Wie wird der BGH entscheiden?

Im Folgenden gibt Rechtsanwältin Ilona Nistahl einen Ausblick auf die Rechtsprechung

Die Parteien des zur Entscheidung anstehenden Verfahrens waren seit Januar 2000 verheiratet. Die Ehe ist seit April 2006 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe ist der im November 2001 geborene gemeinsame Sohn hervorgegangen. Er wird von der Klägerin betreut. Seit 2005 besuchte er eine Kindertagsstätte und daran anschließend den Hort mit Nachmittagsbetreuung~ seit September 2007 geht er zur Schule. Die Klägerin macht nachehelichen Unterhalt ab dem 01.07.2006 geltend. Die Klägerin ist als Studienrätin seit August 2002 mit 69,23 % einer vollen Stelle in Teilzeit tätig.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Pankow / Weißensee hat der Klage auf nachehelichen Unterhalt teilweise stattgegeben und es abgelehnt, den Unterhaltsanspruch der Klägerin zu zeitlich befristen. Das Kammergericht Berlin hat die daraufhin vom Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen.
Der BGH wird damit erstmals u. a. zu den bereits im Schrifttum und von den Familiengerichten umfangreich diskutierten Fragen der Dauer des nachehelichen Betreuungsunterhaltsanspruchs sowie zur Befristung des nachehelichen Unterhalts Stellung nehmen.

Nach dem ab 01.01.2008 geltenden Unterhaltsrecht hat ein geschiedener Ehegatte, der das gemeinsame Kind betreut, einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Der Anspruch verlängert sich, "solange und soweit dies der Billigkeit entspricht". Dies bedeutet, dass nach Ablauf von 3 Jahren für den weitergeforderten Unterhaltsanspruch dargelegt werden muss, aus welchem Grund der Betreuungsunterhalt zu verlängern ist.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte zwar das bisherige im Unterhaltsrecht geltende Altersphasenmodell mit der Unterhaltsrechtsreform nicht mehr beibehalten werden. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass der betreuende Elternteil mit Vollendung des drit-ten Lebensjahres des Kindes eine Vollzeittätigkeit ausüben muss. Vielmehr ist dadurch nur die pauschale Einteilung nach Altersgruppen verwehrt und eine Einzelfallentscheidung unter Abwägung der bestehenden Besonderheiten vorgeschrieben.

Das OLG München (Az. 12 UF 1125/07) entschied die Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs mit Urteil vom 04.06.2008 dahingehend, dass der Verweis auf Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit bei Betreuung von Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter eine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil des betreuenden Elternteils darstellen würde. Während der barunterhaltsverpflichtete Elternteil in seiner Freizeitgestaltung unabhängig sei, so hätte der betreuende Elternteil wegen der mit einer Vollzeittätigkeit und Betreuung einhergehenden Belastungen seine eigene Interessen hintanzustellen.

Auch der BGH dürfte in seiner zu erwartenden Entscheidung diesen Gedanken verfolgen und sich im weiteren dafür aussprechen, dass Kinder im Grundschulalter nach Schulende nicht ohne Betreuung sind, weil etwa der andere Elternteil zur Vollzeittätigkeit verpflichtet wäre. Insofern wird maßgeblich darauf hingewiesen werden, dass eine Verlängerung aus kindbezogenen Gründen jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn das Kind anderenfalls durch die Berufstätigkeit des Elternteils auf sich allein gestellt wäre, so dass lediglich eine Halbtagstätigkeit in Betracht kommt. Es ist des weiteren zu vermuten, dass der BGH den betreuenden Elternteil nicht darauf verweisen wird, dass eine Vollzeittätigkeit wegen der Betreuungsmöglichkeit in öffentlichen Einrichtungen gewährleistet ist. Da hier die Klägerin bereits die Hortbetreuung in Anspruch nimmt und mit 69,23 % in Teilzeit erwerbstätig ist, sind die Betreuungsmöglichkei-ten ausgeschöpft.

Der BGH wird voraussichtlich im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts vom 28.02.2007 auch darauf eingehen, dass die Ausführungen ebenso auf den Anspruch auf Betreuungsunterhalt im Falle eines nichtehelich geborenen Kindes anzuwenden sind.
Hinsichtlich der Befristung des Unterhaltsanspruches unter Zugrundelegung des nach dem neuen Unterhaltsrecht herausgestellten Grundsatzes der Eigenverantwortung ist zunächst zu beachten, dass die Klägerin wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes gerade zur vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht in der Lage ist. Vor diesem Hintergrund ist es daher nicht unwahrscheinlich, dass der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält und eine Befristung auch wegen der nicht vorhersehbaren Entwicklung des minderjährigen Kindes in Bezug auf den Betreuungsbedarf ablehnen wird.

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