Seitensprung wurde salonfähig - Reform der Reform

Besagter Paradigmenwechsel vollzog sich mit der Eherechtsreform, die vor 20 Jahren, am 1. 7. 1977 in Kraft trat. Der damalige Justizminister Hans-Jochen Vogel sprach von "Jahrhundertreform", von "Gleichheit im Familienrecht". Die F. A. Z. kommentierte unter der überschrift "Eine mittlere Ohrfeige": "Anscheinend haben wir zwei Gesetzgeber. Der eine ist ungeheuer liberal. Schuld am Scheitern einer Ehe gibt es für ihn nicht mehr~ das sind kleinbürgerliche Vorurteile. Dann gibt es aber noch einen anderen Gesetzgeber. Der treibt von denen, die mit dem schicksalhaften Vorgang (Sprache der Bundesregierung) des Scheiterns der Ehe geschlagen wurden mit rücksichtsloser Härte Geld ein. ñ Letzteres wurde und wird weiterhin mit deutscher Gründlichkeit "getrieben".
Seit 1. 7. 77 interessierte es den Staat nicht mehr, wer aus der Ehe ausbrach, wer den anderen Ehepartner öffentlich lächerlich machte. Der Staat hielt sich seitdem ñ ethisch indifferent ñ raus. Sein Credo lautete jetzt: Wenn eine Ehe scheitert, sind beide schuld. Was den Staat seitdem nur noch interessierte , war der "wirtschaftlich Stärkere", in der Regel der Mann. Entsprechend dem Zeitgeist wurde und wird von ihm ñ unabhängig von den Umständen des Einzelfalles ñ hemmungslos Solidarität gefordert.
Die Preisgabe des Verschuldungsgrundsatzes veränderte das Unterhaltsrecht. Nach der Scheidung sollte ñ so sah es die Generalklausel vor ñ jeder auf eigenen Beinen stehen. Jedoch durchlöcherten viele Ausnahmen diese Regel.
Und dann gab es noch die Bestimmung, daß sich der Unterhalt nach den ehelichen Verhältnissen zur Zeit der Scheidung richtet und den gesamten Lebensbedarf umfaßt (ß 1578 BGB).
Danach kann ein geschiedener Ehegatte Unterhalt fordern:
solange und soweit von ihm wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann ( ß 1570);
soweit von ihm wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann, und zwar entweder bei der Scheidung oder aber bei der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder aber beim Wegfall der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch aus Krankheits- (ß 1572) oder aus Arbeitsmarktgründen (ß 1573);
solange und soweit von ihm wegen Krankheit oder anderen Gebrechen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann~
soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und Versagung von Unterhalt grob unbillig wäre (ß 1575 I);
solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit finden kann ( ßß 1573 I, 1573 IV S. 1);
soweit die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit den vollen Unterhalt (ß 1578) nicht decken
( ßß 1573 II, 1573 IV S.2 );
wenn er in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul-oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat und diese oder eine entsprechende Ausbildung so bald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu erlangen, sofern ein erfolgreicher Abschluß zu erwarten ist (ß 15?5 I);
wenn er sich fortbilden oder umschulen läßt, um ehebedingte Nachteile auszugleichen (ß 1575 II).
Die Vielfalt dieser Bestimmungen und ihre vage Formulierung weckte Begierde bei den Betroffenen. Derartige Ansprüche müssen schließlich umgesetzt und durchgesetzt werden. Gutachter Psychologen, Anwälte bieten nur allzu gerne ihre Dienste an und machen Kasse. Auch die Allgemeinheit partizipiert am Scheidungsboom, denn viele Betroffene sind auf Prozeßkostenhilfe angewiesen, die wiederum aus der Staatskasse gezahlt werden muß.
Die Folgen für die Betroffenen zeigten sich postwendend: Nicht wenige Besserverdienende büßen nach der Scheidung ihren Besitz ein ñ Haus, Wohnung, Betrieb. Viele einkommensschwache Alimentenzahler leben danach auf Sozialhilfeniveau.
