Reform des Unterhaltsrechts "in trockenen Tüchern"

Reform des Unterhaltsrechts "in trockenen Tüchern"
aber auf der Zielgeraden doch noch einmal ins Straucheln geraten ...

Mindestens seit Anfang 2005 wird an der Reform des Unterhaltsrechts gearbeitet, in Berlin in der Bundespolitik, aber auch beim Verband in Nürnberg.
Anfang 2005 hatten wir unsere Forderungen im BMJ präsentiert, die anfangs manchem gefährlich kühn erschienen,
* die Bereinigung der Unterhaltsrangbestimmungen und die Gleichstellung aller Kinder
+ unter Einstellung in den ersten Rang,
* die Gleichstellung aller Kinder betreuenden Elternteile im zweiten Rang,
* die Verstärkung des übergeordneten Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit nach Trennung und Scheidung,
* einen Einstieg in die grundsätzliche Befristung und Begrenzung von nachehelichem Ehegattenunterhalt u.a.m.,
die aber grundsätzlich auf der Linie der Planungen des BMJ lagen.

Wäre nicht der deutsche Bundestag 2005 aufgelöst worden und hätte sich nicht dadurch mancherlei verzögert, würde der im Mai 2005 auf den Tisch gekommene Referentenentwurf einer Reform möglicherweise schon eher weiter behandelt worden sein.
So kam ein Regierungsentwurf eben erst unter der neuen Regierung zustande.

Wir haben im Report mehrfach darüber berichtet.

In der Schlußphase der Beratungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, nach der öffentlichen Anhörung der Experten am 16.10.2006 in Berlin, vor dem Einbringen des Entwurfs zur zweiten und dritten Lesung in den Bundestag zur dann folgenden abschließenden Abstimmung und überweisung an den Bundesrat zur abschließenden Stellungnahme, gab es unerwartete Widerstände.

In Vorgesprächen hatte sich abgezeichnet, daß konservative Kreise in den Unionsparteien unmittelbar vor Abschluß der Bearbeitung im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages noch einmal Einsprüche erhoben hatten, was zu einer Verzögerung der zweiten und dritten Lesung und der abschließenden Abstimmung im Bundestag führte und - über Befassung des Bundesrats und Unterschrift des Änderungsgesetzes - das In-Kraft-Treten dieser lang erwarteten Reform zum 01.07.2007 noch einmal sehr wohl hätte gefährden können.
Die Gleichstellung aller, auch der nichtehelich geborenen Kinder im ersten Unterhaltsrang erwies sich als für alle Seiten konsensfähig. Kinder können und sollen (in unserem "aufgeklärten" Europa) nichts für ihren eigenen Unterhalt tun, sie sind an ihrer Herkunft nicht schuld und haben alle - ohne Ausnahme die gleichen Rechte zu haben.
Wer€™s nicht glauben will, lese die UN-Kinderrechtskonvention !

Aber die konservativen Ressentiments einzelner, Bedenken gegen die vorgesehene Gleichstellung der ersten (geschiedenen) und der aktuellen, ebenfalls Kinder betreuenden Ehefrau im Unterhaltsrang, auch die Einbeziehung der nicht verheirateten, aber ebenfalls Kinder betreuenden Mutter in diesen zweiten Rang drohten zum Stolperstein zu werden.

In diesem Stadium nahm sich die Live Polit-Talk-Show Sabine Christiansen der ARD des Themas an und lud zum 18.03.2007 nach Berlin ein. Der Bundesvorsitzende verschob eine andere Reise, um nichts unversucht zu lassen, die Reform mit durchzuboxen. ISUV war als einziger Familienrechtsverband geladen.

In der Sendung der ARD kam die ganze Bandbreite der Unterhaltsrechtsreform überhaupt nicht zum Tragen. Hier ging es nur darum, viel zu spät vorgebrachte Bedenken zu bekämpfen oder aus der Welt zu schaffen, zum Teil vor einem zur Schau getragenen christlichen Hintergrund, der am liebsten alles außer der ersten Ehe als "Sünde" abtun wollte.
Daß die Entwicklung der seit 1977 steigenden Scheidungszahlen und der seit 1993 stagnierenden oder sinkenden Zahl der Eheschließungen aus gesellschaftlicher Sicht nicht begrüßt werden kann ist, ist eine eine lange bekannte Tatsache - daß sie mit einer Blockade "auf der Zielgeraden" der Unterhaltsrechtsreform, die lediglich seit Jahren bekannte Ungerechtigkeiten im Kindes- und im nachehelichen Ehegattenunterhalt korrigieren soll, nun plötzlich ein gesellschaftliches Umdenken bewirken soll, ist eine Unmöglichkeit.
Keine solche Maßnahme wird jedoch in der Lage sein, in unserem 21. Jahrhundert das gesellschaftliche Dafürhalten auf einen früheren Stand zurückzuentwickeln.
Auch der im Art 6 Grundgesetz garantierte Schutz von Ehe und Familie bezieht sich nicht nur auf die "erste" Ehe und Familie, sondern auf die Institution Ehe und auf alle (auch auf nicht auf Trauschein basierende) Arten von Familien.
Und Familien sind bekanntlich dort, wo die Kinder sind.
Gesetze, die heute gemacht werden, müssen für die Menschen, die Gesellschaft in ihrer heutigen Konfiguration gemacht werden, nicht für längst überholte Wunschkonfigurationen. Sie müssen praktikabel sein und in Not geratenen Partnerschaften, z.B. nach Trennung und Scheidung, helfen.

