nr.2201/2003 und die Europäische Strategie zu den Rechten des Kindes KOM(2006)367 wirksam, die im Rahmen des Haager Programms viele Einzelheiten der bisherigen Staatenberichte vorwegnehmen und damit zu beachtlichen Verfahrensbeschleunigungen und Einsparungen in allen Institutionen führen.

Deswegen wäre eine Vorschau hier sehr hilfreich gewesen. Doch weder die Abgeordneten der Kinderkommission noch die befragten Experten gingen darauf ein. Der Grund dafür ist wohl ihr Unwissen infolge der bisherigen Weigerung der Bundesregierung, hierüber öffentlich zu informieren. Erst neuerdings erst hat diese eine Regelung mit dem Bundestag getroffen, diese wichtigste demokratische Entscheidungsstelle darüber zu informieren (Drucksache 16/2620).

Herbert Ebel
Bundesbeauftragter für die Wahrnehmung der Kinderrechte bei Europäischen Gremien

Den vollständigen, mit Bildern versehenen Bericht von der Veranstaltung können Sie unter ((aktuelle Berichte|Aktuelle Berichte)) nachlesen.

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