BGH, Urteil vom 17.10.2012 – Elternunterhalt

1.  Angemessene Aufwendungen, die dem Unterhaltspflichtigen für Besuche eines unterhaltsberechtigten Elternteils im Heim entstehen, mindern grundsätzlich die Leistungsfähigkeit.

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2. Auch bei zusammenlebenden nichtehelichen Partnern ist bei Gesamteinkünften bis zur Höhe des für Ehegatten geltenden Familienselbstbehalts keine zusätzliche Haushaltsersparnis zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535).

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Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 17.10.2012 
Aktenzeichen    : XII ZR 17/11 
Leitparagraph   : BGB §1603 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Anmerkung:

Entscheidungen zum Thema „Elternunterhalt“ werden immer häufiger, was angesichts der demografischen Entwicklung nicht verwundert, wir werden immer älter (zum Elternunterhalt schon ISUV-Report Nr. 135, S. 18, BGH Urteil vom 21.11.2012, Az. XII ZR 150/10, zum Unterhaltsbedarf bei Heimaufenthalt mit einem Exkurs zur Verwirkung von Unterhalt). Im Vergleich von 2010 zu 2011 hat nach veröffentlichten Presseberichten die der Zahl der Menschen, die die Hilfe zur Pflege von der öffentlichen Hand erhalten um 2,95 % zugenommen (ca. 425.000 Betroffene). Der Staat versucht dann bei Kindern einen Unterhaltsanspruch nach § 1603 BGB durchzusetzen.

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Mit den beiden Entscheidungen des BGH stärkt der BGH beim Elternunterhalt weiterhin die Position der Kinder, indem der BGH in einem weitergehenden Umfang als beim „normalen“ Verwandtenunterhalt den Unterhaltsverpflichteten „schützt“. Mit den Entscheidungen des BGH sind 5 praktisch wichtige Fragen des Elternunterhaltes geklärt:

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  • Verfügt das unterhaltspflichtige Kind über keine eigenen Einkünfte, muss es das ihm zustehende Taschengeld aus dem Familienunterhalt für die Zahlung von Elternunterhalt einsetzen. Dem unterhaltspflichtigen Kind muss jedoch ein Mindesttaschengeldanspruch selbst verbleiben. Danach ist nur der Teil des Taschengeldes einzusetzen, der auf seinen Anteil des Familienunterhalts entfällt, welcher den individuellen Selbstbehalt übersteigt. Der individuelle Selbstbehalt setzt sich im Elternunterhalt aus dem Sockelselbstbehalt (derzeit 1600 Euro) sowie der Hälfte des den Sockelselbstbehalt übersteigenden Einkommens zusammen. Hat der Ehegatte z. B. 6000 Euro Nettoeinkommen und das unterhaltspflichtige Kind kein Einkommen, beträgt der Familienunterhalt (ohne Kinder) 50 % = 3000 Euro, abzüglich Sockelselbstbehalt 1600 Euro = 1400 Euro, abzüglich 50 % von 1400 Euro, mithin 700 Euro = 700 Euro. 5 % Taschengeld aus 700 Euro wären 35 Euro, dies der maximal einzusetzende Betrag.
  • Der Ehegatte des unterhaltspflichtigen Kindes ist bei der Bildung seiner sekundären Altersversorgung zur Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommens (im Beispielsfall 6000 Euro) nicht an die 5 %-Grenze gebunden, er kann auch weitaus höhere Altersvorsorge betreiben, Voraussetzung ist allerdings, dass die Beiträge zur Bildung einer solchen zusätzlichen Altersversorgung tatsächlich abgeführt werden und sich noch in einem angemessenen Rahmen halten.
  • Kapitaleinkünfte, die wegen des zu gestattenden Aufbaus von Altersvorsorgevermögen aus diesem bereits angesparten Altersvorsorgevermögen erzielt werden, sind nicht zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen zu zählen. Dies ist regelmäßig erst nach Überschreiten der Regelaltersgrenze in Betracht zu ziehen, da dann das gebildete Altersvorsorgevermögen zu verrenten und für die Zahlung von Elternunterhalt einzusetzen ist (BGH, FamRZ 2013, S. 203).
  • Aus einem Wohnvorteil kann kein Barunterhalt gezahlt werden, wenn das unterhaltspflichtige Kind im Übrigen einkommenslos ist. Die Kosten des Wohnens sind aus dem Familienunterhalt zu finanzieren. Eine Zurechnung ist insoweit nur dann möglich, wie sein Anteil am Familienunterhalt ist. Beträgt sein Anteil eben „0“, kann auch kein Wohnvorteil angesetzt werden. Gehört dem unterhaltspflichtigen Kind eine Immobilie zu 50 %, kann es jedoch auch nicht verpflichtet werden gegenüber dem Ehegatten eine Nutzungsentschädigung geltend zu machen.
  • Aufwendungen, die dem unterhaltspflichtigen Kind für Besuche seines Elternteils im Heim/Pflege entstehen (Umgangskosten), mindern die Leistungsfähigkeit und sind abzugsfähig.

Durch die Rechtsprechung des BGH werden unterhaltspflichtige Kinder weitergehend „geschont“. Insoweit wird vom BGH letztendlich Gesellschaftspolitik betrieben, die Schonung der unterhaltspflichtigen Kinder scheint gesellschaftspolitisch gewollt (so auch Stein, FamFR 2013, S. 97, 100).