Starr ist die Tabelle - flexibel sind die Lebensverhältnisse
In einem Interview nimmt der ISUV-Vorsitzende Josef Linsler Stellung:
Was kritisieren Betroffene an der neuen Düsseldorfer Tabelle?
Noch ist sie nicht vorgestellt, aber neu ist sie nicht, sondern sie wird im Wesentlichen nur entsprechend den veränderten Kindergeldbeträgen angepasst. Vieles wird kritisiert an der Düsseldorfer Tabelle, teilweise Grundsätzliches. Seit Wochen schon wird kritisiert, dass die Selbstbehalte wohl nicht angehoben werden.
Ist diese Kritik berechtigt?
Ich denke schon, schließlich muss nicht nur für Kinder mehr ausgegeben werden, auch die Unterhaltszahlerinnen und Unterhaltszahler müssen mehr für Lebensmittel und Energie ausgeben. Man sollte die Kuh pflegen, die man melken will. Grundsätzlich gilt es zu bedenken, dass viele Unterhaltspflichtige, die hart arbeiten, am Ende nicht viel mehr haben als Hartz IV Empfänger. Das wird als sehr ungerecht erlebt.
Was sind weitere Kritikpunkte der Betroffenen?
Die Zahlbeträge seien zu hoch, sie entsprechen nicht dem Lohnniveau oder sie steigen schneller als das Lohniveau. Natürlich brauchen Kinder mehr Geld, schließlich gibt es Kinderarmut. Kinder sind Armutsrisiko, das ist das Problem. Bei Unterhaltspflichtigen wird eine seit Jahrzehnten vernachlässigte und verfehlte Familienpolitik besonders akut. Sicher wäre es auch gut, wenn transparenter würde, wie die Beträge festgelegt werden.
Viele unterhaltspflichtige Väter wollen doch einfach nicht zahlen.
Nein, auch wenn es noch hundertmal wiederholt wird, das stimmt nicht. Von unseren Mitgliedern weiß ich aus zahllosen Gesprächen, für Kinder wird gezahlt, oft gerne gezahlt, teilweise mehr gezahlt, wenn es finanziell möglich ist. Anders ist es da schon teilweise beim Ehegattenunterhalt. Im übrigen: Bitte sich nicht nur auf Väter zu focussieren, es gibt auch viele unterhaltspflichtige Mütter.
Es gibt doch von Betroffenen auch grundsätzliche Kritik an der Düsseldorfer Tabelle.
Ja, es wird kritisiert, das die Düsseldorfer Tabelle ein starres System ist: Da ist der be-treuende Elternteil und auf der anderen Seite der zahlende Elternteil, der eine betreut, der andere zahlt. Die Lebensverhältnisse und Lebensformen sind heute flexibler. Immer mehr Eltern praktizieren das Wechselmodell, d. h. sie teilen sich die Betreuung. Da gibt es viele Abstufungen und Regelungen. Betreuung ist heute oft aufgeteilt. Das bedeutet aber nicht, automatisch, dass auch der Kindesunterhalt halbiert oder differenziert gezahlt wird.
Werden Umgangskosten berücksichtigt?
Heftig kritisiert wird von Betroffenen auch, dass Umgangskosten nicht berücksichtigt werden. Fakt ist, dass sich einige Mütter und Väter nicht gleichzeitig Kindesunterhalt und Umgang leisten können. Kinder haben ein Recht auf Umgang, Eltern haben die Pflicht zum Umgang auch nach Trennung und Scheidung. Betroffene kritisieren, dass gemäß Düsseldorfer Tabelle der Umgang dann auf der Strecke bleibt.
Wird das jeweilige Familieneinkommen berücksichtigt?
Von Betroffenen wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass der Output der Düsseldorfer Tabelle teilweise ungerecht ist, weil die Familieneinkommen nicht oder nicht systematisch oder zu wenig berücksichtigt werden. Die eine Familie - zwei Erwachsene und ein Kind - erzielt mit Unterhalt ein Familieneinkommen von 3000 Euro, auf der anderen Seite bleiben einem Unterhaltspflichtigen am Monatsende 900 Euro, weil das Einkommen des neuen Partners beim Kindesunterhalt nicht zählt. - Das ist natürlich ein weites Feld. Das Problem ist einfach, dass sich da die starre Tabelle und die flexiblen Lebensverhältnisse reiben. Das führt zu Streit, zu juristischem Streit.
Was ist ihr Rat?
Da ist guter Rat oft teuer, wenn man vor Gericht zieht. Guter Rat kann auch billig sein, wenn sich beide Elternteile großzügig einigen. Das schont die Nerven und die Kinder. über das System Düsseldorfer Tabelle muss angesichts der veränderten Verhältnisse nachgedacht werden.