„Als Mittelstand in die Armut“ - „Die Düsseldorfer Tabelle 2024 ist eine Frechheit.“
Nicht nur Bauern, Lastwagenfahrer, Dienstleister protestieren, sondern auch unterhaltspflichtige Väter und Mütter – finanzielle Dienstleister – protestieren.
Die Erhöhung der Unterhaltsbeträge durch die Düsseldorfer Tabelle 2024 stößt auf heftige Kritik, Protest, Staatsverdrossenheit der unterhaltspflichtigen Väter und Mütter. Der ISUV - Interessenverband Unterhalt und Familienrecht - erhält so viele Protestmails wie noch nie.
Auch in ISUV-Foren wird heftig gegen die Düsseldorfer Tabelle 2024 und das Unterhaltsrecht protestiert. Die Grundtendenz gibt die Äußerung eines Users wider: „Die Düsseldorfer Tabelle 2024 ist eine Frechheit, der Mindestbehalt für eine arbeitende Person von 1450€ viel zu wenig. Zudem glaube ich nicht, dass man für ein Kind (520€ Unterhalt plus 250 Kindergeld) 770€ im Monat benötigt.“
Die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich stellt dazu fest: „Die Düsseldorfer Tabelle schafft von Jahr zu Jahr immer mehr Mangelfälle. Das bedeutet, dass die geforderten Unterhaltsbeträge zu hoch sind, daher von immer weniger Unterhaltspflichtigen mit niedrigen und mittleren Einkommen geleistet werden können. Es ist ungerecht, wenn der Unterhalt um über 9 Prozent steigt, der Selbstbehalt aber nur um 6 Prozent.“
Soziale Lagen – Kritik von Unterhaltspflichtigen
Die Vorwürfe richten sich gegen die Macher der Düsseldorfer Tabelle, aber gleichzeitig auch gegen die Politik, die die Missstände seit Jahren einfach laufen lässt. Ein Betroffener schreibt: „Die verstehen es nicht – oder verdrängen sie es, da es bei Beamten/Richtern regemäßig Lohnerhöhung gibt, dass man ab 2 Kindern, die ggf. grad noch zwischen 12 und 18 sind, wenn man nicht Netto bereinigt über 2.500 EURO verdient, somit zwangsläufig unter den angemessenen Selbstbehalt fällt! Falls man das Glück hat die Kinder regelmäßig zu haben, auch in den Ferien usw., dann reicht es weder vorne noch hinten zum Überleben, trotz eigentlich gutem Brutto, das sehr weit über Mindestlohn liegt. Als Mittelstand in die Armut dank Düsseldorfer Tabelle, ich begreife nicht, wie und warum Politiker das nicht interessiert.“ Ulbrich hebt hervor: „Tatsächlich rücken seit zwei Jahren Einkommensgruppen an den notwendigen Selbstbehalt, die davor noch ein gesichertes Einkommenspolster hatten.“
Ungleichgewicht Unterhaltshöhe und Betreuung
Der Unterhalt ist zu hoch, das kritisieren alle Unterhaltsschuldner. „Ich bezahle nach Düsseldorfer Tabelle Stufe 3 für 13+16-Jährige 1170€. Mit Kindergeld bekommt die Kindsmutter somit 1670€ jeden Monat. Die Kinder sind 14tägig von Fr-So bei mir und in etwa Hälfte die Ferien. Kinder in dem Alter benötigen sicherlich nicht 1670 € im Monat und schon gar nicht, wenn sie in den Ferien 3 Wochen beim mir sind, in denen ich vollen Kindesunterhalt bezahlen muss und die Kinder bei mir versorge. Kommen dann irgendwelche Sonderausgaben, dann muss ich auch die zur Hälfte zahlen.“
Bei ISUV sieht man schon auch, dass sich auf Grund von Kindesunterhalt und Kindergeld erhebliche Einkommensverschiebungen ergeben. „Allerdings darf man nicht vergessen, dass Kinder auch etwas kosten. Wie viel das ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Grundsätzlich darf der Bedarf aber nicht einfach von Oben bestimmt werden, sondern muss die Eltern miteinbeziehen“, meint Melanie Ulbrich.