Als schwerster Mißgriff entpuppte sich jedoch im Verlauf der letzten 20 Jahre, daß elterliche Sorge und Unterhalt miteinander verküpft wurden. Dadurch wurden die Weichen gestellt zum sprichwörtlichen "Kampf ums Kind". Vordergründig ging es um das Kindeswohl, dahinter stand nichts anderes als der Kampf um Geld. Mit zynischer Offenheit hat Helga Häsing im "Handbuch Allein erziehen" erklärt: "Das einzige Faustpfand der Frauen sind die Kinder, wenn sie für sich vom Mann Unterhalt fordern wollen..." Getreu dieser Devise streiten bis heute recht viele Frauen recht erfolgreich vordergründig ums Kindeswohl., oft aufgepeitscht von Frauenbeauftragten, Gleichstellungsstellen, die die Frauen ermuntern, den Mann zu schröpfen, wo es nur geht, ja auch auf Kosten der Kindern. In den Augen der Feministinnen ist es allemal schon immer eine ausgemachte Sache: Es geht auch ohne Vater.
Frauen finden unter den Familienrichtern treue "Verbündete". Nach Erfahrungen des Verbandes Unterhalt und Familienrecht (ISUV) gilt unter ihnen immer noch die treudeutsche Maxime: "Nur eine Mutter weiß allein, was lieben heißt und glücklich sein."ñ
Was am Ende nach Statusverlust und Verlust der Kinder wirklich bleibt, sind oft Verbitterung, Perspektivlosigkeit, Resignation und manchmal Gewalt ñ gegen Kinder, gegen den ehe-maligen Partner und/oder gegen sich selbst.
Derartiger Scheidungs-Gau wird in den Medien reißerisch dargestellt, zum unabwendbaren Schicksalsschlag erklärt. Die Ursachen aber werden nicht diskutiert, möglicherweise auch gar nicht erkannt, warum biedere Frauen und Männer plötzlich Amok laufen. Beispielsweise zum Amoklauf eines Polizisten, der in Frankfurt mit der Dienstwaffe seine Frau, deren Anwältin und die Richterin niederschoß, als sie ihn zu Unterhaltszahlungen verurteilt hatte, fiel einem Fernsehsprecher nicht mehr als der lapidare Satz ein: Man solle doch Polizisten nach Dienstschluß die Dienstpistole wegnehmen.ñ
Der Verband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) prangert seit 20 Jahren diese Mißstände an. Nach Auffassung des ISUV ist eine Reform der "Jahrhundertreform", ein erneuter Paradigmenwechsel dringend geboten. Bei dieser Reform sollten die grundlegenden Strukturfehler korrigiert und dem gesellschaftlichen Wandel angepaßt werden. Die 1977 im Familienrecht sanktionierte Unterhaltsehe nach der Scheidung entspricht nicht mehr den Wertvorstellungen der heutigen Risikogesellschaft. Unterhaltszahlungen müssen grundsätzlich begrenzt werden. Ehegattenunterhalt darf nicht , was heute der Fall ist, Lohnersatz sein, sondern nur Hilfe zur Selbsthilfe. Nach spätestens fünf Jahren sollten beide Ehe-malige wieder auf eigenen Füßen stehen. Danach dürfen Unterhaltsansprüche nicht wieder aufleben, wie dies nach derzeit gültigem Recht möglich ist. Alle Bestimmungen, die eine lebenslanges Ruhen in der unterhaltsrechtlichen Hängematte ermöglichen, müssen gestrichen werden. Der Paradigmenwechsel im Unterhaltsrecht zielt darauf ab, die überstrapazierte Solidarität des Unterhaltspflichtigen abzubauen, um den Unterhaltsempfänger zu mehr Eigeninitiative anzustacheln.
Um die Scheidungskosten zu verringern, strebt der ISUV an, die beiden Expartner zu subsidiären Lösungen, sprich Ehevertrag und Mediation, zu verpflichten. Wenn der Bund fürs Leben geschlossen wird, sollte gleich das mögliche vorzeitige Ende mitberücksichtigt und ein Ehevertrag abgeschlossen werden. Darin können alle Vermögens- und Unterhaltsfragen geklärt werden, so daß sie bei der Scheidung kein Streitpunkt mehr sind.
Auch die Frage von "Recht" und "Unrecht" darf nicht einfach indifferent verdrängt werden. Nach Auffassung des ISUV ist es entwürdigend, wenn eine verlassene Frau oder ein verlassener Mann dem untreuen Partner über Jahre hinweg, ja möglicherweise ein Leben lang, auch noch Unterhalt zahlen muß. Der Verband kritisiert, daß gerade dann, wenn der Bund auf Treu und Glauben gekündigt wird, nicht der Grundsatz der modernen Risiko- und Erlebnisgesellschaft angewendet wird: Freizügigkeit ja, aber auf eigene Kosten.
J.Linsler
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