Trennung – Scheidung – gemeinsame Elternschaft: Restriktive Rechtsprechung beim Wechselmodell – Rolle rückwärts bei gemeinsamer elterlicher Sorge?

Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) kritisiert, dass Gerichte nicht nur gegen das Wechselmodell entscheiden, sondern auch immer öfter gemeinsame elterliche Sorge und Umgang einschränken. Dazu stellt der ISUV-Vorsitzende Rechtsanwalt Klaus Zimmer fest: „Gemeinsame elterliche Sorge will der Gesetzgeber als Regelfall. Alleinsorge muss die Ausnahme bleiben. Gemeinsame Elternschaft ist in der Regel im Interesse des Kindeswohls. Wenn Eltern das gemeinsame Kommunizieren verlernt haben, sollten sie es in einer verpflichtenden Mediation wieder lernen. Es ist wichtig den Kindern trotz Trennung und Scheidung der Eltern ein familiales Netz zu erhalten.“  

 

ISUV-Kontaktanwälte kritisieren die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und von Oberlandesgerichten zu Wechselmodell aber auch zu elterlicher Sorge und Umgang. So hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22.01.2018 – Az. 1 BvR 2616/17) eines Betroffenen gleich gar nicht zur Entscheidung angenommen. Er berief sich auf Artikel 6,2 GG – Pflege und Erziehung sind das natürliche Recht der Eltern. Auf eine Entscheidung, ob dies nach Trennung oder Scheidung aufgehoben ist, bzw. andere Maßstäbe gelten, wollte sich das Gericht nicht einlassen.

 

Obwohl ein Antrag der FDP-Fraktion – Wechselmodell als Regelfall - im Rechtsausschuss gerade beraten wird, verkneift sich das Gericht in seiner Ablehnung nicht eine pikante Aussage: „Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, den Gerichten für die Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennt lebender Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorzugeben...“ ISUV-Kontaktanwalt Simon Heinzel gibt zu Bedenken: „Es bleibt abzuwarten, ob der Rechtsausschuss bei diesen Vorgaben des BVerfG die Frage der gesetzlichen Einführung des Wechselmodells als Regelfall, besonders intensiv beraten wird.“

 

Als Grundlage für ein Wechselmodell, aber auch für die elterliche Sorge wird in der Rechtsprechung die „Kommunikationsfähigkeit“ der Eltern gesehen. „Besteht zwischen den Eltern keine ausreichende Kommunikations- und Kooperationsbasis und konnte eine solche auch trotz unterschiedlicher Versuche in der Vergangenheit mittels professioneller Hilfe Dritter nicht hergestellt werden, scheidet nicht nur die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells aus. Vielmehr kommt auch kein in einer Weise stark erweiterter Umgang in Betracht, der einen regelmäßigen Austausch und eine regelmäßige Abstimmung der Kindeseltern über die Kinder betreffende Alltagsfragen und Belange erfordert.“ (OLG Koblenz, Beschluss vom 21.12.2017 – Az. 13 UF 676/ 17)

 

Das OLG lehnt nicht nur das Wechselmodell wegen fehlender Kommunikation und Kooperation ab, sondern auch einen stark erweiterten Umgang. Letztendlich ist Kommunikationsbereitschaft beider Eltern der entscheidende Faktor in allen Sorgerechts-/Umgangsrechtverfahren. „Lehnt also ein Elternteil jegliche Kommunikation ab, weil er sich dadurch einen Vorteil verspricht, setzt er sich durch. Das widerspricht dem Kindeswohl – und kann so nicht stehenbleiben“, stellt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler fest.

 

Das OLG Koblenz musste auch über den Kindeswillen zu entscheiden. Die Kinder (11 / 14 Jahre) hatten den Wunsch geäußert ein Wechselmodell zu leben. Das Gericht ging jedoch trotz ihres Alters von einem starken Loyalitätskonflikt aus, die Kinder wollten keinem Elternteil wehtun. Sie könnten die mit einem Wechselmodell verbundenen Konsequenzen nicht überblicken. „Kinder wollen keinen Elternteil verlieren, das Gericht nimmt ihnen einen Elternteil, schafft einen Zustand, den die Kinder nicht wollen und eröffnet einen neuen Loyalitätskonflikt“, kritisiert Linsler.

 

Des Weiteren stellt das OLG Koblenz fest: „Umgangsrecht dient dazu, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehung zu ihm aufrecht zu erhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen.“ Eine sehr enge und starre Auslegung des Umgangsrechts. „Umgangsrecht ein Kontrollrecht? Wir meinen mit Umgangsrecht gemeinsame Elternverantwortung, hier ist der Gesetzgeber zwecks Klarstellung gefordert“, fordert Linsler.

 

Auch in folgenden Fall nimmt das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde eines Vaters nicht an, der sich durch Aberkennung der gemeinsamen elterlichen Sorge in seinen Rechten gemäß Artikel 6, 2 GG eingeschränkt sieht. Das Gericht stellt fest:

 

„Der Gesetzgeber darf einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind für den Fall zuordnen, dass die Voraussetzung für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung fehlen. Bei der konkreten Regelung des Sorgerechts im Einzelfall unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechte ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen. ... Die Grundrechte des Kindes gebieten, bei der gerichtlichen Sorgerechtsregelung den Willen des Kindes zu berücksichtigen, aber nur soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist.“ (BVerfG, Beschluss vom 22.03.2018 – Az. 1 BvR 399/18)

 

In letzter Konsequenz heißt dies: Wenn einer der Ehe-maligen die Kommunikation konsequent verweigert, die Kinder auf seine Seite zieht, kann er nicht nur das Wechselmodell verhindern, sondern jegliche gemeinsame Elternverantwortung. Der Betroffene ist in diesem Fall reduziert auf den Status als Zahlemann oder Zahlefrau. „Das ist nach allgemeinem Rechtsverständnis nicht vermittelbar, einer ist rechtlos gegenüber den eigenen Kindern, muss zahlen, hat nur Pflichten, der andere alle Vorteile und Rechte. Die Politik ist gefordert. Es bedarf Leitplanken innerhalb derer gefahren werden muss: Erziehung und Pflege sind das natürliche Recht der Eltern – auch nach Trennung und Scheidung. Das gilt es umzusetzen und nicht vor Umgangs- oder Kommunikationsverweigerung zu resignieren.“ (Linsler). Zwecks Umsetzung fordert der Verband eine Pflicht zur Mediation einzuführen, von Jugendämtern und Gutachtern nachhaltige lösungsorientierte Beratung mit dem Ziel gemeinsame Elternschaft auch nach Trennung und Scheidung zu leben.  

 

ISUV – Kompetenz im Familienrecht seit über 40 Jahren

 

Der ISUV vertritt als größte deutsche und überparteiliche Solidargemeinschaft die Interessen von Bürgern, die von Trennung, Scheidung und den damit zusammenhängenden Fragen und Problemen betroffen sind. ISUV ist unabhängig, bundesweit organisiert und als gemeinnützige Organisation anerkannt.

 

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ISUV-Vorsitzender RA Klaus Zimmer, Augustinerplatz 2, 79098 Freiburg, 0761/23455, k.zimmer@isuv.de

 

ISUV-Pressesprecher, Josef Linsler, Moltkestraße 22a, 97318 Kitzingen, Tel. 09321/9279671 – j.linsler@isuv.de