BGH, Beschluss vom 21.3.2012 - Versorgungsausgleich, Aussetzung der Rentenkürzung

a) Eine Anpassung der durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Versorgung nach § 33 VersAusglG wirkt ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung beim Familiengericht folgt.

b) Eine Aussetzung nach § 33 Abs. 3 VersAusglG kommt lediglich in Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte aus den Regelversorgungen des § 32 VersAusglG, aus denen die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung bezieht, in Betracht. Wurde der Versorgungsausgleich noch auf der Grundlage des bis zum 31. August 2009 geltenden früheren Rechts durchgeführt, entspricht dies bei Anrechten beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung dem Betrag, der im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB a.F. ausgeglichen wurde.

c) Die Aussetzung der Rentenkürzung ist nach § 33 Abs. 3 VersAusglG zusätzlich auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs beschränkt, den der geschiedene Ehegatte nach § 33 Abs. 1 VersAusglG bei ungekürzter Versorgung hätte. Liegt bereits ein Unterhaltstitel zugunsten des geschiedenen Ehegatten auf der Grundlage der ungekürzten Versorgung vor, ist im Rahmen des § 33 Abs. 3 VersAusglG grundsätzlich von diesem Unterhaltstitel auszugehen. Bestehen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass der vorliegende Unterhaltstitel nicht (mehr) dem gegenwärtigen gesetzlichen Unterhaltsanspruch entspricht, hat das Familiengericht diesen neu zu ermitteln.

d) Der gerichtliche Titel über die Aussetzung der durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Rente muss den Umfang der Aussetzung betragsmäßig festlegen und darf sich nicht auf eine Aussetzung des vollen Kürzungsbetrages beschränken, auch wenn der fiktive Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegenwärtig die Rentenkürzung übersteigt.

Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 21.03.2012 
Aktenzeichen    : XII ZB 234/11 
Leitparagraph   : VersAusglG §32 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel 

Inhalt:

Mit der Einführung des Versorgungsausgleichsgesetzes ist das sogenannte Rentnerprivileg weggefallen. Rentnerprivileg hat bedeutet, dass derjenige, der zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung bereits Rentner war, seine vollen Rentenbezüge behält (trotz der Durchführung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren) bis der andere Ehegatte die ihm übertragenen Versorgungsanrechte selbst in Anspruch nehmen konnte, letztendlich bis der andere Ehegatte selbst in Rente ging. Ebenso weggefallen ist das sogenannte Unterhaltsprivileg, wonach derjenige, der auf der Grundlage auch seiner vollen Rentenbezüge (ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs) gegenüber dem anderen unterhaltsverpflichtet war, seine vollen Rentenbezüge weiter behält, solange er unterhaltspflichtig ist (unabhängig von der Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflicht). Das neue Versorgungsausgleichsrecht hat als „Kompensation“ den § 33 VersAusglG geschaffen, wonach die Kürzung der Rente des Unterhaltspflichtigen in der Höhe ausgesetzt wird, in der ohne die Kürzung ein Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten bestehen würde. Dieser Anspruch ist der Höhe nach begrenzt in der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte. Damit hat der Gesetzgeber eine sogenannte doppelte Obergrenze für die Aussetzung der Kürzung der Rentenrechte geschaffen.

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>~BEISPIEL:

Rente ohne Versorgungsausgleichskürzung 1500 €, mit der Kürzung nur noch 1000 €. Einkommen des Unterhaltsberechtigten 1000 €. Ohne die Kürzung bestünde ein Unterhaltsanspruch von 250 € (500 € Einkommensdifferenz : 2 = 250 €). In diesem Fall wird die Kürzung durch den Versorgungsausgleich um 250 € ausgesetzt, der Unterhaltsverpflichtete erhält statt 1000 € Rentenbezug (bei voller Kürzung durch den Versorgungsausgleich) 1250 €, und muss dann die 250 € als Unterhalt abgeben.

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Wie man sieht, profitiert letztendlich von der Aussetzung der Kürzung nur der Unterhaltsberechtigte, denn dem Unterhaltsverpflichteten bleiben letztendlich in beiden Fällen nur 1000 € „im Geldbeutel“. Dieser Sachverhalt hat schon viele dazu veranlasst einen Unterhaltsvergleich zu schließen auf der Basis von Zahlen, die eher „fiktiv“ waren (z. B. mit Kapitaleinkünften, erhöhten Wohnwerten etc.), mit der Folge dass sich ein höherer Unterhaltsanspruch errechnet hat und somit auch die Aussetzung der Kürzung entsprechend höher war und man sich dann ggf. die Differenz zum wahren und richtigen Unterhalt untereinander geteilt hat. Hiervor ist jedoch zu warnen, da es sich hierbei letztendlich um einen Fall von Betrug handelt, nämlich Betrug zu Lasten der Rentenkassen.

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Zu beachten ist, dass ein Aussetzungsantrag von allen Beteiligten gestellt werden kann. Zu empfehlen ist ein solcher Antrag insbesondere dem Unterhaltsberechtigten, die Kürzung erfolgt jedoch immer erst ab dem Monat, der dem Tag der Antragseinreichung folgt. Die Entscheidung des BGH gibt auch den Familiengerichten eine „Gebrauchsanweisung“, da die Praxis zeigt, dass die Familiengerichte mit dieser gesetzlichen Neuregelung noch nicht so vertraut sind und ihre Schwierigkeiten mit der richtigen Formulierung derartiger Kürzungsentscheidungen haben.