Einkommen beider Eltern berücksichtigen
Ein Betroffener spricht in seinem Post ein zentrales Problem an, das auch von ISUV immer wieder aufgegriffen wird. „Ich zahle auch und es ist für mich auch selbstverständlich. es ist für mich nur nicht verständlich, warum z. B. nicht auch die finanziellen Mittel der - in meinem Fall - Kindesmutter mit in die Berechnung einfließen. Sie ist finanziell deutlich besser aufgestellt als ich und so sind durch meinen Unterhalt natürlich der ein oder andere Urlaub mehr drin. Nein, ich will mich jetzt nicht beklagen, ich zahle natürlich, auch weil es mein Kind ist und ich es über alles liebe, nur sollte es gerechter zugehen.“ Mehr Gerechtigkeit zwischen beiden Trennungseltern ist für ISUV das zentrale Thema: Mutter und Vater betreuen, entsprechend müssen auch beide Unterhalt zahlen.
In zwei Jahren 20 Prozent mehr Unterhalt, das kritisieren Unterhaltspflichtige zurecht: „Inflation gibt es nur bei Kindern/Hauptbetreuenden, beim Unterhaltsschuldner ist Deflation, wird alles billiger? Es müssen doch Kinder bei Vater und Mutter ein Recht auf ein adäquates Leben haben. Mit Kindern ab 12 Jahren aufwärts kann der unterhaltsberechtigte Elternteil doch gut einer Vollzeitarbeit nachgehen. Dann muss der Unterhaltspflichtige nicht noch zum Vollzeitjob einen Nebenjob machen. Mit Nebenjob geht angemessenes Betreuen zeitlich gar nicht. Politik und Rechtsprechung versagen, da diese die Situation nicht nachvollziehen können. Wenn die ISUV-Vorsitzende „Nebenjob“ hört, schreckt sie auf und wird heftig: „Nebenjob eines Unterhaltspflichtigen, der Vollzeit arbeitet, das geht gar nicht. Wie soll da eine Mutter oder ein Vater noch betreuen? Oder ist gar übertarifliche Arbeit, zusätzliches Geld anschaffen wichtiger als betreuen? Hier muss der Gesetzgeber der Rechtsprechung das Wasser abgraben.“
Wohnkosten – einfach übergangen
Das Problem besteht schon seit Jahren, für 520 EURO gibt es keine warme Wohnung, erst recht keine Wohnung, in der Kinder betreut werden können. Nicht einmal daran hat die Düsseldorfer Tabelle 2024 etwas geändert.
„Ich bekomme hier auf dem Lande nicht einmal mehr eine angemessene Zweizimmer-Wohnung für 520€ kalt. Zumindest die brauche ich, wenn ich die beiden Kinder an zwei Wochenenden und zweimal während der Woche betreuen will“, schreibt eine unterhaltspflichtige Mutter stellvertretend für sehr viele andere. Die Macher der Düsseldorfer Tabelle antworten darauf: „Dann muss sie eben auf Erhöhung des Selbstbehalts klagen." Einmal von Prozessrisiko abgesehen, wie erbärmlich ist es denn, wenn eine Steuerzahlerin, ein Steuerzahler darum bitten muss: "Bitte lasst mich angemessen wohnen." Die ISUV-Vorsitzende ergänzt: „So wird Sozialneid auf Bürgergeldempfänger geschürt, weil sie eine angemessene warme Wohnung zugewiesen bekommen.“
Paradigmenwechsel bei Kindesunterhalt – Verfassungsklage?
Die ISUV-Vorsitzende kündigt an, man werde das ganze Jahr das Thema Kindesunterhaltsrecht auf der Agenda halten. „Es darf nicht wieder so sein, die Düsseldorfer Tabelle 2024 ist da, Unterhaltsschuldner und Unterhaltsschuldnerinnen protestieren, sind wütend, aber zahlen dann doch und verharren in Staatverdrossenheit, die Karawane zieht weiter. Ein grundlegender Paradigmenwechsel muss her“, fordert Ulbrich. ISUV werde konkrete alternative Vorschläge machen. Auch eine Verfassungsklage werde in Erwägung gezogen. Der Verband lässt gerade von Fachleuten die Erfolgsaussichten prüfen.