Die Diskussion führten:
Sabine Christiansen, ARD, Moderatorin,
Norbert Geis, MdB, CSU,
Gaby Hauptmann, Bestsellerautorin,
Michaela Freifrau Heereman, Kath. Theologin, Publizistin,
Andrea Kiewel, Journalistin,
Martin Kulke (23) und Annabell Reichstein (21), heiraten im Sommer 2007,
Michael Salchow, Bundesvorsitzender ISUV,
Ronald Sittinger, Diplomsozialpädagoge,
Werner Schulz, Familienrichter a. D.,
Thomas Strunz, Ex-Fußballnationalspieler.

In seiner Sendereihe "Ländersache" wollte das Südwestfernsehen (SWR 3) mit einer Gesprächsrunde mit Fachleuten und Betroffenen in Esslingen am 22.03.2007 Vor- und Nachteile der vorgesehenen Reform erörtern. Hier waren in uriger Atmosphäre u.a. mit ISUV noch zwei weitere Familienrechtsverbände vertreten, auch junge und alte Betroffene, Paare und Geschiedene.

Es traf sich, daß der Beschluß der Fraktionsspitzen der Großen Koalition mit der Bundesministerin der Justiz zum "Wieder-Flottmachen" der Unterhaltsrechtsreform wenige Minuten vor Beginn der Sendung über die Ticker ging und damit zu einem wesentlichen Gesprächspunkt in dieser Runde wurde.
Der Beschluß der Spitzenpolitiker traf auf sehr unterschiedliche Beurteilungen. Vorrangig schien vielen, daß die Reform nun endlich doch kommt. Einig waren sich auch viele, daß die Verschiebung der nicht ehelich geborene Kinder betreuenden Mutter in den dritten Unterhaltsrang eigentlich nicht akzeptabel sei, vom BVerfG mit Sicherheit in einer mit Sicherheit schnell zu erwartenden Verfassungsbeschwerde oder einer Normenkontrollklage dem Gesetzgeber zur Nachbearbeitung zurücküberwiesen werden würde.
Hierin jedoch ein "Durchsetzen" der Union oder ein "Einknicken der SPD" sehen zu wollen, ist verfehlt.
Der Betreuungsunterhalt für diejenigen Elternteile, die die eben gerade in den gleichen Unterhaltsrang versetzten Kinder betreuen, ist wieder ungleich.
Gelang es noch, die Kinder im Kindesunterhalt zu "Siegern" zu machen, wurde die Chance bei Kinderbetreuungsunterhalt eindeutig gleich wieder vertan.

Genau hier wird unsere Kritik anzusetzen haben, dieses wird nach Gesetzwerdung der Reform unsere Basis für weitere Forderungen und Kritik sein müssen. Hier muß nachgearbeitet werden.

Am Tage nach dieser Sendung wurde aus verschiedenen Zeitungsberichten deutlich, daß Beschluß der Fraktionsspitzen der Großen Koalition mit der Bundesministerin der Justiz doch noch mehr beinhaltete, als anfangs deutlich geworden war:
Nunmehr sollen die Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten und der nicht verheirateten Mutter wegen Betreuung eines Kindes (§§1570 und 1615l) hinsichtlich ihrer Befristung weiter angeglichen werden.
Bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines ehelichen Kindes kann eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden.
Für die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes soll der Unterhaltsanspruch für mindestens drei Jahre nach der Geburt bestehen und sich verlängern, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht.
In beiden Fällen sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

Wie man sieht, ist die "Zitterpartie" Reform des Unterhaltsrechts noch lange nicht zuende.
Vorgesehen ist die abschließende Behandlung im Deutschen Bundestag in der 17. Kalenderwoche, die im Bundesrat am 11.05.2007.

Der Prüfung und Unterzeichnung des Änderungsgesetzes durch den Bundespräsidenten darf man mit Hoffnung und Interesse entgegensehen, damit dann das vorgesehene und von allen Seiten "beschworene" Inkrafttreten zum 01.07.2007 auch wirklich stattfinden kann.

Den vollständigen, mit Bildern versehenen Bericht können Sie unter ((aktuelle Berichte|Aktuelle Berichte)) nachlesen.

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