Reform des Kindschaftsrechts: Gesetzesvorlage erst Ende 2024

Am 15. März nahm die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion im Bundestag zusammen mit anderen Verbandsvertretern und Experten am SPD-internen Fachgespräch zur geplanten Reform des Kindschaftsrechts teil. Sonja Eichwede, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sprach von der „größten Familienrechtsreform seit 1998“. Als groben Zeitrahmen für die Umsetzung der Reform rechnet Eichwede damit, dass frühestens Ende  2024 die Gesetzesvorlage dem Parlament vorliegt und dann hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird.

 Rahmenbedingungen

Sonja Eichwede betonte, das Familienrecht berührt jeden Menschen, jede Gruppe, in der Menschen leben. Daher ist es wichtig, dass Praktiker des Familienrechts schon von Anfang an eingebunden werden, um deren Wissen und Erfahrungen zu nutzen, so dass ein praktikables Sorge- und Umgangsrecht entsteht, das allen Familienformen gerecht wird. 

Für die ISUV-Vorsitzende war das Fachgespräch eine gute Möglichkeit die Standpunkte des Verbandes darzulegen. Melanie Ulbrich betonte, dass ISUV die Art des Agenda Settings durch Eckpunkte für eine Reform des Kindschaftsrechts grundsätzlich begrüßt.

ISUV-Forderungen

Die meisten der für ISUV wichtigen Regelungen sind zwar angesprochen, bedürfen allerdings einer Nachbesserung. „Die Begriffe Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung sind zentral für das Sorge- und Umgangsrecht. Die Rechtsprechung der Familiengerichte, Gutachten, Jugendamt und Anwälte argumentieren damit. Diese beiden Begriffe sollten konkretisiert werden“, fordert Ulbrich.

Nach ISUV-Auffassung muss hervorgehoben werden, dass jedes Kind einen „unantastbaren Anspruch“ auf die Betreuung durch beide Eltern hat, unabhängig ob die Eltern verheiratet waren oder nicht. „Gleiches muss auch für den Umgang gelten, wobei nicht mehr von Umgang gesprochen werden sollte, sondern von Betreuung“, regt Ulbrich an. Damit der Kontakt zum Kind nicht reißt, muss pädagogisches Coaching angeboten werden.

Mediation, Beratung und Coaching müssen früh im Trennungsprozess erfolgen. „Bevor ein Anwaltsbrief einen Elternteil erreicht, sollten beide Ehe-malige intensiv sich an Coaching beteiligen müssen“, fordert Ulbrich und verweist darauf: „Eltern haben nun einmal Pflichten gegenüber den Kindern, darauf wird in Artikel 6 Grundgesetz ausdrücklich hingewiesen.“ Coaching und Beratung sind der Weg, um eine partnerschaftliche Betreuung der Kinder zu erreichen. Treffend verweist die ISUV-Vorsitzende darauf: „Eine Modernisierung des Sorge- und Umgangsrechts wird durch rein juristische Regelungen erreicht.“ 

Laut Ulbrich ist Häusliche Gewalt ein wichtiger Aspekt bei Sorge und Betreuung, bei dem „genau hingeschaut“ werden muss. Besserer Schutz vor häuslicher Gewalt wird am ehesten durch „verstärkte Aufklärungspflicht der Familiengerichte und Jugendämter“ erreicht. „Es darf allerdings nicht verdrängt werden, dass es im Prozess von Trennung und Scheidung auch Missbrauch mit dem Gewaltvorwurf gibt“, hat Ulbrich schon mehrfach festgestellt. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für ISUV, die verstärkte Kooperation und Weiterbildung der beteiligten Experten. Das betrifft die Richterschaft, die Anwälte,  die sozialpädagogischen Fachkräfte der Jugendämter und nicht zuletzt Gutachter sowie Verfahrensbeistände. „Notwendig ist auch eine personelle Aufstockung. Das kostet Geld. Alle Erfahrung zeigt, das Geld ist gut investiert.“ (Ulbrich) 

Melanie Ulbrich wies erneut darauf hin, dass besonders beim Coaching – „Begleitung durch einen möglichst einvernehmlichen Trennungs- und Scheidungsprozess“ -  der ehe-maligen Paare Verbände mit entsprechender Expertise und Erfahrung, wie zum Beispiel ISUV, eingebunden werden sollten. 

Leitziel Trennungsfamilie

Grundsätzlich betonte die Bundesvorsitzende, dass die elterliche Sorge und die damit verbundene Kinderbetreuung nicht nach einem starren Modell angeordnet werden soll, sondern in der Trennungsfamilie möglichst eigenverantwortlich mit entsprechender beratender Unterstützung individuell gefunden werden sollte. „Nach unserer Erfahrung funktioniert Trennungsfamilie nur dann, wenn die Partner Bindungstolerenz gegenüber den Kindern gelernt und verinnerlicht haben. Bindungstoleranz heißt, zu akzeptieren, dass Kinder in der Regel Mutter und Vater trotz Trennung behalten wollen.“ 

Zentrale Forderung für ISUV ist deshalb eine Änderung des § 1671 BGB mit dem Wortlaut: „Trennungseltern tragen gleichberechtigt die elterliche Verantwortung, indem sie kindeswohlorientiert gemeinsam betreuen.“